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PROTEST/020: Bolivien - Guaraní-Indigene kämpfen um ihre Rechte, Ölförderung schadet Menschen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2012

Bolivien: Guaraní-Indigene kämpfen um ihre Rechte - Ölförderung schadet Menschen

von Pascuala Mena Trigo



Camiri, Bolivien, 20. November (IPS) - Bolivianische Indigene wehren sich gegen den Abbau fossiler Brennstoffe, die im Boden unter ihrem Territorium gefunden wurden. Der Abbau bringt drastische Eingriffe in Leben und Kultur der Menschen mit sich und schadet der Umwelt. Nachdem die Indigenen die Hoffnung verloren haben, dass Präsident Evo Morales von sich aus ihre Situation verbessern wird, haben sie ihren Protest auf die Straße verlegt.

Nun blockieren sie Verkehrswege, besetzen Unternehmenssitze und veranstalten Protestmärsche, um sich bei der Politik und beim staatlichen Ölkonzern Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos (YPFB) Gehör zu verschaffen. Vor allem im Chaco wird protestiert - eine Region im Süden des Landes, die an Paraguay und Argentinien grenzt.

Seit dem 19. Oktober halten Indigene die Ölfördertürme in Caigua im Süden des Departements Tarija an der Grenze zu Argentinien besetzt. Damit wollen sie erreichen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse im Rahmen des geplanten Ausbaus der Öl-Pipeline und anderer Infrastruktur Beachtung finden. Cesar Aguila zufolge, Präsident des Rates der Guaraní-Anführer in Tarija, würden durch die Ausbaupläne 400 Familien ihre Felder verlieren, auf denen sie Landwirtschaft betreiben. Darüber hinaus sei durch die Ölförderung bereits ein Stausee verschmutzt worden, der die anliegenden Indigenen-Gemeinschaften mit Wasser versorge.

Einen Monat zuvor besetzten Indigene eine internationale Verkehrsstraße, die Bolivien mit Argentinien verbindet. An den Protesten im Departement Chuquisaca nahmen unter anderem 27 Guaraní-Anführer teil. Auch damit wollen sie zum Ausdruck bringen, wie sehr sie sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen. Versprechen seitens der Ölförderunternehmen seien nicht eingehalten worden.


Dialog gescheitert

"Eigentlich setzen wir immer auf den Dialog, aber jetzt bleibt uns nichts anderes übrig als auf die Straße zu gehen. Es ist unsere einzige Möglichkeit, zu zeigen, dass es uns gibt und dass auch wir Bedürfnisse haben", sagt Faustino Flores, Präsident der Versammlung des Guaraní-Volkes (APG).

Den Indigenen zufolge verletzt die staatliche Ölfirma YPFB nationale sowie internationale Rechte, nach denen die Menschen, die in der Nähe von Ölförderungsprojekten leben, in die Planungsphase miteinbezogen werden müssen. Dies sehe zum einen die bolivianische Verfassung von 2009 vor, zum anderen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO.

Rund 300.000 Menschen leben im bolivianischen Chaco, 84.000 davon sind Indigene. Die meisten sind Guaraní, die übrigen Weenhayek und Tapiete. Offiziellen Statistiken zufolge leben 75 Prozent der Indigenen im Chaco unterhalb der Armutsgrenze.

Um politisches Gewicht zu erhalten und ihre Rechte besser vertreten zu können, gründeten die Indigenen 1987 die APG. Sie hofften, damit ihre Lebensbedingungen in allen Bereichen verbessern zu können: Gesundheit, Bildung, Befriedigung der Grundbedürfnisse. Auch wollten sie über die künftige Entwicklung ihres angestammten Territoriums ein Mitspracherecht erhalten.

Als Evo Morales, selbst ein Indigener des Aymara-Volkes, im bolivianischen Altiplano, 2006 Präsident wurde, setzten auch die Guaraní große Hoffnungen in ihn. Im selben Jahr, in dem er sein Amt antrat, ließ er die Ölförderung verstaatlichen. Die YPFB übernahm daraufhin die Kontrolle über die kompletten, bereits erschlossenen Ölfelder im Land. Doch für Faustino Flores wurde die anfängliche Hoffnung sehr schnell zur Enttäuschung: "Wir haben durch die Verstaatlichung kein bisschen profitiert." Die Indigenen seien noch immer arm und hätten teilweise nicht einmal elektrisches Licht, sondern müssten ihre Hütten mit Kerzenschein und offenem Feuer erhellen.


Indigene wollen Anteil an Lizenzgebühren

Um wenigstens ein kleines bisschen von der Ölförderung zu profitieren, hat die APG beantragt, dass fünf Prozent der Lizenzgebühren, die die Ölförderunternehmen abgeben müssen, an einen Entwicklungsfonds für Indigene (FDI) gezahlt werden. Davon sollen Sozialprogramme finanziert werden wie eine Altersrente. Die Regierung habe sich mit der Idee befasst, und mit Vertretern der Indigenen gesprochen. Doch bisher, so Flores, haben sich daraus keine tatsächlichen Verbesserungen für die Indigenen ergeben.

Der Fonds existiert, doch laut Flores sind nicht nur geringe Ressourcen das Problem, sondern auch eine ungerechte Verteilung der Gelder. Die Verteilung geschehe in La Paz, wo der Fonds seinen Sitz habe. Nur elf Prozent der Gelder gehen nach Schätzungen von Faustino Flores an die Indigenen im bolivianischen Flachland. Der Rest werde an die Bewohner des Altiplano verteilt. Ein Teil verschwinde auch in den Taschen von Bauern, die keiner der indigenen Gruppen angehören.

Neben den sozialen Auswirkungen hat die Ölförderung darüber hinaus negative ökologische Folgen. "Die Ölfirmen haben das Ökosystem angegriffen; sie haben die Flüsse verschmutzt und die Flora und Fauna kontaminiert", sagt Flores. (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2012