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ARTENRAUB/135: Ägypten - Eingepferchte Gorillas für Privatzoos, Schmuggel bedrohter Wildtiere boomt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2014

Ägypten: Eingepferchte Gorillas für Privatzoos - Schmuggel bedrohter Wildtiere boomt

von Cam McGrath


Bild: © Cam McGrath/IPS

Geier werden in Ägypten frei gehandelt
Bild: © Cam McGrath/IPS

Kairo, 2. Januar (IPS) - Im Schaufenster einer kleinen Zoohandlung in einer vornehmen Wohngegend in Kairo stehen Käfige mit Hundewelpen, jungen Katzen und Sittichen. Und wenn Kunden exotischere Tiere wie Krokodile oder Löwenbabys haben wollen, brauchen sie nur im Laden nachzufragen. Kontrollen durch die Behörden sind kaum zu erwarten.

Dabei hat Ägypten das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) unterzeichnet, das den Handel mit wildlebenden Tieren untersagt. Da die Grenzkontrollen jedoch seit Jahrzehnten lasch gehandhabt werden und auch die Polizei nichts gegen das Problem unternimmt, ist das Land ein großer Umschlagplatz für geschmuggelte Wildtiere.

Tierschützern zufolge profitieren kriminelle Banden von den politischen Unruhen im Zuge des 'Arabischen Frühlings'. "Seit der Revolution 2011 hat Ägypten noch weniger Möglichkeiten, die Einhaltung der Artenschutzgesetze zu überprüfen. Schmuggler sind sich dieser Lage bewusst", sagte ein Mitarbeiter des Umweltministeriums in Kairo. "Das Land steht vor ernsten politischen und wirtschaftlichen Problemen. Schiffsladungen nach geschmuggelten Tieren zu durchsuchen, genießt keine Priorität."

Die Hauptstadt Kairo ist weniger Ziel als Drehscheibe illegal gehandelter Tiere. Arten aus Afrika sind für Asien und die arabischen Golfstaaten bestimmt. Exemplare seltener und gefährdeter Arten werden in Luftfracht- oder Schiffsladungen versteckt oder auf dem Landweg über die durchlässigen Grenzen Libyens und des Sudans geschmuggelt.


Vögel in Toilettenrollen gestopft

In den vergangenen Jahren haben die Behörden Taschen voller sterbender Schildkröten, in Toilettenrollen gestopfte Vögel mit zugebundenen Schnäbeln und Delfine in trüben Wasserbecken entdeckt. Zollbeamte im Ausland fanden in Kisten Baby-Schimpansen, die mit Hustensirup betäubt wurden.

Viele geschmuggelte Tiere werden in Mietwohnungen in Kairo und Alexandria den potenziellen Käufern vorgeführt. Andere landen in zwielichtigen Zoogeschäften, die sie in überfüllten und dreckigen Käfigen halten, oder in den immer zahlreicheren Privatzoos des Landes.

In einer Tierhandlung in dem wohlhabenden Kairoer Viertel Zamalek, die bis zum vergangenen Jahr mit offizieller Genehmigung betrieben wurde, fanden sich im vorderen Teil Hunde und Katzen. In den hinteren Räumen warteten junge Krokodile, Wüstenfüchse und ein ausgewachsener Geier auf Käufer. Der Raubvogel ging schließlich für umgerechnet rund 1.200 US-Dollar an einen Geschäftsmann.


Bestialischer Gestank alarmiert Nachbarn

Der Laden wurde von den Behörden geschlossen, nachdem sich Nachbarn über einen starken Gestank beschwert hatten. "Die Tatsache, dass mit bedrohten Arten gehandelt und die Tiere unter entsetzlichen Bedingungen gehalten wurden, war für die Schließung des Geschäfts irrelevant", kritisierte Dalia Awad, die in dem Viertel wohnt.

Wenn eine Zoohandlung geschlossen wird, macht irgendwo anders ein Geschäft auf. 'Tolba Kingdom Reptiles' stellt in Abu Rawash, etwa 30 Kilometer von Kairo entfernt, eine makabre Sammlung getrockneter Eidechsen, Gazellenhörner und einen unfachmännisch ausgestopften Löwen aus. In Gehegen und Käfigen werden Hyänen, Greifvögel, Serval-Ginsterkatzen, Wüstenfüchse und Mungos gehalten. Gorillas findet man in einem Nachbargebäude.

