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MEER/039: Brasilien - Häufige Haiangriffe im Nordosten, großer Hafen gilt als Ursache (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2011

Brasilien: Häufige Haiangriffe im Nordosten - Großer Hafen gilt als Ursache

von Mario Osava


Recife, Brasilien, 17. Oktober (IPS) - Der verarmte Bundesstaat Pernambuco im Nordosten Brasiliens verdankt dem Hafen von Suape beträchtlichen Wohlstand. Dennoch zeigt der Raubbau an der Natur zunehmend gravierende Auswirkungen. Auch häufen sich Haiangriffe.

Dämme haben zwei von vier Flüssen gestaut, die in die Bucht von Suape, 40 Kilometer südlich der Stadt Recife, münden. Der Bau des Hafens begann 1977 und kam langsam voran. Nur wenige Unternehmen wollten in den Industriekomplex investieren, der am Hafen entstehen sollte.

Nachdem zwischen 1989 und 1991 immer mehr Schiffe in den Hafen eingelaufen waren, begannen Haie an den Stränden von Recife zunehmend Schwimmer und Surfer zu attackieren. Zwischen Juni 1992 und September 2006 wurden 47 Angriffe gemeldet, von denen 17 tödlich verliefen. Das belegt eine Studie von Fabio Hazin, Direktor der Abteilung für Fischerei und Aquakultur an der Bundesagraruniversität von Pernambuco.


Beunruhigend hohe Zahl von Haiangriffen

Experten halten die Zahl der Angriffe an einem Küstenstreifen von lediglich 20 Kilometern Länge für alarmierend hoch. Der weltweite Durchschnitt liegt bei weniger als 100 im Jahr. Die meisten Haiattacken ereignen sich in Australien, den USA und Südafrika.

In Recife hatten Haie früher nie Menschen angegriffen. Dass die steigende Zahl von Surfern die Tiere reizen könnte, wird ausgeschlossen. Schließlich reiten Wassersportler dort bereits seit den sechziger Jahren mit ihren Brettern über die Wellen. Hazin glaubt auch nicht daran, dass eine Veränderung der Unterwasserlandschaft plötzlich größere Fische in die Nähe der Küste getrieben hat. Das sei ebenfalls nichts Neues, erklärte der Forscher, der das staatliche brasilianische Komitee zur Überwachung von Unfällen mit Haien leitet.

Als Ursache machten Hazin und seine Kollegen vielmehr den Hafen Suape aus. Da Haie oft Schiffen folgen, steigen damit die Risiken für Angriffe in der Nähe von Häfen. Die Zahl der Attacken in Recife stieg laut der Studie sprunghaft, nachdem dort mehr als 30 Schiffe täglich vor Anker gingen.

Ein weiterer Grund war offenbar das Aufschütten der Mündungen der Flüsse Ipojuca und Merepe in die Bucht von Suape. Auf dem neu gewonnenen Land sollen Hafengebäude und andere Einrichtungen entstehen. Damit war dem Bullenhai, der sich in der Laichzeit in weniger salzhaltige Gewässer zurückzieht, der Zugang zu den Flüssen versperrt.

Die Bullenhai-Population zog daraufhin weiter zur Mündung des Jaboatão-Flusses, der näher bei Recife liegt. Die größere Zahl der Fische in der Region sorgte außerdem dafür, dass sich das Plankton stark verringerte. Hazin zufolge kamen somit weniger Fische und Krustentiere auf der Suche nach Nahrung in diese Gewässer.

In der Tiefwasserrinne zwischen den Stränden von Boa Viagem und Piedade kam es nach Angaben des Wissenschaftlers zu etwa 80 Prozent der untersuchten Haiangriffe. Die besonders aggressiven Bullenhaie wurden vermutlich auch durch die zunehmende Verschmutzung des Jaboatão-Flusses durch Tierblut und -innereien aus Schlachthäusern angezogen.

Der nationalen Behörde für Wasserwege zufolge ist Suape jedoch der umweltverträglichste aller brasilianischen Häfen. Das Gelände umfasst 135 Quadratkilometer Land im Umkreis der Bucht. Fast 60 Prozent des Gebiets steht unter Naturschutz. Insbesondere Europäer hätten das zu schätzen gewusst, sagte Roberto de Abreu e Lima von der Behörde für Wirtschaftsentwicklung (SDEC) in Pernambuco, die für das Management des Hafens zuständig ist.


Naturschutzgebiet ausgeweitet

Zunächst sollten nur 45 Prozent der Zone geschützt werden, sagte de Abreu e Lima IPS. "Wir haben das Naturschutzgebiet jedoch ausgeweitet und ökologische Korridore geschaffen, um die Biodiversität besser zu bewahren." Der Experte räumte zugleich ein, dass Mangroven- und andere Wälder entlang der Flussufer aufgeforstet werden müssten.

Das Zentrum für Umwelttechnologie, das in Partnerschaft mit dem staatlichen Erdölunternehmen Petrobras entstand, soll Wasser, Luft und Böden in dem gesamten Hafengebiet überwachen. Menschliches Eingreifen habe die Meeresökosysteme jedoch schon so geschädigt, dass die Folgen nicht mehr klar einschätzbar seien, merkte Hazin an. Die Haiangriffe seien im Prinzip nur die Spitze des Eisbergs.

Wäre der Naturhafen Suape erst kürzlich gebaut worden, hätte es weit mehr Auflagen gegeben als Ende der 1970er Jahre. Das private Hafenprojekt 'Porto Sul' im Bundesstaat Bahia wurde nach Protesten von Umweltschützern an einen anderen Ort verlegt. Die Gegner sahen Wälder und Mangroven bedroht. Rund 320 Kilometer nördlich der Metropole Rio de Janeiro leisten vertriebene Bauern, Naturschützer und Gemeinden Widerstand gegen den Bau des privaten Açú Superhafens.


Arbeiterunterkünfte statt Hotels

Mitte der 1970er Jahre hatten Intellektuelle in Pernambuco in einem Manifest heftig gegen das Hafenprojekt protestiert. Sie sahen den lokalen Fischfang und die Umwelt gefährdet. Inzwischen wird sogar der Tourismus beeinträchtigt, da Hotels in Unterkünfte für Hafenarbeiter umfunktioniert werden.

Selbst an den benachbarten Stränden von Galinhas, die bei Urlaubern beliebt sind, wird dies sichtbar. Die meisten Hotelbesitzer beschweren sich jedoch nicht, da sie durch die dauerhafte Belegung ihrer Häuser mehr verdienen als früher. Die Preise hätten sich nicht geändert, erklärte Rubia Melo, der in der Gemeinde Cabo de Santo Agostinho für die Verwaltung der natürlichen Ressourcen zuständig ist. Nahegelegene Städte spüren wiederum die zunehmende Umweltverschmutzung durch Tausende Busse und Laster, die Straßen und Autobahnen befahren. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.suape.pe.gov.br/home/index-en.php
http://www.depaq.ufrpe.br/
http://www.antaq.gov.br/Portal/default.asp
http://www2.sdec.pe.gov.br/web/sdec
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105433

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2011