Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

PROTEST/018: Serbien - Regisseur Kusturica macht gegen Nickelabbau mobil (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2012

Serbien: Regisseur Kusturica macht gegen Nickelabbau mobil - Gesundheitsgefahren befürchtet

von Vesna Peric Zimonjic



Belgrad, 28. September (IPS) - In Serbien ist es zu Massenprotesten gegen staatliche Anreize zur Förderung des Nickelabbaus gekommen. Aufgerufen hat dazu der international bekannte Filmregisseur Emir Kusturica.

Der Streit brach aus, als Bergbauminister Milan Bacevic Anfang des Monats mitteilte, dass in dem fast 11.000 Quadratkilometer großen, staatlich geschützten Mokra-Gora-Nationalpark und in anderen Gebieten im Landesinnern mehr als vier Millionen Tonnen des Minerals lagerten. Mehrere internationale Unternehmen seien an der Förderung interessiert und bereit, rund 1,44 Milliarden US-Dollar zu investieren.

Wie viele andere Staaten in der Region steht auch Serbien infolge der globalen Finanzkrise am Rande eines Bankrotts. Die seit Juli amtierende neue Regierung hat der Bevölkerung einen höheren Lebensstandard und mehr Arbeitsplätze versprochen. Zurzeit liegt die Erwerbslosenrate bei 25,5 Prozent. Die Vorgängerregierung kam in ihrem Armutsbekämpfungsprogramm 2011 zu dem Ergebnis, dass 13,2 Prozent aller Serben unterhalb der Armutsgrenze leben.

Die Hoffnungen der Regierung ruhen nun auf ausländischen Investoren, denen vor allem im Bereich der Nickelförderung größere Anreize geboten werden sollen. Nickel wird zur Herstellung von Edelstahl aber auch von Produkten wie Batterien und Computerfestplatten verwendet. Aufgrund der hohen Nachfrage wird Nickel zum Preis von etwa 15.000 Dollar pro Tonne gehandelt.

Obwohl die meisten Serben mit ihrem Einkommen kaum über die Runden kommen, sind sie offenbar nicht bereit, die hohen ökologischen und sozialen Kosten zu akzeptieren, die das Vorhaben mit sich bringt.


Schmutziger Abbau

"Die Technologie zum Abbau von Nickel gehört zu den schmutzigsten der Welt", sagt Vidojko Jovic, der an Fakultät für Geologie der Universität von Belgrad lehrt. Der Prozess sehe die Extraktion des Erzes und die Reinigung mit Schwefelsäure in speziellen Anlagen vor. Daraufhin würden Gase und Wasser freigesetzt, die die Vegetation im Umfeld sowie ober- und unterirdische Quellen verseuchten.

Wie Jovic betonte, gibt es keine saubere Methode der Nickelproduktion. Ein Areal im Umkreis der Minen von 50 bis 100 Kilometern werde kontaminiert. Für die Anwohner bringt die Nickelförderung und - produktion ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich. Auch Allergien, Magen- und Atemwegserkrankungen sind häufig.

Mitte September wurde die breite Öffentlichkeit in dem Land auf das Thema aufmerksam, als Kusturica die 'Gruppe zum Schutz Serbiens' gründete, um die Bevölkerung stärker für die Gefahren durch den Nickelabbau zu sensibilisieren. Kusturica, der auch Direktor des Mokra-Gora-Nationalparks ist, erhielt rasch Unterstützung von den Bürgermeistern der Städte Topola, Arandjelovac und Vrnjacka Banja, die beliebte Tourismusziele und Weinanbaugebiete sind.

Der Regisseur warnte davor, dass die Nickelförderung die im Umkreis der Minen lebenden Menschen gesundheitlich stark schädige. Dem Staat hielt er vor, die Einnahmen aus dem lukrativen Geschäft nicht für die Kommunen verwenden zu wollen. Damit eine Milliarde Dollar verdient werden könne, müssten Millionen Menschen sterben, kritisierte er.

Mehrere Winzer aus den betroffenen Gebieten haben sich der Protestbewegung angeschlossen. "Ich werde keine Grabungen und Untersuchungen nahe meinem Weinberg gestatten", erklärte Boza Aleksandrovic, der eine der größten Weinkellereien in Serbien besitzt. "Die Agrarexporte des Landes sind viel mehr wert als die von Bacevic versprochenen Investitionen", erklärte er. "Die Landwirtschaft ist unser größter Exportschlager."

Wie Jovic erläuterte, haben große Nickelproduzenten wie Kanada zwar hochentwickelte Verfahren zur Nickelextraktion eingeführt. Solche Anlagen könnten aber nicht in den dicht bevölkerten Gebieten und in der Nähe landwirtschaftlicher Nutzflächen betrieben werden.


Medien unterstützen einmütig Protestbewegung

Pläne zur Nickelförderung waren 1996 und 2006 trotz großen Interesses multinationaler Konzerne fallen gelassen worden, nachdem sich die Gesundheits- und Umweltrisiken als zu hoch herausgestellt hatten. Die öffentliche Empörung hatte aber nie das Ausmaß angenommen wie jetzt. In ungewöhnlicher Eintracht unterstützen fast alle Medien des Landes die Protestinitiative.

Serbische Zeitungen und Nachrichten-Websites zeigen Bilder aus der russischen Stadt Norilsk, wo nach fast einem Jahrhundert Nickelförderung ein Ödland entstanden ist. Die großen Medien zitieren außerdem Daten aus aller Welt, die Gesundheitsgefahren durch den Nickelabbau belegen.

Bacevic holte am 21. September zum Gegenschlag aus, als er eine Pressekonferenz abhielt, angeblich um die Bevölkerung zu beruhigen. Er sicherte zu, dass in Serbien nur die allerneuesten Techniken zum Einsatz kämen, die nichts mit den in Norilsk angewendeten Methoden zu tun hätten. Den Medien warf er vor, die Bevölkerung unnötig in Angst und Schrecken zu versetzen. "Das Vorgehen der Medien sowie die Attacken von Einzelpersonen und Lobbys kommen einem Angriff auf die Regierung Serbiens gleich", sagte der Minister.

Um die angeblichen Vorzüge des Nickelabbaus zu demonstrieren, zeigte Bacevic die Schwarzweiß-Fotografie einer Fabrik in Kavadarci in der benachbarten Republik Mazedonien, die der Stadt mit 29.000 Einwohnern durch die Produktion von jährlich 12.000 Tonnen Nickel Wohlstand beschert haben soll. Lokalen Umweltschützern zufolge werden die Menschen in Kavardaci seit Jahrzehnten vergiftet. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:

http://www.ipsnews.net/2012/09/serbians-unite-against-nickel-extraction/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012