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ARTENSCHUTZ/201: Ausgestorbene leben länger. Von der Wiederentdeckung des Sumatra-Nashorns (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 192 - Juni/Juli 2016
Die Berliner Umweltzeitung

Ausgestorbene leben länger
Von der Wiederentdeckung des Sumatra-Nashorns

von Konstantin Petrick


Kürzlich ging die freudige Meldung durch die Nachrichten, dass das ausgestorben geglaubte Sumatra-Nashorn doch noch auf der indonesischen Insel Kalimantan lebt. Zuletzt hatte man vor 40 Jahren ein lebendes Exemplar auf der größten Insel Asiens zu Gesicht bekommen und untersuchen können. So gilt diese Wiederentdeckung für den Artenschutz des bedrohten Sumatra-Nashorns als Erfolg. Es wird vor allem durch illegale Wilderei, durch die Zerstörung ihres heimischen Lebensraums hervorgerufen durch den Ausbau von Dörfern und Städten und Palmölplantagen sowie durch den Bergbau bedroht.

Die traditionelle chinesische Medizin ist die schlimmste Bedrohung für die Nashörner in Südostasien, da diese aus den Hörnern ein Pulver herstellt, das wiederum als Mittel gegen Fieber und Schmerzen eingesetzt wird. Somit ist es nicht verwunderlich, warum der Bestand des Sumatra-Nashorns in den 1990er Jahren auf circa 200 freilebende Exemplare gesunken ist. Einst lebte das Sumatra-Nashorn in Nordostindien, Laos, Vietnam, Myanmar, auf der malaysischen Halbinsel und auf den indonesischen Inseln Sumatra und Borneo. Heutzutage lebt es nur noch auf den indonesischen Inseln Sumatra und Kalimantan (Borneo) sowie in einzelnen Schutzgebieten Malaysias in freier Wildbahn.

Erste Zuchterfolge

Vor über 20 Jahren wurde die Conservation strategy for Rhinos in South-east Asia ins Leben gerufen, mit dem Ziel die Populationen der bedrohten südostasiatischen Nashörner wieder zu stabilisieren, neue Schutzgebiete auszuweisen, diese letzten Rückzugsgebiete vor Wilderern zu schützen und Kamerafallen aufzustellen, um das Leben der Sumatra-Nashörner zu dokumentieren. Diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass die freilebenden Tiere besser beobachtet werden können und sich ihr Bestand aufgrund guter Voraussetzungen etwas erholen konnte. Sowohl in den Schutzgebieten Sumatran Rhino Sanctuary und Borneo Rhino Sanctuary als auch im Zoo von Cincinnati konnten erste Zuchterfolge in den letzten Jahren erreicht werden.

Allerdings gestalten sich die Zuchtprogramme als relativ schwierig, da die Zeit zwischen den Neugeburten sehr lang ist, die einzelnen Gruppen von Sumatra-Nashörnern oftmals verstreut leben und es zu wenige gebärfähige Kühe gibt, die für den Erhalt der genetischen Vielfalt nötig sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Nashörner, die über einen langen Zeitraum isoliert von ihrer Art leben, unfruchtbar werden. Dem versucht man entgegen zu wirken, indem man gebärfähige Weibchen zwischen den Reservaten austauscht und auf Nachwuchs hofft.

Klein, gesprächig und sozial

Mit einer Länge von 2,5 bis 3 Metern und einer Schulterhöhe von bis zu 1,4 Metern ist das Sumatra-Nashorn die weltweit kleinste der fünf Nashornarten. Es besitzt einen vergleichsweise langgezogenen Kopf und zwei Hörner, wobei das Vordere bis zu 45 Zentimeter lang werden kann und unter anderem für das Bauen der beliebten Suhle verwendet wird. Täglich verbringt das Sumatra-Nashorn, das mit lateinischen Namen Dicerorhinus sumatrensis heißt, zwei bis drei Stunden in einer Schlammsuhle, um den hohen Temperaturen zu entfliehen und um sich von Parasiten zu befreien. Ungewöhnlich sind die rotbraune Behaarung des Nashorns und die ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit des Nashorns. Es wurde beobachtet, dass das zufriedene Tier ein stetes Quietschen von sich gibt. Bei Emotionen wie Freude erzeugt das Nashorn einen summenden brummenden Laut. Weitere Beispiele sind ein lautes Schnauben, wenn es erschreckt oder bei irgendeiner Tätigkeit gestört wird. Es wird vermutet, dass das Tier so im Dickicht des Regenwaldes "spricht".

