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KLIMA/211: Weniger als Nichts - Einigkeit bei der Bewertung des Klimagipfels von Doha (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 50 vom 14. Dezember 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Hintergrund
Weniger als Nichts
Die großen deutschen Umweltverbände sind sich in der Bewertung des Klimagipfels von Doha einig

Hans-Peter Brenner



Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erklärte nach Konferenzende: "Die wachsweichen Beschlüsse der Konferenz leisten keinen Beitrag, um den globalen Temperaturanstieg zu bremsen."

Der Naturschutzbund (NABU) gab sich zwar etwas diplomatischer, doch auch sein Präsident Olaf Tschimpe sprach von einer "verpassten Chance" und kritisierte: "Statt sich auf wirksame Maßnahmen zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen zu verständigen, wurde in Doha viel heiße Luft produziert."

Martin Kaiser, Greenpeace-Leiter für internationale Politik, monierte: "Es kann nicht sein, dass einzelne Länder den wenigen Fortschritt hier noch aufhalten." Schon jetzt verlören tausende Menschen ihre Heimat durch die Folgen der Erderwärmung, kämen durch Dürren und Überschwemmungen ums Leben. Überraschend deutlich wurde der wegen seiner verdeckten Beziehungen zur Industrie ins Gerede gekommene WWF Deutschland: "Gemessen an den Erwartungen ist die Konferenzbilanz enttäuschend, gemessen an den Herausforderungen des Klimawandels ist sie vernichtend", hieß es. Kritisiert wurde unisono, dass keine Regelungen für die Unterstützung von "Entwicklungsländern" beschlossen wurden. Die ärmsten Menschen der Erde, die historisch betrachtet die geringste Verantwortung für den Klimawandel hätten, müssten nun die härtesten Konsequenzen tragen, erklärte ein Sprecher der Hilfsorganisation Care International.

Und Kieren Keke, Vertreter des Inselstaates Nauru bei den Verhandlungen, fügte resigniert hinzu: "Das ist nicht, wo wir am Ende des Treffens stehen wollten, das versichere ich." Die Resignation eines der am meist gefährdeten Inselstaaten, der wie einige andere Pazifik-Kleinstaaten vom Untergang bedroht ist, zeigte sich auch bei den Umweltverbänden. Auch selbst eher "neutrale" Beobachter wussten wenig Gutes über den Klimagipfel zu sagen: "Die Konferenz hat sich keinen Millimeter in Richtung mehr Klimaschutz bewegt", erklärte ZDF-Umweltexperte Volker Angres. Was in Doha erreicht wurde, "hätte man auch zu Hause verhandeln können".


Schacher um Verschmutzungs"rechte"

Der Handel mit Verschmutzungs"rechten" trieb in Doha wahre Giftblüten. Zum Zankapfel und beinahe zum Konferenz-"Killer" wurde in den letzten Stunden die Frage, wie entscheidend nicht genutzte Emissions"rechte" - schon das ist ein Begriff der des klimapolitischen Irrsinns - für die Zukunft des Klimaschutzes spielen sollen. Es geht dabei letztlich um die Frage, ob sich Staaten praktisch von Klimaschutzmaßnahmen dadurch freikaufen, dass sie die die Verschmutzungs"rechte" anderer Staaten aufkaufen die sich entweder beim beim CO2-Sparen angestrengt haben oder die mangels eigener industrieller Kapazitäten - das betrifft die unterentwickelt gehaltenen Staaten oder die vom Zusammenbruch der eigenen industriellen Basis stark gebeutelten früheren sozialistischen Staaten Europas - gar nicht in die Verlegenheit gekommen waren, allzu viel CO2 in die Luft zu blasen.

Der polnische Umweltminister hatte ganz im Dienste der polnischen Kohlebarone versichert, dass sein Land die "überschüssigen" Verschmutzungsrechte aus der ersten Kyoto-Periode nicht aufgeben werde. An einem erhöhten CO2-Reduktionsziel von 30 Prozent bis zum Jahr 2020 habe sein Land auch kein Interesse. Vertreter mehrerer EU-Länder hatten sich in Doha dafür ausgesprochen, künftig mehr CO2 einzusparen als geplant. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch am polnischen Widerstand. Erst Ende April 2014 sollen über eine mögliche Verschärfung der Emissionsziele beraten. Auf polnischen Druck können die bisherigen Emissions"rechte" aus der Zeit vor dem jetzigen Abkommen - die sogenannte "Hot Air" - weiter genutzt und auch verkauft werden.


