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PROTEST/063: Argentinien - Proteste gegen Monsanto, "Das Monster schwebt dicht über uns" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Dezember 2013

Argentinien: Proteste gegen Monsanto - 'Das Monster schwebt dicht über uns'

von Fabiana Frayssinet


Bild: © https://www.facebook.com/photo.php?v=1411014679135569

Soldaten am Eingang des Geländes in Malvinas Argentinas, auf dem die unerwünschte Fabrik entstehen soll
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Malvinas Argentinas, Córdoba, Argentinien, 4. Dezember (IPS) - Die Einwohner von Malvinas Argentinas, einem Vorort der zentralargentinischen Stadt Córdoba, haben lange Zeit still gehalten - trotz der gesundheitlichen Probleme, die sie auf das Herbizid Glyphosat des Herstellers Monsanto zurückführen. Doch seit bekannt geworden ist, dass der Agrartechnologiekonzern hier seine weltgrößte Gensaatgutfabrik hochziehen will, ist es mit der Geduld vorbei.

Der Erfinder von Glyphosat, das unter dem Handelsnamen 'Roundup' vertrieben wird, gehört zu den weltweit führenden Herstellern von genmanipuliertem Saatgut. Jetzt möchte Monsanto ab kommenden März mit der Produktion von Gensaatgut im verarmten, 15.000 Einwohner zählenden Malvinas Argentinas beginnen. Der Vorort liegt 17 Kilometer östlich von Córdoba, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Doch Proteste und Rechtsmittel von Seiten der lokalen Bevölkerung haben das Vorhaben zum Erliegen gebracht. Auch wird die Zufahrt zu dem Baugelände seit dem 18. September blockiert.

Ein über Facebook verbreitetes Videos zeigt, wie am 30. November Soldaten etliche Laster von dem Gelände eskortierten, die sich zwei Tage zuvor gewaltsam die Zufahrt erzwungen hatten. Bei dem Überfall von Mitgliedern der Bauarbeitergewerkschaft auf die Lager der Demonstranten wurden mehr als 20 Personen verletzt. Die meisten Fabrikgegner sind Frauen, die weder einer Umweltorganisation noch einer politischen Partei angehören.

In Malvinas Argentinas, einem der ärmsten Bezirke der Provinz, wissen alle um die Atemprobleme und Allergien, die auf die landwirtschaftlichen Sprüheinsätze in der Region in zurückgeführt werden. Córdoba gehört zu den größten Herstellern von transgenem Soja in dem südamerikanischen Land, dem drittgrößten Sojaproduzenten der Welt. Ärzte haben den Anstieg von Krebserkrankungen und Geburtsdefekten bestätigt. Doch erst die Pläne von Monsanto, die Saatgutfabrik hier zu bauen, brachte das Fass zum Überlaufen.


Angst um die Gesundheit

"Ich nehme an den Protesten teil, weil ich Angst habe, dass wir krank werden und sterben", sagte eine der Gegnerinnen im IPS-Gespräch. "Mein Sohn ist schon krank, und wenn Monsanto kommt, wird sich die Lage verschlimmern", fügte sie am Rande eines Protestmarsches Mitte November hinzu. Der 13-Jährige leidet an einer Stirnhöhlenentzündung und blutet aus der Nase. "Hier in Malvinas Argentinas gibt es viele Menschen mit ähnlichen Symptomen", versicherte die Mutter.

Bei den meisten Sprühaktionen wird das Unkrautvernichtungsmittel Roundup verwendet. Nach Angaben des 'Universitären Netzwerks für Umwelt und Gesundheit - Ärzte in verätzten Städten' werden fast 22 Millionen Hektar Soja, Mais und andere transgene Agrarpflanzen in zwölf der 23 argentinischen Provinzen, in deren Dörfern zwölf Millionen Menschen leben, mit Glyphosat besprüht.

Auch Eli Leiria hatte an dem Protestmarsch teilgenommen. Sie verliert ständig an Gewicht. Ärzte haben in ihrem Blut Glyphosat festgestellt. "Sie sagen, dass das Glyphosat wie ein Tornado in meinem Blut wütet", berichtete sie.

Der Biologe Raúl Montenegro von der Nationalen Universität von Córdoba, der 2004 den alternativen Nobelpreis erhalten hat, wirft den Behörden vor, die Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen den zunehmenden Gesundheitsproblemen und den eingesetzten Pestiziden unterlassen zu haben.

Ebenso wenig komme es zu einer angemessenen Untersuchung der Glyphosatwerte im menschlichen Blut und der Verseuchung der Wassertanks, erklärte Montenegro, der der Umweltstiftung FUNAM vorsitzt. "Solche Versäumnisse machen Argentinien und Brasilien für Unternehmen wie Monsanto zu Paradiesen", fügte er hinzu. "Die staatlichen Behörden fällten ihre Entscheidungen meist nur auf der Grundlage technischer Berichte und Angaben der Unternehmen selbst."

2009 hatte die argentinische Präsidentin Cristina Fernández die Nationale Kommission zur Erforschung von Agrochemikalien geschaffen, die die Auswirkungen der Substanzen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt untersuchen, verhindern und behandeln sollten.


