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KLIMA/303: Risiken erkennen und entschlossen handeln (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen

menschl-entw-staerken.de, 01.04.2014

Risiken erkennen und entschlossen handeln
Weltklimarat IPCC legt Bericht zu Auswirkungen des Klimawandels und Anpassungsnotwendigkeiten vor

von Frank Kürschner-Pelkmann [1]



Aus Wahrscheinlichkeiten werden Gewissheiten - so fasste die ZDF-Nachrichtenportal "heute.de"[2] die beunruhigenden Ergebnisse des neuen Berichts des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC)[3] zusammen.

Wetterextreme werden zur Normalität, lautet eine Erkenntnis des dritten Teils des IPCC-Sachstandsberichts. Dieser am 31. März 2014 veröffentlichte Berichtsteil trägt den Titel "Climate Change 2014: Impacts, Adaption and Vulnerability" (Klimawandel 2014: Auswirkungen, Anpassung und Verletzlichkeit).


2.000 Seiten Klimawissen

Der neue IPCC-Sachstandsbericht wird vier Teile umfassen, von denen der erste, die wissenschaftliche Bewertung der zukünftigen Entwicklung des globalen Klimawandels, im letzten September erschienen ist. Der nun veröffentlichte zweite Teil hat einen Umfang von rund 2.000 Seiten und wurde von über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen verfasst. Mehr als 2.000 weitere Fachleute trugen zu einzelnen Abschnitten bei oder waren an der Überprüfung der Erkenntnisse des Berichts beteiligt. Ausgewertet und bewertet wurden für den Bericht viele Hundert wissenschaftliche Studien, um auf dieser Grundlage den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Klimathemen zusammenzufassen.


Wassermangel und Flutkatastrophen

Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die schon länger befürchtete Verschärfung der Wasserknappheit in den ohnehin wasserarmen subtropischen Regionen tatsächlich eintreten wird und dort bis zum Ende des Jahrhunderts mit noch häufigeren lang anhaltenden Dürreperioden zu rechnen ist.

Steigende Meeresspiegel bedrohen Feuchtgebiete in den Uferzonen sowie flache Inseln und Küstenregionen von Ländern wie Bangladesch. Im Bericht ist von "Versinken im Wasser, Überflutung von Küstengebieten und Erosion von Küsten" die Rede, die mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" eintreten werden. In solchen Situationen besteht neben der unmittelbaren Katastrophenhilfe ein besonders großer Druck, finanzaufwendige Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.


Bedrohte Ernten und Fischbestände

Eine Steigerung der globalen Durchschnittstemperaturen um 2 Grad Celsius oder mehr wird sehr negative Auswirkungen auf die Ernteerträge wichtiger Getreidearten wie Weizen, Reis und Mais haben, wobei sich das Ausmaß der erwarteten Ernteeinbußen in einzelnen Regionen signifikant unterscheiden wird. Nur in einzelnen Gebieten der Welt und für einzelne Anbauprodukte ist demgegenüber mit einer Steigerung der Erträge als Folge des Klimawandels zu rechnen.

Im Bericht werden noch stärker schwankende Ernteerträge erwartet und diese werden umso gravierender ausfallen, je rascher die Erderwärmung voranschreitet. Der Klimawandel droht also, die weltweite Ernährungssicherheit sehr negativ zu beeinflussen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind damit auch erhebliche Auswirkungen auf die Produktionsstrukturen und die Einkommen in der Landwirtschaft verbunden.

Die Erhöhung der Durchschnittstemperaturen in vielen Weltregionen birgt das Risiko, dass eine große Zahl von Tier- und Pflanzenarten aussterben wird. Außerdem ist damit zu rechnen, dass sich viele Landtier-, Vogel- und Fischarten neue Lebensräume suchen werden, wobei sie vor allem in klimatisch gemäßigte Zonen ziehen.