Von allem zu wenig. Die wichtigsten Ergebnisse

37 entwickelte kapitalistische Länder, darunter die 27 EU-Staaten, hatten sich im Dezember 1997 im Abkommen von Kyoto (viel zu niedrige und auch nicht erfüllte) Ziele zur Senkung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen gesetzt. Diese Vereinbarung wird nun bis 2020 verlängert. Das Kyoto-Protokoll wurde also nicht durch ein längst überfälliges neues Abkommen ersetzt. Dabei muss man bedenken, dass selbst bei hundertprozentiger Realisierung des Kyoto-Protokolls seine Auswirkungen ohnehin nur sehr begrenzt wirksam wären. Seine Unterzeichnerstaaten verantworten nämlich nur knapp 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Russland, Kanada, Japan und Neuseeland beteiligen sich an der jetzigen zweiten Verpflichtungsperiode nun gar nicht mehr. Und die beiden größten CO2-Verursacherstaaten, China und USA, hatten das Abkommen ohnehin nie unterzeichnet und fühlen sich nicht daran gebunden.

Um künftig mehr oder gar die meisten Staaten in eine Klimaschutzvereinbarung einzubeziehen, soll bis 2015 ein neues Abkommen ausgehandelt werden. Dieses Nachfolgeabkommen soll dann aber erst 2020 in Kraft treten. Dafür wurde in Doha ein grober Arbeitsplan beschlossen. Festgelegt wurde dazu, dass die nächste Klimakonferenz im kommenden Jahr (ausgerechnet) in Polens Hauptstadt Warschau stattfindet. Bis dahin soll es mehrere Vorbereitungstreffen geben, unter anderem in Bonn.

Die sechs bislang als klimaschädlich bezeichneten Treibhausgase werden um ein siebtes ergänzt: Stickstofftrifluorid (NF3). Das wird oftmals als Ersatz für die verbotenen FCKW bei der Produktion von Flachbildschirmen und Solarzellen eingesetzt. Seit Mitte der neunziger Jahre ist seine Produktion stark gestiegen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte zudem einen Weltgipfel für Klimaschutz im Jahr 2014.


Immer weniger Unterstützung für die in Armut und Unterentwicklung gehaltenen Länder

Die Entscheidung über finanzielle Hilfen für Klimaschutzmaßnahmen in den "Entwicklungsländern" wurde auf 2013 vertagt. Erst ab 2020 sollen dafür jährlich 100 Milliarden zur Verfügung stehen. Das wurde aber bereits 2010 auf dem Gipfel in Cancún beschlosssen; die Finanzierung ist seither noch immer weitgehend ungeklärt.

Am Rande der Klimakonferenz hatten verschiedene europäische Staaten insgesamt rund sieben Milliarden Euro zugesagt. Deutschland könnte sich demnach mit 1,8 Milliarden Euro jährlich beteiligen. Eine Arbeitsgruppe soll ausloten, wie das Gesamtziel erreicht werden kann.

Für die bereits entstandenen oder nicht mehr vermeidbaren Schäden des Klimawandels wird es zunächst keine Entschädigungen geben. Im Abkommen wird lediglich gefordert, die Verbindung von Erderwärmung und extremen Wetterereignissen weiter zu erforschen.


Verkannte Ursachen des Nullsummen-Spiels

Das WWF-Vorstandsmitglied Eberhard Brandes sagte, der Mangel an politischem Willen wichtiger Staaten wie der USA, Kanada und Russland habe größere Fortschritte verhindert. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Es lag nicht einfach am "fehlenden guten Willen" einzelner besonders "uneinsichtiger" Staaten. Dass z. B. die EU ihre selbstgewählte Rolle als "Vorreiter" des Klimaschutzes" dieses Mal nicht so routiniert abspulen konnte, lag nicht an der "Bockbeinigkeit" Polens, das sich bis zum Schluss in der Frage des "Ablasshandels" mit CO2-Zertifikaten quergestellt hatte.

Und auch der Kommentar der spanischen Zeitung LA VANGUARDIA klingt trotz berechtigter Kritik an der mangelnden Kompromissbereitschaft der Klimasünder-Staaten seltsam moralisierend und ratlos zugleich:

"In Doha haben sie wie zuvor in Durban, Cancún oder Kopenhagen gezeigt, dass sie nicht bereit sind, auch nur einen Millimeter von ihrer Position abzuweichen, obwohl die Auswirkungen ihres Verhaltens auf das Klima erwiesen sind. Erst kürzlich räumten die US-Behörden ein, dass das katastrophale Ausmaß des Hurrikans Sandy eine Folge des Klimawandels war. Damals schien es auch, als wären die USA angesichts dieser grausamen Realität bereit, ein paar Schritte zur Bekämpfung der Erderwärmung zu unternehmen. Aber das hat sich jetzt wieder als Täuschung erwiesen. Wie viele Sandys brauchen wir denn noch?"

Näher an der Wahrheit ist der Kommentator der "Süddeutschen Zeitung", wenn er schreibt: "Abermals waren die Industriestaaten zu keinerlei Zugeständnissen bereit, die ihre Art zu wirtschaften in irgendeiner Weise hätte stören können. Stattdessen zeigten sie die Bereitschaft sich an den Kosten jener Schäden zu beteiligen, die andernorts durch eben diese Art zu wirtschaften entsteht. Sie enthüllen in wenigen Paragrafen den ganzen Zynismus der globalen Klimadebatte. Die alte Welt kauft sich frei."