"Hergestellt werden Gifte"

"Eine Fabrik, die genetisch verändertes Saatgut produziert, ist keine Bäckerei. Hergestellt werden Gifte", kommentierte der Lehrer Matías Marizza von der lokalen Vereinigung 'Kampf ums Leben'.

Montenegro zufolge hat die Umweltbehörde von Córdoba dem Bau der Fabrik zugestimmt, ohne die Untersuchungen einer unabhängigen interdisziplinären Kommission zu berücksichtigen. Im Fall transgener Saaten wirkten "externe Pestizide", die auf die Felder ausgebracht werden, und "innere" Gifte wie das in den Monsanto-Mais MON810 GM eingeschleuste Cry1Ab-Protein. In Kanada habe man im Blut von schwangeren und nicht-schwangeren Frauen das Insektizidprotein entdeckt, fügte der Biologe hinzu. Dadurch sei die Behauptung von Monsanto widerlegt, dass das Protein im Darmtrakt abgebaut werde.

Wie aus einer Studie des Universitätsnetzwerks hervorgeht, wird das in Malvinas Argentinas von Monsanto produzierte Saatgut mit Substanzen wie Propoxur, Deltamethrin, Pirimiphos-methyl, Trifloxystrobin, Ipconazol, Metalaxyl und Clothianidin imprägniert. Clothianidin ist ein in der Europäischen Union verbotenes Insektizid.

Bisher wird der Zugang zu dem Fabrikgelände durch fünf Protestlager verhindert. Männer und Frauen, oftmals zusammen mit ihren Kindern, wechseln sich ab, um auf die Ankunft der Lkws vorbereitet zu sein. Wie die fünffache Mutter Daniela Pérez gegenüber IPS berichtete, war Malvinas Argentinas einst eine ruhige Stadt, wo sich die Menschen schlimmstenfalls mit dem Problem nicht asphaltierter Straßen auseinandersetzen mussten.

Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Ein Junge, der an einem Protest gegen Monsanto in Malvinas Argentinas teilnimmt
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Soledad Escobar hat vier Kinder, die die Schule in nächster Nähe zu dem geplanten Fabrikstandort besuchen. "Mich beunruhigen die Silos und die Chemikalien, die dort produziert werden", sagte sie. "Der Klimawandel hat dazu geführt, dass hier im ganzen Jahr der Wind geht. Die Schule liegt gleich neben der geplanten Anlage, und unser Haus gegenüber."

Auch Beba Figueroa nimmt an den Demonstrationen teil. "Was die Fernsehanstalten und Zeitungen bringen, dass wir politischen Parteien angehören, ist Unsinn. Wir sind Mütter, die sich um ihre Kinder sorgen", erklärte sie. Den Demonstranten zufolge haben viele Gegner des Projekts aus Angst, ihre Jobs in den Behörden oder ihre Sozialleistungen zu verlieren, nicht an der Kundgebung teilgenommen, die zum Teil wie eine Karnevalveranstaltung anmutete.

Eine Umfrage zweier Universitäten und des Nationalen wissenschaftlichen und technischen Forschungsrates (CONICET) hat ergeben, dass 87 Prozent der Einwohner von Malvinas Argentinas für einen Volksentscheid in der Frage der Monsanto-Fabrik sind. 58 Prozent der Befragten sprachen sich gegen die Anlage aus.

Weder die Provinzregierung noch das Unternehmen waren zu einer Stellungnahme gegenüber IPS bereit. Auf seiner Webseite versichert Monsanto, einer "nachhaltigen Landwirtschaft" verpflichtet zu sein. Einer im September verbreiteten Mitteilung zufolge hat der Konzern die erforderlichen Genehmigungen von den Behörden in Malvinas Argentinas erhalten, und eine Umweltverträglichkeitsstudie soll von der Provinzregierung durchgesehen worden sein.


Monsanto sieht sich als Opfer

Monsanto betrachtet sich selbst als Opfer "(...) schmutziger Kampagnen, durch die technische Daten manipuliert werden sollen, um im Namen des Umweltschutzes Angst (...) und Lügen zu verbreiten, die falschen Interessen dienen".

Im April hatte ein Provinzgericht die Klage zugunsten von Schutzmaßnahmen abgelehnt, die Anrainer in dem Versuch, den Bau der Fabrik in ihrer Stadt zu verhindern, eingereicht hatten. In den letzten Monaten ging die Polizei dann bei mehreren Anlässen gewaltsam gegen die Demonstranten vor, die nach eigenen Angaben Drohungen erhalten haben.

Malvinas Argentinas ist Teil einer zunehmenden globalen Bewegung gegen Monsanto. Den Protesten in dem Bezirk haben sich an die 8.000 Menschen angeschlossen, wie Marizza berichtet. "Und das ist auch kein Wunder", sagte er. "Das Monster schwebt dicht über uns." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

https://www.facebook.com/photo.php?v=1411014679135569
http://www.march-against-monsanto.com/
http://www.monsanto.com/global/ar/nuestros-compromisos/pages/planta-malvinas-argentinas.aspx
http://www.ipsnews.net/2013/12/argentine-protesters-vs-monsanto-monster-right-top-us/
http://www.ipsnoticias.net/2013/11/argentinos-versus-monsanto-tenemos-el-monstruo-encima/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2013