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FORSCHUNG/551: Computermodelle unterschätzen Stoffkreisläufe (Uni Freiburg)


Albert-Ludwigs-Universität Freiburg - 23. Januar 2017

Bessere Vorhersagen für eine nachhaltige Zukunft

Computermodelle spielen in der Umweltpolitik eine wichtige Rolle, bilden das industrielle System aber nur unvollständig ab


Ob Elektrofahrzeuge, erneuerbare Energie, Umweltsteuern auf Kohlendioxid oder nachhaltiger Konsum: Nachhaltige Entwicklung erfordert Strategien, auf deren Grundlage Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, ohne dass die Umwelt darunter leidet. Bevor solche Strategien in die Praxis umgesetzt werden, sollten die möglichen Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft getestet werden. Dies erfolgt mithilfe von Computermodellen, welche die zukünftige demografische und wirtschaftliche Entwicklung abbilden und deren Wechselwirkung mit dem Klimasystem und den wichtigsten Ökosystemen untersuchen. Juniorprofessor Dr. Stefan Pauliuk von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg hat zusammen mit Kollegen aus Norwegen und den USA die bisher umfangreichste Begutachtung der wichtigsten dieser so genannten Integrierten Bewertungsmodelle vorgenommen. Die Ergebnisse des Teams, publiziert in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change", zeigen: Die bisherigen Modelle haben große Defizite in der Darstellung des industriellen Systems. Dies kann dazu führen, dass die Bewertungsmodelle die möglichen Umweltauswirkungen neuer Technologien nicht korrekt abbilden.

Integrierte Bewertungsmodelle entwickeln Szenarien für einen möglichst kostengünstigen Übergang zu einer nachhaltigen Material- und Energieversorgung und berücksichtigen dabei die Belastungsgrenzen der Erde. "Die Ergebnisse dieser Modelle sind ein wichtiges Instrument der Umweltpolitikberatung", sagt Pauliuk. "Sie zeigen überhaupt erst, dass es technisch möglich ist, ein wesentliches Ziel internationaler Klimapolitik zu erreichen: die durchschnittliche Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen." Dazu müssten die existierenden Technologien und Effizienzstrategien auf breiter Basis zur Anwendung kommen. Die Ergebnisse der Modelle spielen eine bedeutende Rolle im jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC). Ebenso wichtig waren sie bei den Verhandlungen im Vorfeld des Paris-Abkommens zur Eindämmung des Klimawandels, das im November 2016 in Kraft trat.

"Da diese Ergebnisse so eine große Bedeutung haben, stellt sich die Frage nach der Gültigkeit und Robustheit der von den Bewertungsmodellen getroffenen Vorhersagen", sagt Pauliuk. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten daher die Modelle insbesondere unter dem Aspekt, wie diese das industrielle System darstellen - also die globalen Wertschöpfungsketten der Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung von Energie, Materialien und Konsumgütern sowie das Recycling. Das industrielle System ist Quelle aller menschengemachten Güter und gleichzeitig Ursprung aller Emissionen in die Umwelt. Doch seine Abbildung in den Modellen ist den Forschern zufolge unvollständig. "Insbesondere die Stoffkreisläufe, zum Beispiel von Eisen oder Kupfer, aber auch eine Darstellung urbaner Infrastruktur fehlen völlig", erklärt Pauliuk. Dies führe zu gravierenden Nachteilen: "Es bleibt unklar, inwiefern diese Nichtbeachtung die Machbarkeit bestimmter Szenarien zur Eindämmung des Klimawandels beeinflusst. Außerdem werden wichtige Strategien zur Emissionssenkung wie Recycling, Materialeffizienz oder die Dichte urbaner Räume überhaupt nicht erfasst." Forscher seien jetzt aufgefordert, die Modelle um eine Beschreibung von Stoffkreisläufen und um weitere Details des industriellen Systems zu erweitern - mit dem Ziel, realistischere Vorhersagen für die Klima- und Ressourcenpolitik treffen zu können.


Originalveröffentlichung:
Stefan Pauliuk, Anders Arvesen, Konstantin Stadler, and Edgar G. Hertwich: Industrial ecology in integrated assessment models. In: Nature Climate Change 7, 13-20 (2017), doi:10.1038/nclimate3148
www.nature.com/nclimate/journal/v7/n1/full/nclimate3148.html

weitere Informationen:
www.indecol.uni-freiburg.de

http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2017/pm.2017-01-23.10

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Quelle:
Pressemitteilung, 23.01.2017
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Friedrichstraße 39, 79098 Freiburg
Tel.: 0761/203-0, Fax: 0761/203-4369
E-Mail: info@uni-freiburg.de
Internet: www.pr.uni-freiburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2017

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