Hätte es in diesem Zusammenhang geheißen, "kapitalistische Produktionsweise" wäre die Analyse präziser und korrekter. Dass es nur weniger weiter Schritte und Gedankengänge dafür bedurft hätte, deutet sich in den folgenden Sätzen an: "Die Reichen handeln nicht - sie zahlen - solche Kompromisse haben im Klimaschutz mittlerweile Tradition ... Der geplante Ausgleich für Schäden ist das Geschenk, das den Ärmsten die Zustimmung zu einem lausigen Pakt erleichtern sollte.

Doch das Geschenk ist vergiftet. In der Vergangenheit haben die Hauptbetroffenen der Erderwärmung stets auch den Klimaschutz am stärksten vorangetrieben. Zu Recht plädierten Inselstaaten und Entwicklungsländer unermüdlich für einen kompromisslosen Klimaschutz. Seit Kopenhagen und nun auch Doha müssen sie fürchten, dass ihnen damit auch die letzte Hilfe verloren geht. Scheitert eine Klimakonferenz, dann riskieren die Betroffenen auch die Milliarden der Industriestaaten. So werden die Ärmsten durch ihre Verletzlichkeit sogar noch erpressbar. Nichts spiegelt die Ungleichgewichte im globalen Klimaschutz besser wider."


Die Sichtweise der Kommunistischen Partei

So weit, so richtig: doch in diesem Zusammenhang fehlt trotzdem ein entscheidender Gedanke - auch wenn viele Klimabesorgte und darunter sogar manche Linke dies nicht akzeptieren möchten: Klimapolitik ist Teil imperialistischer Machtausübung. Klimapolitik wird bestimmt durch die Interessen der stärksten Konzerne und Monopole und imperialistischen Staaten. Unterentwicklung, Verarmung und Verelendung ist keine Frage politischer "Unvernunft", sondern sogar logischer und notwendiger Bestandteil der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung innerhalb des Imperialismus, von der bereits der russische Marxist und Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin sprach und schrieb.

Dem liegt zugrunde der unauflösliche Konflikt zwischen dem auf unmittelbaren Profit und Maximierung der Ausbeutung von Mensch und Natur ausgerichtete kapitalistische Produktions- und Zirkulationsweise und dem langfristigen Wohl von Mensch und Natur. Erstere sieht in den arbeitenden Menschen und in der Natur nur Quellen des individuellen Reichtums der Besitzenden, der Reichen, der Kapitalisten. Solange dieser Mechanismus aus der Wahrnehmung ausgeblendet bleibt, wird und muss sich die Kritik am Doha-Gipfel wie auch an so vielen seiner Vorgängerkonferenzen in hilflosem Moralisieren oder gar in Resignation erschöpfen. Klimapolitik und Politik im Interesse der vom Kapitalismus Ausgebeuteten sowohl in den Zentren des Imperialismus wie im Interesse der Armen und Ärmsten an seiner "Peripherie" müssen deshalb eine Einheit bilden.

Die Kommunistinnen und Kommunisten dieses Landes sagen deshalb im Entwurf der "Antworten der DKP auf die Krise", die im kommenden März auf dem 20. DKP-Parteitag zur Entscheidung vorgelegt werden: "Die Zerstörung der Umwelt, die spürbarer werdenden Auswirkungen der Klimaveränderung auf Lebens- und Produktionsbedingungen, Trinkwassermangel und Hunger bestimmen das Leben vieler Menschen auf unserem Planeten. Milliarden leben in Armut. Millionen sind auf der Flucht vor Elend, Hoffnungslosigkeit und Krieg.

In vielen Regionen der Welt herrscht Krieg. Die Kriege gegen Jugoslawien, Irak und in Afghanistan haben sich als Vorboten weiterer militärischer Einsätze zur Durchsetzung imperialistischer Interessen erwiesen: Überall in der Welt wachsen die Spannungen. Es geht um geostrategische Vorteile. Vor allem jedoch um die Jagd nach Profit, nach knapper werdenden natürlichen Ressourcen, um die Sicherung des Zugriffs auf diese. Das führt derzeit im Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika und auch im Herzen Afrikas zu immer neuen militärischen Interventionen oder dem Einsatz von Söldnerarmeen. Jederzeit kann aus kriegerischen Konflikten wie im Nahen und Mittleren Osten ein neuer Weltbrand entstehen. Diese Widersprüche sind im Rahmen des kapitalistischen Systems nicht lösbar." Dafür braucht es einen langen Atem, revolutionäre Geduld, sowie marxistisch fundiertes Wissen um die Zusammenhänge zwischen Mensch, Gesellschaft und Natur. Und mindestens noch dies: mehr und gemeinsam kämpfende Kommunistinnen und Kommunisten um den Erhalt der natürlichen Grundlagen der Gattung Mensch.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP
44. Jahrgang, Nr. 50 vom 14. Dezember 2012, S. 13
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2012