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KLIMA/090: Kyoto-Nachfolgeabkommen - Die Verhandlungen sind sinnvoller denn je! (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Oktober 2011

Die Verhandlungen sind sinnvoller denn je!


Bundeskanzlerin Merkel sieht das Kyoto-Nachfolgeabkommen in großer Gefahr, andere halten es für mausetot. Sehen Sie noch Hoffnung?

In der Form, wie wir das Kyoto-Protokoll seit nunmehr vierzehn Jahren kennen, wird es auf gar keinen Fall verlängert werden. Einige Länder - etwa Kanada und Japan - haben bereits erklärt, aus dem Protokoll austreten zu wollen. Die USA sind nie beigetreten. Russland hat gerade erklärt, dass es an den flexiblen Mechanismen des Protokolls festhalten will, aber keine Emissionsbeschränkungen einseitig akzeptiert. Auch China will bis 2030 keine verbindlichen Reduktionsziele. Jeder wartet darauf, dass andere sich bewegen. Der Geist von Kyoto ist verschwunden. Überrascht war ich allerdings, mit welch ehrgeizigen Zielen die Entwicklungsländer bei den Bonner Sitzungen in diesem Sommer aufgetreten sind. Einige Länder wollen eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050. Sie haben verstanden, dass die Zukunft kohlenstoffarm sein muss, und sie bereiten sich darauf vor. China hat gerade beschlossen, ein Pilotmodell des Emissionshandels im eigenen Land einzuführen. Die große Enttäuschung waren die Industrieländer inklusive der EU.

Die globalen Treibhausgasemissionen haben 2010 neue Rekordwerte erreicht. Machen die Klimaverhandlungen überhaupt noch einen Sinn?

Natürlich, sie sind sinnvoller denn je! Je weniger wir das Problem im Griff haben, umso dringender müssen wir nach Lösungen suchen. Und die können nur international sein. Die gestiegenen Emissionen sind Ausdruck dafür, dass die Welt von heute nicht mehr dieselbe ist wie vor vierzehn Jahren. Schwellenländer wie Indien und China nehmen inzwischen eine völlig neue weltwirtschaftliche Position ein, werden aber unter dem Kyoto-Protokoll wie Entwicklungsländer behandelt. Sie unterliegen keinen Emissionsbeschränkungen. Viele Industrieländer, auch Deutschland, haben kohlenstoffreiche Produktionen in andere Länder ausgelagert und damit das Problem nur exportiert.

Was bedeutet das für die Verhandlungen?

Dass es die Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern so nicht mehr geben darf. Ich sehe die entscheidende Weichenstellung in Durban nicht im Abschluss eines Kyoto-Folgeabkommens, sondern in der Findung von Instrumenten, die auf bilateraler oder multilateraler Basis funktionieren. Dazu gehören der weltweite Emissionshandel sowie die Fortentwicklung des Joint Implementation (JI)[1] und des Clean Development Mechanism (CDM)[2]. Auch der REDD+Ansatz[3] für den Waldschutz gehört dazu - aus meiner Sicht eines der kompliziertesten Instrumente, denn es ist sehr schwierig, den Beitrag der Wälder zum Klimaschutz zu ermitteln und dauerhaft zu erhalten. Von REDD+ können wir aber lernen, dass wir von der Ebene einzelner Projekte immer mehr in sektorale Politiken gehen müssen. Es geht um die Schaffung von emissionsarmen Infrastrukturen. Ich erwarte in Durban mehr Diskussionen und Fortschritte bei den neuen Markt- und Fondsmechanismen als in der Frage der weltweiten Emissionskontrolle.

Sie werden in Durban dabei sein. Was ist Ihr persönlicher Wunsch?

Ich wünsche mir, dass das in Cancun gewachsene Vertrauen und das Verständnis für den UN-Prozess auch in der Beurteilung der Ergebnisse von Durban vorherrscht. Das stetige Infragestellen des Ganzen hilft niemandem. Hohe Messlatten helfen uns auch nicht weiter. Wir brauchen einen Umbau des Kyoto-Protokolls zu einem weltumspannenden Ansatz mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten in kleinen Schritten. Und ich wünsche mir, dass die Öffentlichkeit die komplizierten Zusammenhänge der internationalen Klimaverhandlungen besser versteht. Die Details von REDD+ zum Beispiel verstehen nur eine Handvoll Experten auf der ganzen Welt. Ich gehe mit anderen Wissenschaftlern des UFZ nach Durban, um zu helfen, diesen Prozess zu übersetzen und verständlich machen.

Das Interview führte Doris Böhme.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Prof. Dr. Reimund Schwarze arbeitet am UFZ im Bereich "Ökonomie des Klimawandels" und ist Sprecher für dieses Thema im Rahmen der Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft. Zurzeit leitet er am Climate Service Center (CSC) in Hamburg die Abteilung "Ökonomie und Politik". Zudem hat er einen Ruf an die Universität Frankfurt (Oder) für "Internationale Umweltökonomie" erhalten. Foto: Tobias Hametner


[1] Joint Implementation (JI): Industrieländer investieren in Emissionsreduktionsprojekte in anderen Industrieländern. Das Projekt-Gastland stellt dem Investor ein handelbares Emissionsrecht aus, das zur Erfüllung der Verpflichtungen im nationalen Rahmen oder für den Emissionshandel genutzt werden kann.

[2] Clean Development Mechanism (CDM): Industrieländer können in Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren und erhalten dafür handelbare Emissionsgutschriften, die national oder im Emissionshandel genutzt werden können.

[3] REDD+: Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern. Industrie- und Schwellenländer zahlen in einen Fonds der UN, um den Aufbau von Forstschutzprogrammen und -infrastrukturen in Entwicklungsländern zu bezahlen. Später soll ein Marktmechanismus handelbarer Zertifikate entwickelt werden.

Prof. Reimund Schwarze (Mitarbeiter im UFZ-Department Ökonomie und Abteilungsleiter am Climate Service Center, CSC), Dr. Johannes Förster (UFZ-Experte für REDD+) sowie Tilo Arnhold (UFZ-Presseabteilung) nehmen an den vom 28. November bis 9. Dezember 2011 in Durban (Südafrika) stattfindenden Klimaverhandlungen der UN teil. Sie werden über den UFZ-Klimablog von dort berichten. http://blog.ufz.de/klimawandel (Seite 8)


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Quelle:
UFZ-Newsletter Oktober 2011, Seite 4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2011