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LATEINAMERIKA/058: Ecuador - Umweltschutz bleibt trotz neuer Verfassung ein ständiger Kampf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Juni 2011

Ecuador: Umweltschutz bleibt trotz neuer Verfassung ein ständiger Kampf

Von Gonzalo Ortiz


Quito, Ecuador, 15. Juni (IPS) - Umweltschützer auf der ganzen Welt hatten 2008 die weit reichende Anerkennung der Rechte der Natur in Ecuadors Verfassung begrüßt. Dennoch fehlt es an den nötigen Gesetzen und institutionellen Rahmenbedingungen, um 'Mutter Erde' wirksam zu schützen.

René Bedón ist Dekan der Juristischen Fakultät an der Universität der Hemisphären in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito und Anwalt für Umweltrecht. Er erklärt: "In diesem Land geht die Verankerung des Naturschutzes tatsächlich über rein philosophische Debatten hinaus." Zumindest soweit es die Verfassung betrifft, seien die Richtlinien nicht mehr so diffus und ungenau wie zuvor, sondern greifbar und klar umrissen.

Außerdem werden vor Gericht immer mehr Fälle verhandelt, in denen es um die Rechte der Natur geht. Bedón verweist auf ein Ende März gefälltes Urteil des Verfassungsgerichtes. An diesem Beispiel wird seiner Meinung nach deutlich, wie ernst der Umweltschutz in Ecuador genommen wird.

In der südlichen Provinz Loja an der Grenze zu Peru wurde die Fernstraße von Vilcabamba nach Quinara ohne vorherige Umweltverträglichkeitsstudie erweitert. Der Artenreichtum der Provinz hat Loja den Namen 'Botanischer Garten Amerikas' eingebracht. Richard Wheeler und Eleanor Geer Huddle, die eine Farm in der Nähe von Vilcabamba besitzen, forderten im Namen der Rechte der Natur und insbesondere des Vilcabamba-Flusses verfassungsrechtlichen Schutz vor den Schäden, die durch das Straßenprojekt entstanden waren. So hatten Bauarbeiter Geröll und Bauschutt in dem Fluss entsorgt.


Recht für den Umweltschutz

Das Gericht entschied eindeutig zu Gunsten des Umweltschutzes. Um die Zerstörung der Natur vor Ort zu verhindern und bereits entstandene Schäden zu beheben, wurde eine umfassende Sanierung angeordnet. Der Fall war der erste in der ecuadorianischen Geschichte, in dem die Rechte der Natur Gegenstand einer Verhandlung waren.

Mario Melo ist Anwalt für Umwelt- und Menschenrecht und hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass der Schutz der Natur als zentrale Aufgabe des Staates anerkannt wurde. Seiner Meinung nach kamen bei dem historischen Urteil im Fall Vilcabamba genau jene gesetzlichen Richtlinien zur Anwendung, die in der Verfassung vorgesehen sind.

Die wichtigste Errungenschaft ist jedoch die Umkehrung der Beweispflicht. Die Kläger aus Vilcabamba mussten nicht nachweisen, dass der Umwelt Schaden zugefügt worden war. Stattdessen oblag es der Provinz Loja, stichhaltige Beweise dafür zu erbringen, dass der Ausbau der Straße der Natur nicht geschadet hat und auch nicht schaden wird.

Die Verankerung des Naturschutzes in der Verfassung ist ein Meilenstein. Dennoch sieht Maria Amparo Alban, geschäftsführende Direktorin des Ecuadorianischen Zentrums für Umweltrecht (CEDA), immer noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der neuen Richtlinien. Wie sie betont, gibt es zwischen dem Verfassungsrecht von 2008 und den Umweltgesetzen aus der Zeit davor erhebliche Widersprüche. Diese Ungereimtheiten nutzten manche Privatpersonen, Unternehmen und auch der Staat als Schlupflöcher, um die strengen Schutzvorschriften zu umgehen.

Beispielsweise sieht die Verfassung die Ernennung eines Umweltbeauftragten und die Einrichtung einer Umweltaufsichtsbehörde vor. Dem Anwalt und Experten für umweltpolitische Fragen, Ricardo Crespo zufolge fehlen diese Kontrollinstrumente bis heute. Außerdem gibt es keinen Kodex ökologischer Verhaltensregeln. Das Umweltministerium arbeitet noch daran.

Crespo zufolge wurden auch noch keine Umweltrichter ernannt, "obwohl wir bei der Einrichtung einer Strafverfolgungsbehörde für Umweltkriminalität auf den Galapagos-Inseln bereits interessante Erfahrungen sammeln konnten." Ecuadors Galapagos-Inseln liegen mehrere hundert Kilometer vor dem Festland im pazifischen Ozean. Für den Inselarchipel, der weitgehend als Nationalpark und Meeresschutzgebiet ausgezeichnet wurde, gelten besondere Umweltgesetze.

Crespo weist auch darauf hin, dass Wirtschafts- und Umweltpolitik bisher nicht aufeinander abgestimmt wurden. Es fehle der politische Wille, um geltende Gesetze zum Schutz der Natur wirksam durchzusetzen. Für ein effektives Umweltmanagement müssten mehr Geld, Personal und Ausrüstung eingesetzt werden.

Der Anwalt für Umweltfragen, René Bedón, betont einen anderen wichtigen Aspekt. Ihm zufolge muss beim Naturschutz unbedingt zwischen einer echten Umweltgefahr und persönlichen Interessen unterschieden werden. So gebe es Personen, die im Namen der Rechte der Natur Gerichtsverfahren anstrengten, "um sich selbst zu bereichern".

Gabriela Muñoz von CEDA unterstreicht, dass der Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro und die Einrichtung eines Umweltministeriums die Umweltgesetzgebung- und Politik in Ecuador gestärkt hat. Auch habe sich das nationale Rechtssystem im Sinne eines größeren Umweltschutzes stetig weiterentwickelt. Mit der neuen Verfassung von 2008 habe diese Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.


Ecuador als Vorreiter

"Durch die neue Verfassung konnten internationale Trends in das Umweltrecht einfließen", so Muñoz. "Außerdem erkennt das Grundgesetz an, dass der Erhalt der Artenvielfalt dem Allgemeinwohl dient und das Recht der Bürger auf eine gesunde Umwelt und ihr Anspruch auf eine Beteiligung an umweltbezogenen Entscheidungen festgeschrieben wurde."

Die Verfassungsreform wirke sich trotz zahlreicher gesetzlicher Mängel positiv auf andere Gesetze und Rechtsvorschriften in Ecuador aus. Nun gehe es darum, den verfassungsrechtlichen Umweltbestimmungen zum Durchbruch zu verhelfen. Gabriela Muñoz räumt ein: "Die Verfassungsreform ist eine Herausforderung für Ecuador. Wir müssen die neuen Rechte nun Wirklichkeit werden lassen. Dann können wir anderen Ländern als Vorbild dienen und unseren Beitrag zur Entwicklung des internationalen Umweltrechts leisten." (Ende/IPS/jb/2011)


Links:
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Ecuador/Welcome.html
http://www.uhemisferios.edu.ec/
http://web.mac.com/tarpitboss/Richards_Site/Welcome.html
http://upsidedownworld.org/main/ecuador-archives-49/1494-ecuadors-constitution-gives-rights-to-nature
http://www.galapagos-inseln.net/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98317

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Juni 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2011