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KLIMA/129: Kohlenstoff-Farmen begünstigen Klimasünder, NGOs warnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2011

Klima: Kohlenstoff-Farmen begünstigen Klimasünder - NGOs warnen

von Stephen Leahy


Durban, Südafrika, 6. Dezember (IPS) - Auf dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban haben Vertreter der Zivilgesellschaft vor den Gefahren gewarnt, die mit der Umwandlung afrikanischer Agrarflächen in CO2-Farmen verbunden wären. Auf diese Weise kämen die reichen Länder um ihre Verpflichtung herum, den Ausstoß ihrer Klimagase zu verringern.

Klimaschützer auf der 17. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP17) appellierten an Südafrika, den Gastgeber der Großveranstaltung, im eigenen Interesse nicht weiter die Aufnahme der sogenannten klimasmarten Landwirtschaft in das Klimaabkommen zu betreiben.

Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma vertritt die Auffassung, dass die Landwirtschaft Teil der angestrebten neuen Übereinkunft sein müsse. Vertreter seiner Regierung begründeten den Wunsch damit, dass in einem solchen Fall zusätzliche "Sonderfonds und Sonderaktionen" für die Landwirtschaft bereitstünden.


Schlechtes Geschäft

"Die Aufnahme der Landwirtschaft in ein künftiges Klimaabkommen würde Afrika für das Versagen der reichen Länder entschädigen, sich auf verbindliche CO2-Ziele zu verständigen", meinte Teresa Anderson von der 'Gaia Foundation', einer internationalen Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in London. "Doch der Trostpreis ist Gift. Er begünstigt Land Grabbing und liefert Afrikas Bauern den unbeständigen CO2-Märkten aus."

Die Landwirtschaft produziert Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan. Ihr Anteil an den weltweiten Klimagasemissionen liegt bei 15 bis 30 Prozent. Würde das gesamte Nahrungsmittelproduktionssystem in das angestrebte Klimaabkommen aufgenommen, würde der Kohlenstoffausstoß der Landwirtschaft fast die Hälfte aller Emissionen ausmachen. Das erklärt die Bemühungen, die Landwirtschaft in einem neuen Klimaabkommen zu berücksichtigen.

Änderungen der Anbaumethoden können wesentlich zu einer Reduktion der CO2-Emissionen beitragen. Doch Anderson zufolge ließe sich dieses Ziel am besten durch Regulierungen und weniger durch ein Klimaabkommen oder CO2-Zertifikate bewerkstelligen. "Warum werden die Märkte als die einzige Lösung betrachtet, obwohl sie vor weniger als zehn Jahren überhaupt keine Rolle spielten?"

Die Weltbank, die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und andere Organisationen sind Befürworter einer klimasmarten Landwirtschaft. Darunter sind alle Anbaumethoden zu verstehen, die nachhaltig sind, die Erträge steigern und die Anfälligkeit von Nahrungspflanzen für Klimaanomalien verringern.

"Es geht am Ende nur um neue CO2-Märkte", kritisierte Helena Paul von der Umweltorganisation 'EcoNexus'. "Es geht um Land Grabbing und Monokulturen, mit denen sich noch weitere CO2-Kreditpunkte ernten lassen."

Afrikanische Staaten sähen nur die 144 Milliarden US-Dollar des Europäischen CO2-Marktes und wünschten sich ebenso gute Finanzierungsquellen. Doch Tatsache sei, dass von dem Betrag nur ein Prozent in aktuelle Projekte einfließe, warnte Paul.

Das erste Projekt innerhalb Afrikas, das den Handel mit CO2-Kreditpunkten durch die Bindung von CO2 in den Böden möglich machen soll, wird derzeit in Kenia auf den Weg gebracht. Finanziell unterstützt von der Weltbank stellen 15.000 Bauern und 800 Bauernverbände ihre Anbaumethoden um, damit ihre Böden CO2 über einen Zeitraum von 20 Jahren speichern können.

Die Kosten für den Start des 'Kenya Agricultural Carbon Project' und auch die Kosten, die CO2-Speicherkapazitäten der Böden zu messen und die Credits zu vermarkten, beliefen sich auf mindestens eine Million Dollar, rechnete Anne Maina vom 'African Biodiversity Network' in Kenia vor.

Obwohl man ihnen mehr versprochen habe, würden die Bauern bei den derzeitigen Kohlenstoffpreisen nur einen Dollar pro Jahr für die Bemühungen erhalten, meinte Maina. "Afrika leidet jetzt schon unter einer Land Grabbing-Epidemie - der Wettlauf um die Kontrolle der Böden für den CO2-Handel könnte diesen Trend weiter verschärfen."

Maina räumte ein, dass das Kenya Agricultural Carbon Project durchaus zur Förderung nachhaltiger Anbaumethoden wie der Agrowaldwirtschaft beitragen könne. Doch wäre es weitaus besser, derartige Strategien mit Geldern des Anpassungsfonds zu finanzieren, die man den Entwicklungsländern zugesagt habe.


Kohlenstoffmärkte unsicher

"Die Kohlenstoffmärkte sind hochgradig volatil", warnte auch Steve Suppan vom 'Institute for Agriculture and Trade Policy', eine auf Landwirtschaft spezialisierte NGO mit Sitz in den USA: Im November kostete eine Tonne CO2 gerade einmal sechs Dollar. Im Januar war der Preis noch doppelt so hoch gewesen. CO2-Preise seien für die meisten Investoren als Langzeitinvestition viel zu unsicher, so der Experte.

Darüber hinaus ließen sich die CO2-Speicherkapazitäten der Böden über einen langen Zeitraum hinweg nicht zuverlässig bestimmen, meinte Suppan. Das sei auch ein Grund dafür, dass Investoren wie die Weltbank den Messwert um 60 Prozent reduzierten. "CO2-Kreditpunkte werden den Bauern nur winzige Einnahmen verschaffen und den größten Klimasündern erlauben, mit ihrer Verschmutzung fortzufahren. Was die afrikanische Landwirtschaft braucht, sind wirkliche Emissionsverringerungen und eine substanzielle Finanzierung der Klimaanpassung."

CO2-Kreditpunkte für Böden als Klimasenken seien der falsche Weg, meinte auch Nnimmo Bassey, Vorsitzender Umweltorganisation 'Friends of the Earth International'. Er forderte die Industriestaaten als Verursacher der Klimakrise auf, endlich den neuen erforderlichen Reduktionszielen verbindlich zuzustimmen. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.gaiafoundation.org/
http://www.cop17-cmp7durban.com/
http://unfccc.int/2860.php
http://www.econexus.info/
http://www.africanbiodiversity.org/
http://www.iatp.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106079

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2011