"Wir können jedes Tier bekommen und überall hin verschiffen", prahlt Salah Tolba, der den Familienbetrieb führt. "Die meisten Händler wissen nicht, wie sie mit Wildtieren umgehen müssen. Viele Tiere sterben, weil sie traumatisiert sind. Wir hingegen sind ein erfahrener Familienbetrieb. Wir haben große Käfige und behandeln unsere Tiere besser als die Zoos."

Tolba mag eine Ausnahme sein. Tierschutzaktivistin Dina Zulfikar weiß aber, dass in der Regel nicht auf das Wohlergehen von Tieren in Gefangenschaft geachtet wird. Wenn die ägyptischen Behörden solche wildlebenden Arten beschlagnahmen, werden sie in den staatlich verwalteten Giza-Zoo gebracht, der 2004 wegen der schlechten Behandlung seiner Tiere aus dem Weltverband der Zoos und Aquarien ausgeschlossen wurde.


Zuchtbetriebe bedienen reiche Kundschaft

Viele Löwen und Schimpansen aus dem Giza-Zoo wurden später bei Razzien gegen Privatbesitzer beschlagnahmt. Besucher können sich dort Tiere gegen ein Trinkgeld aussuchen. "Sie werden nicht versorgt, sterben oder werden gestohlen", berichtete Zulfikar. "Manche werden für Foto-Sessions benötigt oder an Zirkusdompteure verkauft. Tierärzte im Zoo experimentieren zudem mit In-Vitro-Fertilisation, um weiteren Nachschub zu züchten."

Seit den 1990er Jahren schießen private Zoos und Zuchtbetriebe in Ägypten wie Pilze aus dem Boden. 'Lion Village' beispielsweise öffnet seine Tore für zahlende Touristen, die sich von der katastrophalen Haltung der Raubtiere nicht abschrecken lassen. Andere Arten werden hinter Zäunen aufbewahrt und von Männern mit automatischen Waffen bewacht.

"Die Behörden in Ägypten sind machtlos", so der Fotograf und Tierschützer Karl Ammann. "Es ist unmöglich, irgendjemanden zum Handeln zu bewegen. Die Polizei hat Angst vor diesen Schmugglern, die mit allen möglichen Tierarten handeln."


Dokumentarfilm über die Tierschmuggel-Mafia

In Ammans 2006 gedrehten Dokumentarfilm 'The Cairo Connection' geht es um illegale Affenhändler und illegale Zuchtzentren in Ägypten. Eine der Rädelsführerinnen, die jahrzehntelang Schimpansen und Gorillas aus Zentralafrika über Ägypten schmuggelte, sitzt inzwischen offenbar in Nigeria im Gefängnis. Ihre drei Töchter sollen das Geschäft jedoch weiterführen. Ein weiterer Verwandter, der als Grenzbeamter in Libyen arbeitet, helfe ihnen dabei, ist in dem Film zu erfahren.

Ein anderer Schwarzmarkthändler betreibt in dem ägyptischen Badeort Sharm El-Scheikh am Roten Meer ein Zuchtzentrum für Primaten, das sich offiziell als 'nationales Rettungszentrum' ausgibt. Dutzende Gorillas und Schimpansen vegetieren dort in ihren Käfigen. Die Händler nutzen ein Schlupfloch in den CITES-Bestimmungen aus. Dort wird eine Obergrenze für die Zahl von Exemplaren einer Spezies festgelegt, die in einer Einrichtung gehalten werden dürfen, anstatt dass für jedes Tier eine gesonderte Genehmigung erteilt wird.

Nach Überzeugung von Ammann sind Mitarbeiter der ägyptischen Behörde für Wildtiere und -pflanzen und sogar lokale CITES-Vertreter in die illegalen Machenschaften verstrickt. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.youtube.com/watch?v=j7gsvvzlab8
http://www.karlammann.com/films.php#.UsEquvslgSk
http://www.cites.org/
http://www.ipsnews.net/2013/12/arab-spring-hits-exotic-pets/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2014