Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

LANDWIRTSCHAFT/062: The Lesbian Donkey - Eine junge Athener Familie wagt den Neuanfang (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 179 - April / Mai 2014
Die Berliner Umweltzeitung

The Lesbian Donkey
Eine junge Athener Familie wagt den Neuanfang auf Lesbos

Interview von Jörg Parsiegla



Berlin im Januar: grau, Schneetreiben, auf dem Mesegelände unterm Funkturm feiert sich die Grüne Woche. In der Biohalle und am Gemeinschaftsstand von Bioproduzenten/-händlern in der Brandenburghalle habe ich unter den Ausstellern für eine Teilnahme an unserem Umweltfestival am Brandenburger Tor am 1. Juni geworben und streife auf dem Weg zum Ausgang - eigentlich wahllos - noch durch einige andere Hallen. Dort, wo Griechenland sich präsentieren sollte, fällt mir gähnende Leere auf: verlassene schmucklose Stände, allenfalls ein wenig Informationsmaterial. Jedoch: Ein Aussteller hält eisern die Festung und preist auf sehr sympathische Weise sein Olivenöl an. Spiros Avgiris (37) scheint alles, aber auch wirklich alles, über Olivenöl zu wissen. Zugegeben, auch der Markenname seines Öls - The Lesbian Donkey - erregt mein Interesse. Und als ich ihn frage, was es damit auf sich hat, bietet er an, mir seine Geschichte zu erzählen. Wir einigen uns auf einen Interviewtermin, und wenige Tage später steht mir der Olivenölproduzent von der Insel Lesbos Rede und Antwort.

Spiros, möchtest du dich unserer Leserschaft vorstellen, wo liegen deine Wurzeln?

Na ja, ich bin in Athen aufgewachsen und lebte dort bis zu meinem 18. Lebensjahr. In frühen Kinderjahren war ich mit meinen Eltern in den Ferien beziehungsweise im Urlaub oft auf Lesbos. Mein Vater stammt von dort - aus einem Dorf in der Nähe von Plomari, dem zweitgrößten Ort der Insel mit mittlerweile rund 10.000 Einwohnern. Unsere Familie betrieb dort eine kleine Landwirtschaft. Mit 19 wurde ich umtriebig, zuerst innerhalb Griechenlands, dann auch über seine Grenzen hinweg. Vor drei Jahren, 2011, als meine Freundin Lina und ich unser erstes Kind bekamen, zog es uns nach Lesbos. Der Entschluss, dort ein Bauernleben zu führen, war allerdings schon vorher gereift. Jeden falls zogen wir um und begannen mit dem Verpacken und der Ausfuhr von Olivenöl.

Warum "Lesbian Donkey"? Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Nun, wir suchten nach einem Markennamen für unser Öl, der möglichst einzigartig, aber nicht zu ernst oder verbandelt mit der "glorreichen" griechischen Antike herüberkommt. Als wir eines Morgens auf dem Weg zum Hof waren, sahen wir einen Esel irgendwie unbeschwert - so unser Eindruck - durch die Gegend streifen, und jemand von uns sagte zum Spaß "ein lesbischer Esel". Nach dem Ablachen fiel uns auf, dass diese Wortschöpfung ja auch ein Wortspiel beinhaltet, simpel gesagt: der Esel von Lesbos. Jedenfalls kamen wir so zu unserem Markennamen, der obendrein noch auf das Schicksal dieses über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, einzigen Lasttieres an des Menschen Seite aufmerksam macht. Denn die Zahl der Esel geht weltweit dramatisch zurück. Ein großer Verlust, schließlich haben wir es mit einem manchmal zwar eigenwilligen, dafür aber auch geduldigen und - entgegen deutscher landläufiger Meinung - durchaus intelligenten Lebewesen zu tun. So gesehen kommt zum lustigen Aspekt des Markennamens noch ein umweltschützerischer hinzu.