Es zeichnet sich bereits ab, dass viele Fischarten angesichts steigender Wassertemperaturen die äquatornahen Meeresgebiete verlassen, was auch zur Folge hat, dass die Erträge der Fischer in vielen Entwicklungsländern weiter sinken, die bereits durch Überfischung stark gefährdet sind. Diese Risiken werden noch dadurch vergrößert, dass die Zahl der 'toten Zonen' der Meere und Ozeane zunimmt, in denen alles Leben durch Umweltverschmutzung und Klimawandel vernichtet wurde. Aus den gleichen Gründen werden die Ozeane durch eine Versäuerung geschädigt.


Gesundheitsrisiken nehmen zu und der Migrationsdruck wächst

Bereits bestehende Gesundheitsprobleme werden sich durch den Klimawandel verschärfen und dies besonders in Entwicklungsländern, wird im Bericht vorhergesagt. Dazu tragen nicht nur Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse bei, sondern zum Beispiel auch das erhöhte Risiko von Unterernährung als Folge sinkender Ernteerträge in der Landwirtschaft. Gesundheitsgefahren gehen auch von der zunehmenden Knappheit von sauberem Trinkwasser aus. Die rudimentären Gesundheitseinrichtungen vieler Entwicklungsländer werden hierdurch noch weiter überfordert.

Extremwettereignisse, wie Dürre- und Flutkatastrophen, steigende Meeresspiegel und andere Folgen des Klimawandels machen die Migration zu einer wirksamen Anpassungsstrategie. Sorge bereiten laut Bericht die Fluchtbewegungen, die dadurch entstehen, dass die Folgen des Klimawandels bestehende gesellschaftliche Konflikte verschärfen und zum Ausbruch von Gewalt beitragen können. Angesichts der vielen Faktoren, die Migrationsprozesse beeinflussen, wird im Bericht auf eine quantitative Prognose für klimabedingte Migration verzichtet. Mit Risiken umgehen

Im Vergleich zu den früheren vier IPCC-Berichten liegt nun ein deutlich stärkerer Akzent auf der Benennung von und dem Umgang mit Risiken. Chris Field, einer der beiden Vorsitzenden der IPCC-Arbeitsgruppe II, stellte bei der Präsentation des Berichtes heraus: "Wenn man versteht, dass mit dem Klimawandel die Herausforderung verbunden ist, mit Risiken umzugehen, eröffnet dies ein breites Spektrum von Möglichkeiten, Anpassungsmaßnahmen mit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung sowie Initiativen zur Begrenzung der zukünftigen Erderwärmung zu verbinden."

Die Anpassungsstrategien werden, so ist dem Bericht zu entnehmen, regional sehr unterschiedlich sein und müssen u. a. den jeweiligen nationalen Visionen und Konzepten entsprechen. Zu den Strategien werden in vielen Fällen die Stärkung wirkungsvoll planender und arbeitender staatlicher Strukturen, die Diversifizierung der Wirtschaft, der gezielte Schutz besonders bedrohter Bevölkerungsgruppen und die Verbesserung von Informations- und Kommunikationsprozessen in der Gesellschaft gehören. Betont wird die Notwendigkeit von vielfältigen Möglichkeiten zur breiten Beteiligung an Entscheidungsprozessen.

Als Problem wird im Bericht die Kluft zwischen Anpassungsnotwendigkeiten in Entwicklungsländern und den dafür bisher verfügbaren Finanzmitteln benannt. Dies gilt noch mehr, wenn man neben den Anpassungsmaßnahmen auch Initiativen zur Begrenzung klimaschädlicher Produktion und Energieerzeugung sowie den Aufwand für den Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften in den Entwicklungsländern berücksichtigt.


Soziale Bewegungen zum IPCC-Bericht

"Der Bericht des Weltklimarates zeigt deutlich, dass die ärmsten Weltregionen schon jetzt am schlimmsten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und in Zukunft noch stärker leiden werden", äußerte Sven Harmeling, Klimaexperte von CARE International[4]. "Von der Häufung extremer Wetterereignisse über Nahrungsengpässe bis hin zum ansteigenden Meeresspiegel - der Klimawandel hat verheerende Auswirkungen und dieses Drama spielt sich direkt vor unseren Augen ab."

Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam Deutschland[5], kommentierte den IPCC-Bericht so: "Deutlicher als der UN-Klimareport kann man vor den Folgen des Klimawandels nicht warnen. Wir steuern auf eine globale Erwärmung um vier bis sechs Grad Celsius zu. Dann werden der steigende Meeresspiegel, schwindende Ökosysteme, heftigere Unwetterkatastrophen und wiederkehrende Dürren zu einem globalen Desaster." Er fordert deshalb: "Deutschland muss wie versprochen die armen Länder dabei unterstützen, sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen und ihre Ernten vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Doch stattdessen plant die Bundesregierung, in diesem Jahr ihre Klima-Hilfen für arme Länder um Hunderte Millionen Euro zu kürzen."

Greenpeace-Klimaexpertin[6] Kaisa Kosonen sagte über die Konsequenzen aus dem Bericht: "Wir bewegen uns auf schmalem Grat. Aber wenn wir mutig handeln und den Treibhausgasausstoß schneller senken, können größere Bedrohungen für die menschliche Sicherheit noch vermieden und lebenswichtige Meeressysteme, Wälder und Arten geschützt werden."

Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)[7], Hubert Weiger fordert, dass die Bundesregierung und die EU endlich weitergehende Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase vereinbaren müssen. Das würde auch andere Staaten motivieren, ihre Anstrengungen beim Klimaschutz zu erhöhen. "Die CO2-Minderungsziele sämtlicher Staaten der EU und weltweit müssen sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Klimaforscher und nicht länger an der sogenannten Realpolitik ausrichten." Erforderlich sei eine Reduzierung der CO2-Emissionen in der EU um 60 Prozent bis 2030. Nächster Berichtsteil erscheint in Kürze

Eine Zusammenfassung ('Executive Summery') des zweiten Teils des IPCC-Berichts kann auf der IPCC-Website als pdf-Datei[8] heruntergeladen werden.

Am 13. April 2014 wird der dritte Teil des Berichts veröffentlicht werden, in dem es im Detail um die Fragen gehen wird, wie der Klimawandel begrenzt werden kann und was für die Anpassung an den nicht mehr zu vermeidenden Klimawandel getan werden muss. Der vierte Berichtsteil, der im Oktober 2014 erscheinen soll, wird die Ergebnisse des Sachstandsberichtes zusammenfassen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
  • Das Schmelzen der Gletscher Grönlands ist ein dramatischer Beleg für die Auswirkungen steigender globaler Temperaturen. Foto: UN Photo/Mark Garten
  • Als Konsequenz steigender Wassertemperaturen verlassen viele Fischschwärme die tropischen Gewässer. Das vermindert die Fänge der lokalen Fischer wie hier an der Küste von Madagaskar drastisch. Foto: IRIN/Guy Oliver
  • Längst sind die Folgen des Klimawandels auch in Europa unübersehbar. In der Schweiz bereitet der Rückgang des Volumens der Gletscher große Sorge. Foto: UN Photo/Jean-Marc Ferré


[1] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/leitbild-impressum/
[2] http://www.heute.de/neuer-weltklimabericht-des-ipcc-klimawandel-ist-da-wetterextreme-werden-alltag-32525754.html
[3] http://www.ipcc.ch/
[4] http://www.care.de/home/
[5] http://www.oxfam.de/
[6] http://www.greenpeace.de/
[7] http://www.bund.net/
[8] http://ipcc-wg2.gov/AR5/images/uploads/IPCC_WG2AR5_SPM_Approved.pdf

http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/meldung/risiken-erkennen-und-entschlossen-handeln/

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Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
menschl-entw-staerken.de, 01.04.2014
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2014