Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


MEER/359: Giganten in Gefahr (WWF Magazin)


WWF Magazin, Ausgabe 3/2019
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Giganten in Gefahr

von Axel Krumsiek und Heike Zidowitz, WWF


Die Riesen des Pazifiks treffen sich besonders gerne um den Seeberg El Copé vor Ecuador. Neben bis zu 20 Meter langen Walhaien und Pottwalen ziehen vor allem Riesenmantas immer mehr Touristen in ihren Bann. Nicht nur deshalb wird der Schutz der Meeresriesen immer dringlicher.


Wer vor der Küste Ecuadors mit dem Boot aufs Meer hinausfährt, kommt meist aus dem Staunen nicht mehr heraus. Buckelwale, Pottwale, Brydewale und andere Meeressäugerarten durchkämmen dort den Ozean auf ihrer Suche nach Nahrung. Dazu gesellen sich häufig gewaltige Walhaie, die größten Fische der Welt. Mit etwas Glück bekommt man auch einen Riesenmanta zu Gesicht, mit bis zu sieben Meter Spannweite die größte Rochenart der Erde. Allein rund um den Unterwasserberg El Copé wurden bereits mehr als 2200 Riesenmantas gezählt, so viele wie in keinem anderen Meeresgebiet.

Harmlose Teufel

Riesenmantas schweben wie Fledermäuse lautlos und elegant durch den Ozean. Ihre Kopfflossen sehen aus wie zwei Hörner, daher bekamen sie auch den Beinamen "Teufelsrochen". Kein Wunder, dass sich die Seefahrer früher Gruselgeschichten über sie erzählten. Dabei sind sie für Menschen harmlos: Sie besitzen keinen Giftstachel wie andere Arten dieser Rochenfamilie und ernähren sich vor allem von Plankton, Garnelen und kleinen Fischen.

Anfang Texteinschub
Manta bedeutet auf Spanisch "Decke". Die Spannweite der Riesenmantas beträgt bis zu sieben Meter. Sie wiegen bis zu zwei Tonnen und leben küstennah in allen tropischen Meeren. Die Weibchen bringen nur alle zwei bis fünf Jahre ein Junges zur Welt. Riesenmantas werden vermutlich bis zu 40 Jahre alt.
Ende Texteinschub

Deshalb sind Riesenmantas gerade am Unterwasserberg El Copé so häufig. Dort strömt kaltes Tiefenwasser nach oben und trifft auf wärmeres Oberflächenwasser. Daher ist dort das Nahrungsangebot für Riesenmantas recht üppig. Entsprechend leicht lassen sie sich beobachten. Von Jahr zu Jahr kommen mehr Besucher, vor allem Tauchtouristen.

Touristen auf Kollisionskurs

Das sichert einheimischen Touranbietern gute Einkommen. Doch oft kommen die Taucher den Tieren zu nahe. Und immer mehr Tauchboote gefährden zunehmend die Meeresriesen. Weil die Schiffe häufig zu nah an sie heranfahren, kollidieren immer wieder Wale, Riesenmantas oder Walhaie mit Schiffsschrauben, verletzen sich und verenden qualvoll.

Auch der Frachtverkehr hat massiv zugenommen. Riesige Transportschiffe durchqueren Tag und Nacht den Lebensraum der Giganten am El Copé, denn der nahe liegende Hafen von Ecuadors größter Stadt Guayaquil ist ein internationaler Umschlagplatz von Waren und Gütern. Hinzu kommt die Fischerei: Ähnlich wie Wale landen die geschützten Riesenmantas immer wieder als Beifang in den Schleppnetzen der Fischereiflotten. Darüber hinaus werden Mantas in Ecuador illegal gefangen, um ihre Kiemenplatten als sogenannte traditionelle Medizin auf ostasiatischen Märkten zu verkaufen. Ihnen werden heilende Kräfte gegen allerlei Krankheiten zugesprochen. Dabei ist der Konsum der Kiemenplatten weder traditionell noch gesund: Untersuchungen zeigen, dass darin oft krebserregende Schwermetalle in hoher Konzentration zu finden sind. Aufgrund all dieser Bedrohungen sind die Populationen rückläufig. Mantarochen werden deshalb von der Weltnaturschutzunion (IUCN) weltweit als gefährdet eingestuft.

