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LATEINAMERIKA/106: Zögerliche Fortschritte im Kampf gegen Treibhausgase (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. April 2015

Lateinamerika: Zögerliche Fortschritte im Kampf gegen Treibhausgase

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Hinterhof im Süden Mexikos nach einem Hagelsturm im August 2014
Bild: © Emilio Godoy/IPS

Mexiko-Stadt, 22. April (IPS) - Lateinamerika tut sich schwer damit, eigene Ziele für die Reduzierung der Treibgasemissionen festzulegen, wie dies den Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im Vorfeld der nächsten Weltklimakonferenz Ende des Jahres abverlangt wird.

Die Zurückhaltung ist in erster Linie auf Ausfälle bei den nationalen Finanzierungsmechanismen zur Finanzierung der freiwilligen Aktionspläne zur Anpassung an den Klimawandel sowie zur Abmilderung und Reduzierung schmutziger Emissionen zurückzuführen.

Als am 31. März dieses Jahres die erste Frist für die Registrierung der national geplanten Treibhausgasminderungsbeiträge (iNDC) ablief, konnte in Lateinamerika lediglich Mexiko seinen Verpflichtungen nachkommen. Auch die Schweiz, die Europäische Union, Norwegen, die USA, Gabun und Russland hatten zu dem Zeitpunkt ihre Pläne eingereicht.

"Die Zeit für die internationalen Verhandlungen und die Debatte darüber, wer für den Klimawandel verantwortlich ist, sollten lateinamerikanische Länder nicht als Entschuldigung für das Ausbleiben von Fortschritten bei der Risikoprävention anführen", sagt María Marta di Paola von der argentinischen Umweltstiftung FARN. Di Paola zufolge wurde der Klimawandel von der Politik in Argentinien in eine Nische verbannt. Unternommen werde nur dann etwas, wenn sich infolge der Klimaveränderungen Überschwemmungen oder Dürren ereigneten.


Brasilien größter Klimasünder Lateinamerikas

Brasilien, der größte regionale Treibhausgasproduzent, emittiert jährlich fast 1,5 Milliarden Tonnen CO2, gefolgt von Mexiko (608 Millionen Tonnen) und Venezuela (401 Millionen Tonnen). Argentinien gibt 180 Millionen Tonnen CO2, Kolumbien 75 Millionen Tonnen und Chile 72 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre ab. Hauptauslöser für die CO2-Emissionen in Lateinamerika ist die Entwaldung im Zuge einer veränderten Landnutzung, von Landwirtschaft, Energieerzeugung und Treibstoffnutzung.

Lateinamerika vertritt in internationalen Foren die Position, dass es eine gemeinsame und zugleich differenzierte Verantwortung für den Klimawandel gibt. Der Kontinent sei besonders anfällig für diese Veränderungen und erlebe intensive Stürme, verheerende Dürren, starke Temperaturschwankungen, einen Anstieg des Meeresspiegels und das Abschmelzen der Anden-Gletscher. Die menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Kosten seien hoch.

Im Rahmen seiner Treibhausgasminderungsbeiträge hat sich Mexiko bis 2030 zu einer Senkung der Emissionen um ein Viertel im Verhältnis zum Stand von 2013 verpflichtet. Dieses Ziel soll durch eine 22-prozentige Verminderung der Treibhausgase und eine 51-prozentige Reduzierung des durch Dieselmotoren und Kohlekraftwerke verursachten Rußes erreicht werden.


Kein 'Fahrplan' zur Erreichung der Emissionssenkungen

Aus dem Klimaaktionsplan geht hervor, dass die CO2-Emissionen im Jahr 2016 ihren Höchststand erreicht haben sollten. Demnach wäre es möglich, den Klimagasausstoß um 40 Prozent zu senken, wenn im Rahmen einer globalen Einigung zusätzliche Finanzmittel und Technologien bereitgestellt würden. Dies betrifft vor allem den Energiesektor, die industrielle Fertigung und den Treibstoffendverbrauch, die Landwirtschaft, die Müllbeseitigung sowie die veränderte Land- und Forstnutzung. Doch gibt es bisher keinen konkreten 'Fahrplan' zur Erreichung dieser Ziele.