Und dennoch steht unsere Namenswahl, jenseits ihres Symbolgehaltes, für mehr. Im Kern geht es bei unserer Idee um ein soziales Konzept für den Erhalt der Insellandschaft und des gesellschaftlichen Lebens in der Region insgesamt. The Lesbian Donkey als Marke und, wenn man so will, als Projekt soll unsere Region und insbesondere ihre leidgeprüften Olivenölbauern in den Bergen auch wirtschaftlich wieder nach vorn bringen. Das wird zwar ein beschwerlicher Weg, aber schließlich brauchen wir Bauern eine Perspektive nicht nur als Kultivierer und Produzenten von Olivenöl sondern auch als Vermarkter - unabhängig sozusagen. Wenn wir diesen letzten Schritt nicht gehen, legen wir die Entscheidung über unsere Zukunft in die Hände Dritter. Und wenn wir damit Erfolg haben, wird das hoffentlich Schule machen. Priorität hat für uns außerdem eine B-Lab-Zertifizierung, die uns, ähnlich Fairtrade, als Unternehmen mit sozialen und ökologischen Ambitionen ausweisen würde. Aber zuerst müssen wir natürlich Ergebnisse liefern, und das bedeutet in erster Linie einen größeren Umsatz.

Gab es für dich und deine Familie noch andere Gründe, den Neuanfang auf Lesbos zu wagen?

Während meiner umtriebigen Zeit, man könnte sie auch Wanderschaft nennen, hatte mich schon immer die bodenständige bäuerliche Lebensart, mit der ich unterwegs in Kontakt kam, fasziniert. In meinen späten Zwanzigern machte ich mehrere Versuche mich niederzulassen. Dann, als unsere jüngste Tochter geboren wurde, war die Chance da. Das Land meines Großvaters - einige Tausend Hektar - lag seit den schweren Bränden auf Lesbos 1994 fast gänzlich verlassen da, und wir wollten nicht, dass unsere Kinder im Zentrum von Athen aufwachsen. Ja, wir wollten aufs Land und, dass unsere Kinder gesund heranwachsen. Die griechische Finanzkrise spielte weniger eine Rolle - Lina betrieb ein gutgehendes Café in der Innenstadt und wirtschaftlich ging es uns ganz gut. Die Krise war allenfalls der Katalysator, sich nun auch um den Export unseres Olivenöls zu kümmern. Der Schritt war zwar, aus finanziellen Gründen, ohnehin geplant, aber so geschah es von heute auf jetzt.

Dazu muss man vielleicht wissen, dass allein die Kultivierung der alten Olivenbaumhaine sehr mühsam und kostenintensiv ist, Landarbeit an sich, aber unterbezahlt. Wenn ich manchmal Einheimische treffe und ihnen erzähle, dass ich von der Stadt aufs Land gezogen bin, um das Land meines Großvaters zu bearbeiten, schauen die mich ungläubig an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf oder würde sie auf den Arm nehmen. Mein Großvater war ein recht beliebter Arzt in Plomari, und ältere Einheimische aus den umliegenden Dörfern erinnern sich noch an ihn.

Olivenöl also! Ich habe gelesen, dass das griechische Olivenöl das Beste der Welt wäre - vielleicht weil 70 bis 80 Prozent dieses Öls kaltgepresst hergestellt wird und es somit höchste Qualitätsstandards erfüllt. Ich könnte mir vorstellen, dass es da auch einen harten Wettkampf um die Herstellung und Vermarktung guten Olivenöls gibt. Bis hin zu: Wer ist der Größte?

Es gibt heute viele Bauern und Hersteller, die gutes Olivenöl machen! Die Verkostung von Olivenöl entwickelt sich gerade zu einem ähnlich guten Geschäftsmodell wie seinerzeit Weinverkostungen! Wenn man die griechische Olivenölproduktion insgesamt betrachtet, muss man tatsächlich den international höchsten Prozentsatz der Güteklasse Extra Virgin, also extra nativ (oder naturbelassen), hervorheben. Und Statistiken und Studien zum Olivenölmarkt belegen ebenfalls die herausragende Position Griechenlands bezüglich Produktion, Verbrauch und kultureller Bedeutung des Olivenöls. Dennoch sagt all das wenig über "das beste Olivenöl" aus, denn hierbei kommt der Geschmack ins Spiel. Und der ist kein objektives Beurteilungskriterium.

