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ARTENSCHUTZ/075: Projekt Tiger - Wettlauf gegen die Zeit (WWF magazin)


WWF magazin, Ausgabe 2/2012
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Projekt Tiger - Wettlauf gegen die Zeit

von Volker Homes, WWF



Wo der Tiger lebt, haben auch andere bedrohte Arten wie Elefanten, Nebelparder, Nashörner oder Bären eine Heimat. Die selten gewordene Großkatze ist eine wichtige Schlüsselart für den Erhalt der biologischen Vielfalt Südostasiens.


Einst war er eine begehrte Trophäe der Reichen und Mächtigen und wurde gnadenlos gejagt. Heute wird er selbst von Staatschefs als so wichtig erachtet, dass sie im Chinesischen Jahr des Tigers 2010 - nicht zuletzt durch die Beharrlichkeit des WWF - sogar eine Gipfelkonferenz zu seiner Rettung einberiefen. Das Ergebnis war sehr erfreulich: Alle 13 Tigerverbreitungsstaaten einigten sich in St. Petersburg auf einen Aktionsplan mit dem Ziel, die Zahl von derzeit etwa 3200 Tigern bis zum Jahr 2022 zu verdoppeln und dafür mehr als 300 Millionen Euro auszugeben.

Mittlerweile sind erste Schutzmaßnahmen eingeleitet - zum Beispiel eine Kampagne von Interpol für verbesserte Zusammenarbeit der Polizei in allen 13 Tigerstaaten, um Wilderem und Schmugglern das Handwerk zu legen. An weiteren Maßnahmen in 11 der 13 Tigerverbreitungsstaaten ist auch der WWF beteiligt.

Die Zeit läuft gegen die Großkatze
Das Maßnahmenpaket ist bitter nötig, denn die Zeit läuft weiter gegen den Tiger. Schätzungsweise 97 Prozent seines ursprünglichen Bestandes sind bereits ausgelöscht und etwa 93 Prozent seiner ehemaligen Lebensräume vernichtet - für die Nutzung von Holz, Palmölplantagen, Straßen, Staudämmen, Siedlungen und den Abbau von Bodenschätzen. Und obgleich er überall unter Schutz steht, wird er noch immer verfolgt - von skrupellosen Händlern, die seine Körperteile als vermeintliche Medizin für horrende Summen verkaufen, genauso wie von gewissenlosen Trophäenjägern.

Drei der neun Unterarten des Tigers sind bereits ausgestorben. Zwei weitere stehen kurz davor. Deshalb müssen Lebensräume der Tiger erhalten und über Waldkorridore miteinander verbunden werden, damit sich die letzten Exemplare finden und vermehren können. Die Tiere müssen unbehelligt von Wilderem bleiben.

Und dort, wo Siedlungen sind, müssen Konflikte mit der Bevölkerung durch deren Aufklärung und Einbindung in den Schutz der Tiger verhindert werden. Gute Beispiele dafür gibt es in Thailand, wo der WWF seit Jahren mit den Menschen, die um die Schutzgebiete herum leben, zusammenarbeitet und Wissen über das Zusammenleben mit Tigern vermittelt.

Amur, Mekong, Sumatra
Der WWF Deutschland schützt Tiger vor allem am Amur, Mekong und auf der indonesischen Insel Sumatra (Seite 22). Mit vielen Rangern, die Wilderei bekämpfen, Fallen beseitigen und grüne Waldkorridore aufbauen. Weitere WWF-Mitarbeiter halten guten Kontakt mit höheren Regierungsebenen, um Naturschutzziele in die Köpfe und auf die Tagesordnungen der Politiker zu bringen. Schließlich versucht der WWF in allen Projekten, die lokalen Gemeinden als Verbündete zu gewinnen. Denn ohne deren Unterstützung lässt sich dauerhaft nirgendwo Natur schützen.

Im Idealfall profitieren die Menschen von Naturschutzmaßnahmen durch verlässliche Einkommen. So zum Beispiel durch die naturschonende Gewinnung von Wildpflanzen für die Medizin. Oder die nachhaltige Nutzung von Holz. Oder durch Tourismusprojekte, wie zum Beispiel in Schutzgebieten Indiens, wo Urlauber für das Beobachten lebender Tiger zahlen. Wo das Bewahren einer intakten Natur sich für die lokale Bevölkerung rechnet, haben Abholzung und Wilderer auf Dauer keine Chance mehr. Genau solche Win-win-Situationen versucht der WWF überall mit seiner Arbeit zu erreichen.

Dabei geht es um mehr als den Tiger: Die Menschen müssen lernen, ihren Lebensraum, den sie mit dem Tiger teilen, verantwortungsbewusst zu nutzen. Denn nur wenn sie keinen Raubbau betreiben und die Artenvielfalt bewahren, können sie auf Dauer Holz, Lebensmittel oder Arzneipflanzen ernten, sauberes Wasser genießen und auf gesundem Boden Nutzpflanzen wie Reis anbauen. Der Tiger steht für den Reichtum der asiatischen Wälder. Wo er an der Spitze der Nahrungskette überlebt, besteht Hoffnung für den gesamten Lebensraum - und damit für die Menschen, die von ihm leben.

