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LANDWIRTSCHAFT/089: Brasilien - Organischer Kakaoanbau fördert Wiederaufforstung von Amazonasregenwald (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Juni 2015

Brasilien: Organischer Kakaoanbau fördert Wiederaufforstung von Amazonasregenwald

von Mario Osava



Bild: © Mario Osava/IPS

Darcicio Wronski zeigt seine Kakaobohnen, die er im Hinterhof zum Trocknen ausgelegt hat
Bild: © Mario Osava/IPS

MEDICILANDIA, BRASILIEN (IPS) - "Dass wir in einem Paradies leben, ist uns eigentlich erst jetzt so richtig klar geworden", meint Darcirio Wronski. Mit seiner Familie lebt der Öko-Kakaobauer in Medicilândia, einer am Rande der Transamazonasstraße entstandenen Stadt im Einzugsgebiet des Rio Xingú im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará.

Auf der 100 Hektar großen Farm wachsen neben Kakaobäumen Bananen, Passionsfrüchte, Ananas und andere lokale und exotische Agrarprodukte. Rosalina Brighanti, Wronskis Frau, ist für die Herstellung von Öko-Marmeladen und Öko-Schokoladen zuständig. Die Erzeugnisse sind biologisch gesiegelt.


Bild: © Mario Osava/IPS

Rosalina Brighanti alias Doña Rosa, in ihrer Küche mit einem Transparent, das für die von ihr produzierten Süßigkeiten wirbt
Bild: © Mario Osava/IPS

Das Paar stammt ursprünglich aus dem Süden Brasiliens, hatte sich aber erst in Medicilândia, der 'Hauptstadt des Kakaos', kennengelernt. 1980 wurde geheiratet und die Familie gegründet, die inzwischen aus sechs Mitgliedern besteht.

Die ersten Jahre als Pioniere seien die Hölle gewesen, erinnern sich Brighanti und ihr Mann. Beide waren unabhängig voreinander dem Aufruf der damaligen Militärregierung gefolgt, als Siedler in den Norden aufzubrechen. Das Nationale Institut für Besiedlung und Agrarreform warb mit der Aussicht auf Land, Infrastrukturen, Bildungseinrichtungen und Gesundheitsversorgung.

Das Regime fürchtete damals, dass das regionale demografische Vakuum ausländischen Interessen in die Hand spielen und Brasilien um die Souveränität über das riesige wasser- und ressourcenreiche Dschungelgebiet bringen könnte. Das Siedlungsprogramm sollte der Gefahr vorbeugen.

Um das bevölkerungsarme Gebiet an den Rest Brasiliens anzuschließen, wurde mit dem Bau der Transamazonasstraße begonnen, die den Nordosten mit dem extremen Westen Brasiliens über eine Länge von 4.965 Kilometern verbindet. Doch weite Teile der Straße, an der entlang sich tausende Sieder und ihre Familien hoffnungsvoll niederließen, sind unbefestigt und in der Regenzeit unpassierbar.

Medicilândia, benannt nach dem damaligen Staatspräsident General Garrastazú Médici (1969-1974), der die Transamazonasstraße 1972 einweihte, ist ein Produkt dieser Entwicklung. Die Siedlung wurde 1989 als Gemeindebezirk anerkannt. Heute leben dort 29.000 Menschen.


Aus dem Nichts geboren

"Für uns Pioniere war die Anfangszeit eine Tortur. Hier gab es nichts zu kaufen und nichts zu verkaufen", erinnert sich die 55-jährige Brighanti, in der Gemeinde als Doña Rosa bekannt. Sie stammt ursprünglich aus dem südlichen Bundesstaat Santa Catarina. Die Finca des Vaters war viel zu klein gewesen, um sie unter den zehn Geschwistern aufteilen zu können.

Wronski wiederum träumte damals den 'Amazonischen Traum', nachdem er mit dem Anbau traditioneller Agrarprodukte wie Reis und Bohnen keinen Erfolg hatte. Er folgte dem Ruf der damaligen Militärregierung und kaufte sich in Medicilândia Land für den organischen Kakaoanbau.

Der Sektor hat sich inzwischen zu einem vielversprechenden Wirtschaftszweig gemausert. Er schafft Arbeitsplätze, die insbesondere nach dem Abschluss der Bauarbeiten am Wasserkraftwerk 'Belo Horizonte' wieder gefragt sein werden.

Der Mega-Damm am Rio Xingú befindet sich in der Nähe von Altamira, der Hauptstadt der aus elf Gemeindebezirken bestehenden Region. Die ersten fertiggestellten Turbinen sollen ab diesem Jahr Strom erzeugen, die letzten 2019 ihre Arbeit aufnehmen.

Die Attraktivität der Arbeit am Belo-Monte-Staudamm hat dazu geführt, dass den Kakaobauern plötzlich die helfenden Hände ausgegangen sind, die sie in der Erntezeit so dringend brauchen. "In diesem Jahr werden wir 30 Prozent unserer Ernten verlieren", meint dazu Wronski. "Ich kenne hier eine Familie, die 70.000 Kakaopflanzen besitzt. Da der Sohn für am Belo Horizonte-Projekt arbeitet, kann er der Familie nicht bei der Kakaoernte helfen."

Auf der Finca von Wronski und Brighanti leben und arbeiten sechs Familien, die zur Hälfte an den Ernten beteiligt sind. Ihre Hände reichen nicht aus, um die Kakaoernten einzubringen. So werden aus einem benachbarten Dorf, in dem 40 Familien leben, weitere Erntehelfer angeworben.

"Auf den Kakaofarmen werden deshalb so viele Hilfskräfte benötigt, weil die Kakaofrüchte von Hand gepflückt und geöffnet werden müssen", erläutert Alino Zavarise Bis vom staatlichen Kakao-Institut (CEPLAC), das den Bauern technische Hilfe leistet und sie berät.


Kakao braucht Schatten spendende Bäume

Der organische Kakaoanbau trägt zudem zur Wiederaufforstung der Wälder bei, wie Luftaufnahmen zeigen. Das hat damit zu tun, dass Kakaopflanzen, um gesund zu bleiben und hohe Erträge abzuwerfen, den Schatten größerer Bäume benötigen. Häufig sind es Bananenbäume, die ihnen Schatten spenden und zugleich das regionale Bananenangebot erhöhen.

"Wir haben das Privileg, im Schatten arbeiten zu können", witzelt Jedielcio Oliveira, Handelskoordinator des Programms für organische Produktion, das CEPLAC und andere nationale Einrichtungen mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in der Region Transamazónica/Xingú gegründet haben.


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Ein üppig tragender Kakaobaum im Schatten eines Bananenbaumes auf der Farm der Wronski-Brighanti-Kakaofarm in Medicilândia im brasilianischen Bundesstaat Pará
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José 'Cido' Tinte Zeferino wollte ursprünglich Kaffee im Einzugsgebiet des Rio Xingú anbauen. Doch musste er feststellen, dass die Böden in Brasil Novo in der Nähe von Altamira für den Kaffeeanbau ungeeignet waren. Er stieg daraufhin auf den organischen Kakaoanbau um und hat die Entscheidung nie bereut.

Aus dem Siedler ist ein passionierter Waldschützer geworden. Er hat auf seiner vor 15 Jahren erworbenen 98 Hektar großen Finca Kakaobäume gepflanzt, die inzwischen zu wahren Riesen ausgewachsen sind. "Ich produziere jedes Jahr 2.800 bis 3.000 Kilogramm Öko-Kakao", sagt er.

Doch im Bundesstaat Pará ist der organische Kakaoanbau nur ein winziges Segment innerhalb der Kakaoproduktion. "Es geht um nur 800.000 Tonnen Kakaobohnen pro Jahr, die von 120 Familien produziert werden", berichtet Bis.

Wronski, Vorsitzender der Öko-Kakao-Genossenschaft von Medicilândia, wurde erst unlängst zum Chef der neuen Zentralkooperative gewählt, damit er die Kommerzialisierung der Kakaobohnen und andere Aktivitäten der insgesamt sechs Öko-Kakao-Genossenschaften koordiniert.

Zu den ausländischen Abnehmern der Ökobohnen aus Pará gehört die österreichische Fairtrade-Schokoladenmanufaktur 'Zotter', die 365 Schokoladensorten produziert. Brasilianische Kunden sind das Unternehmen 'Harald', das seine Schokaladen in mehr als 30 Länder exportiert, und die Kosmetikfirma 'A Natura'.

Die konventionelle Schokoladenindustrie bevorzugt zwar die konventionellen und preiswerteren Kakaobohnen. Doch kommen für die Herstellung qualitativ hochwertiger Schokoladensorten die Ökobohnen zum Zuge. Der Kakao-Sektor in Pará wird von den konventionellen Kakaobauern dominiert, die Pestizide und andere Agrarchemikalien verwenden. Deren Agroindustrielle Kooperative Transamazoniens hat 2010 in Medicilândia die Schokoladenfabrik 'Cacauway' gegründet.


Kakao aus Bahía

"Die Zukunft des Kakaos liegt in Pará, wo die Bedingungen aufgrund reichlich vorhandener Niederschläge und fruchtbarer Böden besonders gut sind", betont Bis. Dennoch wird die nationale Kakaonachfrage zu zwei Dritteln vom Bundesstaat Bahía bedient.

Allerdings werfen die Kakaobäume in Pará doppelt so hohe Erträge ab - pro Stück und Jahr 800 Kilo - und sind weniger anfällig für Schädlinge wie den Hexenbesen, der die Ernte in Bahía in den 1990er Jahren um 60 Prozent verringert hatte. Die Folge war, dass Brasilien als Kakaoproduzent vom zweiten auf den sechsten Platz hinter die westafrikanischen Staaten, Indonesien und Ecuador zurückfiel. (Ende/IPS/kb/22.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/organic-cacao-farmers-help-reforest-brazils-amazon-jungle/
http://www.ipsnoticias.net/2015/06/cultivadores-de-cacao-organico-reforestan-amazonia-brasilena/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2015

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