Zur Kaltpressung: die ist heute eines von vielen wichtigen Merkmalen, das erfüllt sein muss, um die ausgezeichneten Ernährungswerte und den Geschmack des Olivenöls zu garantieren. Das allein reicht jedoch nicht. Das Hauptcharakteristikum für die Qualität und somit den Preis eines Olivenöls ist sein Säuregehalt, das heißt der enthaltene Anteil freier Fettsäuren. Erst danach folgen andere wichtige und weniger wichtige Qualitätsmerkmale für ein Extra Virgin Olivenöl, ganz oben die sensorische Ansprache. Leider sind heute viele (in betrügerischer Absicht?) falsch etikettierte Extra Virgin Öle im Umlauf, die zwar den chemischen Anforderungen an ein solches Öl genügen (viele fallen auch hier durch), jedoch bei der sensorischen Ansprache versagen. Was ihnen fehlt, ist einfach die Fruchtigkeit oder die Frische! Studien weisen daraufhin, dass die Menge extra Virgin hergestellten Olivenöls, international gesehen, dreimal geringer ist, als auf dem. Markt als solches verkauft wird! Da leuchtet ein, dass viele an der Vermarktung Beteiligte ein schmutziges Spiel spielen - durch Mischen, Raffinieren und Verfälschen. Zum Beispiel hat die UC Davis Studie über Olivenöl gezeigt, dass 69 Prozent allen in den USA verkauften Olivenöls nicht der als "Tom Mueller's Extra Virginity" etikettierten Güteklasse entsprach.

Was meinst du, Spiros, macht euer Olivenöl so besonders?

Die Leute auf Lesbos sagen, das von Olivenbäumen auf felsigem Untergrund in den Bergen stammende Olivenöl sei qualitativ hochwertiger als das in der Ebene produzierte - aber warum? Die oft Jahrzehnte alten (oder noch älteren) Olivenhaine in den Bergen, meinen sie, würden in einer natürlichen Umgebung wachsen, absolut intakt und insbesondere trocken im Sommer, um den Geschmack der Früchte reifen zu lassen. In den Bergen um Plomari gibt es keine endlosen Reihen bewässerter und auf Massenproduktion getrimmter Olivenbäume. Einfach weil unsere Berge eine einzige Olivenplantage darstellen - mit Dörfern dazwischen und von Flüssen und Canyons durchschnitten soweit "bis Auge reicht; Jeder Olivenbaum ist schlicht ein Unikat (einige haben sogar Namen aus vergangenen Zeiten), oft von einem Steinwall umgeben, um den Boden festzuhalten. Die Eigentümer kümmern sich persönlich um sie, und einige Bäume werden fast wie Juwelen behandelt. Wenn die Bäume Früchte tragen, wird geerntet - wenn nicht, sitzen die Bauern im Café, trinken Ouzo und schauen aufs Meer. Aber im Ernst, in letzter Zeit haben wir wenig Gelegenheit dazu ...

Schließlich kommt es auf den Produktionsprozess an: den optimalen Zeitpunkt für die Ernte, die zügige - aber dennoch schonende - Verarbeitung in der Ölmühle (kalte Pressung), die sichere kühle Lagerung unter Sauerstoffabschluss (Stickstoffzugabe) in Edelstahltanks und eine qualitätsgerechte Abfüllung in dunkle Flaschen oder Blechdosen. Dann muss das Olivenöl - mit nicht zu langem Verfallsdatum - möglichst schnell auf den Markt. Alle diese Standards gelten bei uns als gesetzt.