Seltene Mantababys

Riesenmantas sind bereits von Natur aus sehr anfällig gegen menschliche Eingriffe. Es braucht etwa 13 Monate, bis eine Mantamutter meist nur ein einziges, rund zehn Kilogramm schweres Jungtier auf die Welt bringt - und das auch nur alle zwei bis fünf Jahre. Junge Riesenmantas wachsen zudem nur sehr langsam heran. Männchen werden erst mit neun, Weibchen sogar erst mit 15 Jahren geschlechtsreif.

Mehr Meereskorridore

Dass der Schiffsverkehr reduziert und der gesamte Lebensraum von Riesenmantas, Walen und Walhaien im östlichen tropischen Pazifik zur generellen Schutzzone erklärt wird, ist unwahrscheinlich. Deshalb v#erfolgt der WWF das realistischere Ziel, Meeresschutz und wirtschaftliche Interessen der Menschen in Ecuador besser in Einklang zu bringen.

Mitarbeiter des WWF haben dazu seit 2017 einige Mantas mit Satellitensendern ausgestattet, um mehr über ihr Vorkommen und ihre Bewegungsmuster zu erfahren. Erstes Ergebnis: Auffallend häufig bewegen sich die Mantas genau in den Fahrtrouten der zahlreichen Frachtschiffe, die den großen Hafen von Guayaquil ansteuern. Der Grund: Ähnlich wie am Bajo del Copé fällt auch der Meeresboden am Ausgang des Golfs von Guayaquil steil in größere Tiefen ab und bietet daher reichlich Nahrung.

Unsere Forschungsergebnisse sollen künftig den zuständigen Behörden helfen, Schutzgebiete und Schiffsverkehr besser abzustimmen. Mit ihnen gemeinsam möchten wir Meereskorridore für Mantarochen und Walhaie festlegen und vor Frachtverkehr und Fischerei schützen. So soll das Risiko für tödliche Kollisionen und versehentlichen Beifang minimiert werden. Zudem erhalten rund 4000 Fischer vom WWF Anleitungen, wie sie sich zum Beispiel in der Nähe großer Meerestiere verhalten sollten und wie sie Riesenmantas ohne Verletzung der Tiere aus dem Netz befreien können. Auch Tourleiter und Tauchlehrer klären wir über Gefahren für die Tiere auf. Nur wer viel über die Giganten des Pazifiks und ihre sensiblen Lebensräume weiß, kann Tiere sowie Ökosysteme nachhaltig bewahren und zugleich von ihnen profitieren.

Ohne Regeln kein Schutz

In den 2015 und 2016 neu geschaffenen Meeresschutzgebieten Cantagallo Machalilla und Bajo del Copé, die als wichtige Sammel- und Durchzugsgebiete der Meeresriesen anerkannt wurden, hilft der WWF, Managementpläne auszuarbeiten. Dort fehlen nämlich bislang konkrete Regeln: Welche menschlichen Aktivitäten sollen dort erlaubt sein, welche nicht? Welchen Einfluss haben Tauchtourismus, Schiffsverkehr und Fischerei auf die Ökosysteme und damit auf die Nahrungskette der Meeresriesen?

Um solche Fragen kümmert sich der WWF mit seinem Projekt "Gigantes del Pacífico", finanziell unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Denn kein Schutzgebiet der Welt kann den bedrohten Arten darin helfen, wenn es kein sinnvolles Management gibt.

*

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Faszinierender Riese
Der Walhai ist so groß wie ein Omnibus und lockt Taucher aus aller Welt in die Gewässer vor Ecuador.

Ungebetene Gäste
Auch Riesenmantas werden durch den wachsenden Unterwassertourismus zunehmend unter Stress gesetzt.

*

Quelle:
WWF Magazin 3/2019, Seite 20 - 23
Herausgeber:
WWF Deutschland
Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin
Tel.: 030/311 777 700
E-Mail: info@wwf.de
Internet: www.wwf.de
 
Die Zeitschrift für Fördermitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang