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ARTENSCHUTZ/108: Bleibt der Rettungsschirm für die Artenvielfalt ein leeres Versprechen? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012
Mehr, Mehr, Mehr?
Handelspolitik zwischen "Weiter so" und Nachhaltigkeit

THEMEN & AGs UN-Verhandlungen über die Biologische Vielfalt
Bleibt der Rettungsschirm für die Artenvielfalt ein leeres Versprechen?

von Claudia Kabel



Im indischen Hyderabad verhandelten Mitte Oktober VertreterInnen von 193 Staaten auf der 11. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD COP11). Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die Frage der Finanzierung der vor zwei Jahren in Nagoya beschlossenen und als Durchbruch gefeierten Ziele (»Aichi-Targets«) und des Strategischen Plans zum Schutz der Biologischen Vielfalt. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der sowohl die Beteiligten als auch Beobachter einerseits erleichtert, aber eben auch mit offenen Fragen zurücklässt.

Als besonders positiv herausgehoben wurden vor allem zwei Punkte:
Zum einen die beschlossene Steigerung der weltweiten Mittel zum Schutz der Biodiversität. Der Kompromiss zur Finanzierung des Strategischen Plans von Hyderabad sieht vor, dass die Finanzmittel für die biologische Vielfalt bis 2015 auf der Basis der durchschnittlichen Ausgaben der Jahre 2006 bis 2010 verdoppelt werden und bis 2020 mindestens auf diesem Niveau bleiben.
Zum anderen die erreichten Fortschritte bei der Meldung von Meeresschutzgebieten. Dabei geht es um eine Zusammenstellung ökologisch schützenswerter Meeresgebiete (Ecologically or Biologically Significant Marine Areas, EBSAs) als entscheidende Grundlage für spätere repräsentative Netzwerke von Hochseeschutzgebieten.

Insbesondere bei diesen beiden Punkten führten die langen und schwierigen Verhandlungen letztlich zu einem Ergebnis, dass die schon im Vorfeld nicht allzu hoch gehängten Erwartungen mehr oder weniger erfüllte.

Chancen für den Schutz der Biologischen Vielfalt gestiegen oder gesunken?

Weniger eindeutig ist die Einschätzung zu den bei der CBD gefundenen Formulierungen zu den sogenannten »REDD+ safeguards«. REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) ist ein nicht nur bei brasilianischen Waldschützern umstrittener Finanzierungsmechanismus, der seit den UN-Klimaverhandlungen in Cançun 2010 Teil der offiziellen Klimapolitik ist. Hiermit soll der Schutz der Primärwälder vor Entwaldung geregelt, beziehungsweise finanziert werden, auch wenn es ein verbindliches Abkommen zu REDD+ (noch?) nicht gibt. Die ebenfalls in Cançun bereits beschlossenen Mindeststandards und Schutzklauseln (safeguards) waren in Hyderabad Teil heftiger Debatten. Dabei ging es weniger um die Inhalte, sondern um die Positionierung der CBD zu den Beschlüssen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC): Legitimiert die CBD durch die Erwähnung der Safeguards die schwache Definition von »Wäldern«, die auch Holzmonokulturplantagen nicht ausschließt? Oder muss die CBD nicht auf jeden Fall sicherstellen, dass sie bei einem so wichtigen Thema wie dem Waldschutz auf jeden Fall miteinbezogen wird?

Auf den ersten Blick eine theoretische Diskussion um Formulierungen. Aber angesichts der Geldsummen, die im Spiel sind und der enormen ökologischen Bedeutung der Wälder sowohl für den Klimaschutz als auch als Lebensraum, eine sehr grundsätzliche Diskussion.

Die Frage nach zusätzlichen Finanzen zwischen sogenannten Geberund Nehmerländern ist in Zeiten der Finanzkrise naturgemäß insbesondere für die EU nicht einfach zu lösen. Entsprechend schwer tat sich die EU bei der Formulierung einer gemeinsamen Position. Ein weiterer, wahrscheinlich viel mehr ins Gewicht fallender Grund ist, dass gerade Finanzierungsfragen, neben den verhandelnden UmweltministerInnen beziehungsweise deren VertreterInnen auch die anderen Ministerien, insbesondere die Agrar- und Finanzministerien, verstärkt mit auf den Plan rufen.

Der Kompromiss von Hyderabad

So gesehen sind die Ergebnisse der COP 11 ein Schritt in die richtige Richtung unter schwierigen Bedingungen. Mit den erreichten zusätzlichen Finanzmitteln kann die Umsetzung nun weiter vorangetrieben werden.

Bleibt die letztlich entscheidende Frage, ob die erzielten Verhandlungsergebnisse auch real die Erfolgsaussichten für einen effektiven Schutz der Biodiversität in der Zukunft verbessern konnten. Denn ohne weitere Schritte wird es nicht möglich sein, den Strategischen Plan von Nagoya mit Leben zu füllen. Das harte Ringen innerhalb der EU um eine Verhandlungsposition, die zunächst einmal gescheiterten Verhandlungen zum Haushaltsplan der EU für die Jahre 2014 bis 2020 Ende November, und die völlig unterentwickelte Bereitschaft auf EU-Ebene ökologisch schädliche Subventionen, insbesondere im Agrarbereich, abzubauen, zeichnen hingegen ein sehr düsteres Bild.

Gleichzeitig führen enger werdende politische Spielräume zwischen ökologischer und Wirtschafts- und Finanzkrise zu einer Zuspitzung verschiedener Interessenskonflikte. Immer wieder werden Argumente, etwa des Natur- und Klimaschutzes, nicht nur bei der Debatte um REDD+, gegeneinander ausgespielt.

Der Schutz der Biologischen Vielfalt ist ohne einen effektiven Klimaschutz und Armutsbekämpfung nicht zu haben, und Klimaschutz führt ohne die gleichzeitige Bewahrung der Lebensgrundlagen der Menschen am eigentlichen Ziel vorbei.

Letztlich fällt die Entscheidung, wie viel Geld den einzelnen Staaten der Schutz der Biodiversität und damit die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen wert ist, aber nicht auf UN-Ebene. Entscheidend ist, wie viel Druck die Zivilgesellschaft gegenüber ganz konkreten Lobbyinteressen aufbauen kann. Selbstverständlich gilt das nicht nur für Deutschland - aber auch.

Die Autorin hat für das Forum Umwelt und Entwicklung die politischen Prozesse bei der COP11 in Hyderabad begleitet.
Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012, Seite 24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2013