"Hierbei kommt es vor allem auf die Herkunft der Finanzmittel, die zwischenstaatliche Koordinierung und die Überbrückung des Mangels an lokalen technischen Fertigkeiten an", sagt Javier Garduño aus dem Mexiko-Büro des unabhängigen Instituts für Transport- und Entwicklungspolitik. "Im Verkehrssektor beispielsweise fehlt ein Rechtsrahmen, der Mobilität mit Nachhaltigkeit verknüpft."

Auf der 19. Vertragsstaatenkonferenz (Cop 19) der Klimarahmenkonvention, die 2013 in Warschau stattfand, wurde beschlossen, dass jeder dieser Staaten bis Oktober 2015 seinen Plan zur Minderung der Treibhausgase einreichen muss, bevor diese Vorschläge auf der COP 21-Konferenz vom 30. November bis 11. Dezember in Paris analysiert werden. Vor der Konferenz wird die UN-Klimarahmenkonvention über die freiwilligen Verpflichtungen berichten und untersuchen, ob diese ausreichend sind, um den CO2-Ausstoß effizient zu begrenzen. Auf dem Gipfel in Paris soll ein neues verbindliches Klimaabkommen verabschiedet werden, das 2020 in Kraft treten soll.


Prozess kommt nur schleppend in Gang

Untersuchungen des in Deutschland ansässigen 'NewClimate Institute for Climate Policy and Global Sustainability' für die UNFCCC und das UN-Entwicklungsprogramm UNDP ergaben, dass von den 13 der in der Studie berücksichtigten lateinamerikanischen und karibischen Staaten 33 Prozent eine nationale Debatte zum Thema begonnen haben. Dies ist der erste Schritt zur Festlegung der Treibhausgasminderungsbeiträge. Weitere 25 Prozent haben bereits mit der technischen Planung begonnen und 17 Prozent treiben eine politische Debatte zum Thema voran. Etwa 17 Prozent der Länder haben jedoch noch nicht mit der Vorbereitung der Maßnahmen begonnen.

Die betreffenden lateinamerikanischen Staaten verfügen nur über begrenzte Fachkenntnisse zur Bewertung der technischen Optionen in einem ohnehin eng gesteckten Zeitrahmen. Sie berichteten außerdem über Probleme bei der Koordination und der Kommunikation zwischen den einzelnen Ministerien der jeweiligen Staaten. In den meisten Ländern wurde kritisiert, dass die Zivilgesellschaft nicht ausreichend in den Prozess einbezogen werde. Chile und Mexiko waren die Ausnahme.


Großer Handlungsbedarf

In den meisten Ländern der Region gelten allerdings bereits Gesetze zum Klimawandel. In Mexiko wurden 2012 Regelungen verabschiedet, die eine Senkung der CO2-Emissionen um 30 Prozent bis 2020 und um 50 Prozent bis 2050 vorschreiben. Zudem müssen Sonderprogramme zum Umgang mit dem Klimawandel geschaffen werden.

Argentinien bereitet derzeit die Dritte Mitteilung zum Klimawandel vor, die der Klimarahmenkonvention vorgelegt werden muss. Seit 2011 ist zudem eine nationale Strategie zum Klimawandel in Arbeit. Chile verfügt seit dem vergangenen Dezember über einen nationalen Plan zur Anpassung an die Klimaveränderungen, mit gezielten Maßnahmen für Wälder, Landwirtschaft, Viehzucht, Artenschutz, Fischerei und Aquakultur sowie für Gesundheit, Infrastruktur, Städte, Tourismus, Energie und Wasserressourcen. Kolumbien ist dabei, seine Strategie zum Klimawandel zu entwerfen, die laut Experten wahrscheinlich auch Angaben zu den Treibhausgasminderungsbeiträgen enthalten wird.

In Argentinien gelten Gesetze zum Schutz der einheimischen Wälder und Gletscher sowie zu erneuerbaren Energien. Ihre Einhaltung werde jedoch kaum kontrolliert, kritisierte di Paola. Die kolumbianische Umweltexpertin Milena Bernal ist der Ansicht, dass für die in diesem Jahr zugesicherten Treibhausgasminderungsbeiträge Mechanismen entworfen werden müssten, die die Erreichung dieser Ziele sicherstellten. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/latin-america-slow-to-pledge-emissions-cuts/

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IPS-Tagesdienst vom 22. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2015

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