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KLIMA/161: Vietnam - Meer dringt weiter vor, Wissenschaftler arbeiten an salzresistentem Reis (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. April 2012

Vietnam: Meer dringt immer weiter ins Mekong-Delta vor - Wissenschaftler arbeiten an salzresistentem Unterwasserreis

von Marwaan Macan-Markar



Bangkok, 30. April (IPS) - Die fruchtbaren Anbauflächen im Mekong-Delta in Vietnam werden durch den Anstieg des Meeresspiegels und den Zufluss von Salzwasser gefährdet. Die Zukunft des Landes als zweitgrößter Reisexporteur der Welt hängt nun wesentlich davon ab, ob Forscher auf den Philippinen Lösungen für das Problem finden.

Wissenschaftler des unabhängigen Internationalen Reisforschungsinstituts (IRRI) arbeiten gemeinsam mit vietnamesischen Kollegen in der Stadt Los Banos, 63 Kilometer südöstlich von Manila, an der Entwicklung einer neuen Reissorte, die gegen Salzwasser resistent ist und mehr als zwei Wochen in überfluteten Gebieten überleben kann.

Es gibt bereits die flutbeständige Reisvarietät 'Scuba', die das Gen SUB 1 in sich trägt. "IRRI versucht nun eine Sorte zu entwickeln, mit der beide Probleme behoben werden können. Denn auch die Pflanzen, die Überschwemmungen aushalten, können aufgrund des Salzgehalts eingehen", sagte Bjoern Ole Sander, der für das weltweit wichtigste nichtstaatliche Reisforschungszentrum arbeitet.


Flutresistent ohne Genveränderungen

Die Suche nach dem neuen Reis führt auch in den indischen Bundesstaat Orissa, wo der Scuba-Reis zuerst gezüchtet wurde. Selbst Pflanzen, die zwei Wochen lang völlig überflutet waren, fingen wieder zu wachsen an. Andere Sorten überleben bereits nach einer Woche unter Wasser nicht. Der Scuba-Reis sei ohne Genmanipulation entwickelt worden und könne 17 Tage unter Wasser überleben, betonte Sander in einem Interview.

Die Entwicklung einer gegen Salzwasser resistenten Varietät, die mit dem Scuba-Reis gekreuzt werden kann, ist eine weitaus größere Herausforderung. "Es wird mindestens vier Jahre dauern, bis wir eine passende Sorte haben werden", schätzte Sander. "Damit wäre eine Antwort auf die Probleme gefunden, die Überschwemmungen und Salzwasser im Mekong-Delta anrichten."

Wasser aus dem Südchinesischen Meer dringt wegen des gestiegenen Pegels inzwischen 40 Kilometer in das Deltagebiet ein. Noch vor 30 Jahren floss das Salzwasser nur zehn Kilometer weit ins Festland hinein. "Die Zukunft des Deltas steht auf dem Spiel", warnte Nguyen Van Bo von der Vietnamesischen Akademie für Agrarwissenschaften. Sieben Prozent aller Reisfelder würden durch den Anstieg des Meeresspiegels geschädigt. Viele Reisbauern hätten deshalb schon umgesattelt und züchteten mittlerweile Garnelen. "Das ist ein großer Unterschied zu früher, als Reisanbau und Garnelenzucht saisonal betrieben wurden."

Auf einem Treffen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok warnten asiatische Agrarwissenschaftler und Klimaforscher Mitte April davor, dass sich die Situation in Vietnam weiter zu verschärfen droht. Andere große Reisproduzenten wie Thailand würden zudem durch Wetteranomalien beeinträchtigt.


Mekong-Delta ein wichtiges Zentrum der vietnamesischen Reisproduktion

Im Mekong-Delta wird fast die Hälfte der insgesamt 42 Millionen Tonnen von ungeschältem Reis in Vietnam produziert. Das Land, in dem drei Mal jährlich geerntet wird, ist nach Thailand der zweitgrößte Reisexporteur der Welt. 2011 führte Vietnam eine Rekordmenge von sieben Millionen Tonnen Reis aus, vor allem in die Philippinen und andere asiatische Staaten.

Rund 17 Millionen der insgesamt 87 Millionen Vietnamesen, die in der feuchten Deltaregion leben, haben beim Reisanbau von dem Netzwerk der Wasserläufe profitieren können. Diese Arterien werden durch den Mekong, den mit 4.880 Kilometern längsten Strom in Südostasien, gespeist. Er entspringt im tibetischen Hochplateau und fließt durch den Süden Chinas, bevor er Burma und Thailand erreicht. Von dort aus schlängelt er sich weiter durch Laos, Kambodscha und Vietnam, wo er schließlich in das Südchinesische Meer mündet.

Die ersten Hindernisse für die Reisbauern im Mekong-Delta waren vier von China gebaute Staudämme. Als der Wasserspiegel des Flusses dadurch sank, drang mehr Salzwasser ins Landesinnere ein. Auch der Schwemmboden, der früher während der Monsun-Regenfälle entstand, ging zurück. Dadurch hat die natürliche Fruchtbarkeit der Böden abgenommen.

Ein Bericht des Nationalen Instituts für Hydrometeorologie und Umweltwissenschaften warnte 2009 davor, dass fast ein Drittel des Deltas, wo etwa die Hälfte von dem in Vietnam geernteten Reis wächst, bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter von Salzwasser überflutet werden könnte. Studien der Weltbank in 87 Entwicklungsländern kamen zu dem Ergebnis, dass die Bewohner des Mekong-Deltas zu den am stärksten durch den Meeresspiegelanstieg gefährdeten Gemeinschaften der Welt zählen.


Landwirtschaft bisher kein Thema auf Weltklimagipfel

Trotz Warnungen, denen zufolge im Jahr 2050 bereits 21 Prozent der asiatischen Ernten durch den Klimawandel geschädigt sein werden, steht die Landwirtschaft bisher nicht auf der Agenda der Weltklimagipfel, zu denen sich Staats- und Regierungschefs von 190 Nationen jährlich einfinden.

Landwirtschaft und Nahrungsproduktion würden zwar in der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC genannt. Es fehlten aber die Voraussetzungen für den Start eines speziellen Programms über Landwirtschaft und die Einflüsse des Klimawandels, kritisierte Bruce Campbell von der Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (CGIAR). "Bei den UNFCCC-Verhandlungen gibt es keine gemeinsame Stimme für die Landwirtschaft." CGIAR wird von der UN-Agrarorganisation FAO, dem Internationalen Fonds für Agrarentwicklung, dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP und der Weltbank unterstützt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://irri.org/
http://unfccc.int/2860.php
http://www.cgiar.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107457

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2012