Eigentlich wird gutes Olivenöl in unserer gesamten Region hergestellt. Das bekommen wir immer wieder auf Panels (Prüfungsveranstaltungen) und durch internationale Wettbewerbe bescheinigt. Insgesamt würde ich sagen, dass die Mischung aus besonderer Lage, spezieller Kultivierung und natürlich der einmaligen Olivensorte unsere hohe Produktqualität ausmacht.

Hört sich nach einer Menge Arbeit an. Wie kommen du und Lisa mit der Doppelbelastung Beruf und Familie (mit zwei Kleinkindern) zurecht? Gibt es eine Art Aufgabenverteilung?

In der Tat ... Ja, Lisa und ich haben zwei wunderschöne Töchter, zweieinhalb und vier Monate alt. Wir hätten uns nie vorgestellt, dass Beruf und Kinder aufziehen so anstrengend sein kann. Andererseits sind wir sehr glücklich, weil wir denken, dass wir beide Aufgaben ganz gut meistern. Natürlich kümmert sich Lisa mehr um die Kinder als ich das könnte, und mir liegt eher die Landarbeit. Wir versuchen jedoch, uns gegenseitig zu helfen. Wichtig ist wohl, dass wir das, was wir machen, gern tun!

Last but not least, Spiros, ab wann und vor allem wo in Deutschland können wir The Lesbian Donkey käuflich erwerben?

Unser Olivenöl gibt es bereits in circa 30 Berliner Läden, und bald wird man es auch in anderen großen Städten kaufen können. Der Online-Verkauf ist ebenso angelaufen. Die wichtigsten Bezugsmöglichkeiten sind auf unserer Facebookseite gelistet, da gibt es auch News zu Kultivierung und Ernte sowie andere interessante Posts. Übrigens glaube ich, dass wir dem Käufer unsere Bioqualität zu einen unschlagbaren Preis anbieten können - geschuldet der Tatsache, dass Produktion beziehungsweise Herstellung und Vertrieb aus einer Hand erfolgen. Mal sehen, vielleicht trägt ja auch diese unsere Geschichte dazu bei, dass einige eurer Leser/-innen Geschmack am Lesbian Donkey finden.

Vielen Dank, Spiros, für das Gespräch - auch im Namen der Redaktion des RABEN RALF

Das Interview führte Jörg Parsiegla


Weitere Informationen über Olivenöl:
www.truthinoliveoil.com/great-oil/how-to-buy-great-olive-oil
über Esel: mondediplo.com/2007/04/18donkey



Lesbos

Lesbos oder griechisch Lesvos, die drittgrößte Insel Griechenlands und mit rund 1.600 Quadratkilometern die achtgrößte im Mittelmeer, liegt in der nördlichen Ägäis weit im Osten gegenüber der türkischen Küste. Die Umrisse der Insel erinnern an ein gleichschenkliges gestauchtes Dreieck mit einer immerhin 70 Kilometer langen Basis. Zwei große, fast abgeschnürte Buchten reichen im Süden und Südwesten der von Bergmassiven dominierten Insel bis weit ins Inselinnere. Fast die Hälfte der Insel ist hügeliges Land mit Oliven- und Obstbäumen, ein Drittel sind Ebenen. Wälder, vorwiegend mediterrane Kiefern, Eichen und Walnussbäume, bedecken etwa 20 Prozent der Inselfläche. Die knapp 100.000 Einwohner verteilen sich auf rund 70 Ortschaften, die 13 Gemeinden zugeordnet sind. die größte und Inselhauptstadt mit cirka 40.000 Einwohnern - und internationalem Flughafen - ist Mytilini. Lesbos ist landwirtschaftlich geprägt. Haupterwerbszweige sind eine qualitativ hochwertige Olivenölproduktion (mit geschützter geografischer Angabe innerhalb der EU), die Herstellung von Käse, darunter Feta, Kaseri und Ladotyri, die Ouzoproduktion (etwa 50 Prozent der griechischen Gesamtproduktion) sowie die Fischerei und die Salzgewinnung im Golf von Kalloni. Eine weitere Einnahmequelle ist der Tourismus.

*

Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 179 - April/Mai 2014, Seite 12-13
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2014