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LATEINAMERIKA/013: Uruguay - Papierexportproduktion hinterläßt Spur der Verwüstung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010

Uruguay: Zerstörung, Artensterben, Vertreibung - Papierexportproduktion hat hohen Preis

Von Silvana Silveira


Montevideo, 23. August (IPS) - In Uruguay richtet die florierende Papierindustrie eine Spur der Verwüstung an. Dabei hält sich der Papierbedarf im Lande selbst in engen Grenzen. Der Großteil der Produktion geht in den Export.

"Im Durchschnitt verbraucht jeder Uruguayer nur 40 Kilo Papier im Jahr. Wir produzieren also Holz, um den ausländischen Papierverbrauch zu bedienen", kritisiert María Selva Ortiz von der Umweltgruppe 'Redes - Amigos de la Tierra' vor. "Das geht zu Lasten unsers Wassers, unserer Böden und unserer Produzenten."

Der internationale Hunger nach Papier ist immens. Einem diesjährigen Bericht der internationalen Naturschutzorganisation WWF zufolge hat sich der globale Papierverbrauch seit 1950 auf 367 Millionen Tonnen versiebenfacht. Bis 2015 wird ein weiterer Anstieg auf 440 Millionen Tonnen erwartet. Mit rund 250 Kilo pro Kopf und Jahr konsumieren die Deutschen demnach zurzeit so viel Papier wie Afrika und Südamerika zusammen.

Die globale Nachfrage hat gerade für Uruguay einen hohen ökologischen und sozialen Preis. So führte der damit verbundene massive Holzeinschlag dazu, dass Straßen beschädigt, Baum-Monokulturen ausgeweitet und Wasserressourcen erschöpft wurden. Darüber hinaus kommt es zu Bodenerosion, Vertreibung von Kleinbauern, neuen Landbesitzverhältnissen zugunsten ausländischer Firmen und einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion. Das UN-Umweltprogramm (UNEP) wird die ökologischen Veränderungen in Uruguay zwischen 1975 und 2009 in einem Bericht 'Lateinamerika und die Karibik - Atlas unserer sich wandelnden Umwelt' dokumentieren. Grundlage der Untersuchung sind Satellitenfotos, die im Laufe der Jahrzehnte aufgenommen wurden.

Erste Ergebnisse der Studie wurden Ende April auf einem regionalen Umweltministertreffen in Panama vorgestellt. Danach hat sich die Fläche, die von 1990 bis 2009 aufgeforstet wurde, von 45.000 Hektar auf 900.000 Hektar verzwanzigfacht. Dies ging zu Lasten der Artenvielfalt in den betroffenen Gebieten und negativen Veränderungen der Wasserkreisläufe.


Alter Baumbestand in nur noch der Hälfte der Wälder

Die der ehemalige Agrarminister Ernesto Agazzi berichtete, verfügt Uruguay über etwa anderthalb Millionen Hektar Wald. Allerdings sind heimische Baumarten auf nur noch 750.000 Hektar zu finden. Der Großteil der Wälder besteht aus fremden Arten, vor allem Eukalyptusbäumen und Pinien mit einem Anteil von jeweils 70 und 30 Prozent.

Ab 1987 sorgten Subventionen, Steuererleichterungen und zinsgünstige Kredite für die Ausbreitung solcher Monokulturen. Die Bäume wurden gezielt in Regionen angepflanzt, in denen Viehzucht und Wollproduktion gering waren. Weideland und artenreiche Urwälder mussten nach und nach profitorientierten Baumplantagen weichen.

Erst als die linke Partei 'Frente Amplio' 2005 an die Regierung kam, wurde die umstrittenen Subventionen abgeschafft. "Investoren müssen jetzt Projekte vorlegen, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien standhalten", erklärte Agazzi, der inzwischen als Senator amtiert.

Elizabeth Díaz von der Naturschutzorganisation 'Guayubira' zufolge ziehen die Pinien- und Eukalyptusplantagen Tiere wie Wildschweine, Füchse und Papageien in Scharen an, die sich inzwischen zu regelrechten Plagen entwickelt haben.


Monokulturen in Quellgebieten der Flüsse

Ortiz wies darauf hin, dass wissenschaftliche Studien weltweit vor der Wiederaufforstung mit Nutzbäumen in den Quellgebieten der großen Flüsse warnen. Genau dies geschehe derzeit dort, wo die Flüsse Tucuarembó Grande im Norden und Santa Lucía im Süden entspringen. Ersterer ist ein Nebenfluss des Río Negro, wo sich drei Wasserkraftwerke befinden. Der zweite Strom versorgt Ortiz zufolge etwa 70 Prozent der Bevölkerung mit Trinkwasser.

Ein 2009 von dem Gewerkschaftsinstitut 'Cuesta Duarte' erstellter Bericht beanstandet außerdem die Bedingungen, unter denen die rund 16.000 Arbeiter in der Holzbranche in drei nördlichen Verwaltungsbezirken beschäftigt werden. Mehr als 90 Prozent von ihnen arbeiten für Subunternehmen, heißt es in dem Report. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren die Konditionen verbessert hätten, würden die Arbeiter nach wie vor ausgebeutet, so Gewerkschaftsführer Fernando Oyanarte.

Der Geschäftsführer der uruguayischen Gesellschaft der Forstproduzenten, Edgardo Cardozo, sprach von mehr als 2,4 Milliarden US-Dollar, die in den vergangenen 20 Jahren in dem Bereich investiert wurden. Nach Angaben von Pedro Soust, dem Verantwortlichen für den Forstsektor im Agrarministerium, erwirtschaftet die Branche jährliche Einnahmen von etwa 600 Millionen Dollar. Hinzu gerechnet werden müssten noch die Einnahmen des finnischen UMP-Konzerns, der am Uruguay-Fluss Zellulose herstellt. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.wwf.de/themen/waelder/papier/
http://www.redes.org.uy/
http://www.unep.org/climatechange/
http://www.guayubira.org.uy/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96174

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2010