Das Sumatra-Nashorn ist reiner Pflanzenfresser und verzehrt eine Vielzahl an Pflanzen des tropischen Regenwaldes, wie zum Beispiel Zweige, Früchte oder Rinden. Hauptspeise bleiben aber die Blätter. So verzehren die nachtaktiven Tiere pro Tag 50-60 Kilogramm an Pflanzen, was ungefähr einem Zehntel ihres Körpergewichtes entspricht.

Typische Lebensräume für das kleine Nashorn sind: Schlammtümpel, Bäche und Flüsse. Außerdem sind Uferböschungen, mineralhaltige Quellen für den Salzhaushalt der Individuen oder auch Sumpflandschaften mit dichter Vegetation nötig.

Die Tiere leben nur über die Paarungszeit zusammen. Ansonsten sind sie Einzelgänger, die den Dschungel in ihrem Revier auf Nahrungssuche durchstreifen. Allerdings besteht eine sehr enge Bindung zwischen der Mutter und ihrem Kind, zumal das Junge auch über ein Jahr lang gestillt wird. Die Tragzeit beträgt 15-16 Monate. Bei der Geburt wiegt das Kleine bereits 20-30 Kilogramm und kann kurz danach bereits stehen und laufen. Die Jungtiere bleiben bei ihrer Mutter bis zu einem Alter von drei bis vier Jahren, ehe sie sich "selbstständig" machen. Erst nach vier bis fünf Jahren bekommt das Weibchen ein weiteres Jungtier. Geschlechtsreif werden die Weibchen ab einem Alter von sechs Jahren, Männchen sogar erst ab zehn Jahren. Man geht davon aus, dass das Sumatra-Nashorn in freier Wildbahn bis zu 45 Jahre alt werden kann.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die World Wildlife Fund (WWF) hat ein Programm namens Asian Rhino and Elephant Action Strategy, kurz AREAS, ins Leben gerufen, um den Schutz des Lebensraumes des SumatraNashorns zu gewährleisten sowie den illegalen Hornhandel zu verhindern. Das Programm sieht vor, bestehende Schutzgebiete miteinander zu verbinden. Man wird sich in Zukunft auch mit den medizinischen Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung auseinandersetzen, um das Fortbestehen dieser Art zu gewährleisten.

Dem WWF ging Ende März dieses Jahres ein weibliches Sumatra-Nashorn auf Borneo in die Falle - ein Erfolg für den Artenschutz. "Das ist eine spannende Entdeckung und ein Hoffnungsschimmer für den Artenschutz", meint auch Stefan Ziegler vom WWF Deutschland.

Das Bittere ist aber, dass dieses gefangene weibliche Nashorn, namens "Najaq" kurz danach an einer Infektion - vermutlich hervorgerufen durch eine von Wilderern gelegte Schlinge - gestorben ist. Die Naturschützer geben nicht auf - erst recht nicht nach dem man seit über 40 Jahren das auf Borneo ausgestorben geglaubte Sumatra-Nashorn einfangen konnte. Sie erhoffen sich in den letzten unberührten Wäldern Borneos noch weitere freilebende Exemplare. Bereits 2013 liefen mehrere Sumatra-Nashörner durch die aufgestellten Kameras und lieferten so den lebendigen Beweis ihres Überlebens auf Borneo.


Weitere Informationen:

www.wwf.de/themen-projekte/artenlexikon/sumatra-nashorn/

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 192, Seite 20
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2016

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