Die Verdoppelung der Tigerzahl in den kommenden zehn Jahren wäre daher ein Hoffnungsschimmer für Großkatzen und Menschen.

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WWF Deutschland im Einsatz:

1. Amur-Tiger

Ein vom WWF unterstützter Stab mutiger Wildhüter hat den Bestand von etwa 450 Amur-Tigern und 30 Amur-Leoparden seit rund 15 Jahren stabil gehalten.

• Seit Ende 2010 steht das Einzugsgebiet des Bikin-Flusses auf der vorläufigen liste für die Ausweisung als UNESCO-Weltnaturerbe. Trotzdem versuchen immer wieder Holzfirmen, Einschlagkonzessionen zu bekommen. Im Juli 2011 konnte ein solcher Vorstoß der russischen Firma Les Export abgewendet werden.

• Da die Bikin-Urwälder sehr viel Biomasse binden und damit eine wichtige Schutzfunktion für das Weltklima haben, konnte der WWF Deutschland die finanzielle Unterstützung des Bundesumweltministeriums gewinnen.

• Mittlerweile sind 5,6 Millionen Hektar der Wälder in der Amur-Region FSC-zertifiziert und werden naturnah genutzt.

• Seit 1993 wurden im russischen Teil der Amur-Region mehr als 4,5 Millionen Hektar Schutzgebiete ausgewiesen. Die gesamte Schutzgebietsfläche im russischen Fernen Osten umfasst rund zwölf Millionen Hektar.


2. Indochinesischer Tiger

Die letzten rund 350 Indochinesischen Tiger leben hauptsächlich in den ausgedehnten Wäldern der Mekong-Region.

• Der WWF konzentriert sich auf ein bergiges Grenzgebiet zwischen Thailand und Myanmar. Auf rund 213.000 Quadratkilometer erstreckt sich dort ein tropischer Waldkomplex aus 18 Schutzgebieten. Dort könnten mehrere hundert Tiger leben. Deshalb investiert der WWF in Wildhüter, Ausrüstung und Aufklärungsarbeit in den dortigen Gemeinden.

• Die Anti-Wilderer-Einheiten an der Grenze zwischen Myanmar und Thailand werden ausgebaut und vom WWF trainiert.

• Erste Erfolge: Die Bestände an Huftieren, die Beutetiere der Tiger, nehmen zu. Zugleich sind in weiten Teilen des Waldkomplexes Tigerspuren zu finden.


3. Sumatra-Tiger

Die letzten rund 325 Sumatra-Tiger leben in Regenwäldern der indonesischen Insel Sumatra.

• Der WWF Deutschland engagiert sich seit 2003 für die Sicherung des letzten großen Waldgebietes im Tiefland von Tesso Nilo und die Vernetzung der wichtigsten Schutzgebiete in der Region.

• Anti-Wilderer-Patrouillen überwachen die Tigerbestände. Es wurden zahlreiche Tigerfallen beschlagnahmt.

• Durch Kamerafallen gelang es 2011, zwei Tigerweibchen mit ihren Jungen zu filmen. Die Aufnahmen beweisen, dass sich die Tiger fortpflanzen und dienen auch als Grundlage für die Ausweisung neuer Tigerschutzgebiete.

• Im Oktober 2011 hat der WWF zusammen mit Partnern ein Unternehmen gegründet, um freie Konzessionen in der Pufferzone des Bukit Tigapuluh-Nationalparks erwerben zu können, damit die Waldgebiete nicht zu Plantagen werden.

• Ein Team kümmert sich darum, Mensch-Wildtier-Konflikte durch Aufklärung zu entschärfen. MR, SG, SZ


Indischer Tiger

In Indien gibt es noch die meisten Tiger (etwa 1700 Tiere) und mit WWF-Hilfe die meisten Tigerreservate (39). Die jüngste Tigerzählung aus dem Frühjahr 2011 zeigt, dass in einigen Gebieten die Tigerpopulation steigt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Nur noch 400 Tiger leben in den Wäldern der indonesischen Insel Sumatra.

- Bis 2022 soll sich die Anzahl der Tiger verdoppeln
Tiger im Fokus - Mit Kamerafallen dokumentiert der WWF wie hier auf Sumatra an Ort und Stelle die Wege der Tiger, um ihren Bestand zu überwachen und gezielt Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.

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Quelle:
WWF Magazin, Ausgabe 2/2012, S. 20 - 23
Herausgeber:
WWF Deutschland
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Tel.: 030/311 777 700, Fax: 030/311 777 888
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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der

Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2012