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WALD/056: Waldforschung in Äthiopien (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
Ausgabe 1, Mai 2011

Waldforschung in Äthiopien

Naturwaldverjüngung unter Exoten

von Erwin Beck und Simone Strobl


Seit 2001 forschen deutsche Bodenkundler, Dendrologen, Pflanzenphysiologen und Forstwissenschaftler zusammen mit Kollegen aus den Biowissenschaften der Universität von Addis Abeba und des Forestry College in Wondogenet in einem der wenigen, noch verbliebenen zusammenhängenden Waldgebiete Südostäthiopiens, dem Sheshamene-Munessa Wald (23.000 Hektar) am Ostabhang des ostafrikanischen Grabenbruchs. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die das Verbundprojekt unterstützt, hat Mittel für den Bau einer Forschungsstation auf 2.280 Metern Meereshöhe zur Verfügung gestellt, die weitab von Wasser und Strom auf einer Waldlichtung im Jahre 2004 erbaut und von der Universität Addis Abeba eingerichtet wurde. Die Station hat 18 Schlafplätze, einen Tagungsraum, ein Labor mit Bibliothek, Küche und sanitäre Einrichtungen, die mit gesammeltem Regenwasser betrieben werden. Der steile, unbefestigte Weg zum nächsten Ort ist in der Regenzeit selbst für Fahrzeuge mit Vierradantrieb und Differentialsperre nur schwer zu bewältigen.

Sieht man von eventuellen Versorgungsengpässen ab, so ist die Station für Forschungszwecke ideal gelegen, am Schnittpunkt von vier verschiedenen Waldtypen (Abb. 1): dem natürlichen, vorwiegend immergrünen Podocarpus-Bergwald, und dreier Forste, nämlich einer Eucalyptus-Plantage (E. globulus und saligna), einem Bestand der langnadeligen Pinus patula und einer Zypressenpflanzung (Cupressus lusitanica). Die Forste, die mittlerweile 30 % des gesamten Waldgebiets ausmachen, werden von dem unter der Provinzregierung stehenden Sheshamene Wood Enterprise mit einem stationären und vier mobilen Sägewerken aus der Väterzeit bewirtschaftet. Die drei Forsttypen halten einem Vergleich mit einem deutschen Wirtschaftsforst nicht Stand, äthiopische Forstwirtschaft baut auf anderen Erfahrungen und Betriebsweisen auf. Andererseits ist der von bis zu 50 Meter hohen Steineiben (Podocarpus falcatus), Ölbäumen (Olea europaea in verschiedenen Unterarten), dem afrikanischen Kirschbaum (Prunus africana) und einigen weiteren immergrünen tropischen Baumriesen gekrönte Naturwald weniger urwaldähnlich (Abb. 2), und - sieht man einmal von Dornengerank (Brombeeren) und anderem Stachelzeug (z. B. Maytenus) ab - durch Waldweide stark ausgeräumt, denn die Gegend ist für ein Waldgebiet dicht, zu dicht besiedelt. So ziehen an den Markttagen mit Knüppelholz beladene Eselskarawanen hinunter in den Nachbarort Goljotha, wo Brennholz nach wie vor gefragt ist.

Was und warum forscht man in diesen Wäldern? Der Titel des Forschungsprojekts sagt es: Functional Ecology and Sustainable Management of the Munessa Forest, Ethiopia. Es geht also um vergleichende Ökosystemforschung in den vier Waldtypen und, darauf aufbauend, um nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Arbeiten werden in enger Kooperation der deutschen und äthiopischen Wissenschaftler durchgeführt, die ihrerseits PhD-, MSc- und BSc-Kandidaten einbringen, ebenso wie von deutscher Seite Zuarbeit im Rahmen von Diplom- und Doktorarbeiten geleistet wird. In der Anfangsphase arbeiteten auch noch Biogeographen und Mykorrhizaforscher mit. Dass man mit dem von der Universität Bayreuth ausgehenden Projekt nach Äthiopien ging, hat wie so oft in der Wissenschaft persönliche Gründe. Prof. Fetene, mittlerweile Vizepräsident der Addis Ababa University war als Postdoc längere Zeit am Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie der UBT und hat dabei auch die Kollegen in der Geoökologie kennengelernt. Daraus entwickelten sich mehrere Kooperationsprojekte in Äthiopien, wovon das "Munessa-Projekt" das größte ist. Ebenso gut hätte man entsprechende Bergwälder in anderen ostafrikanischen Ländern studieren können, was wiederum zeigt, dass die erzielten Ergebnisse - mutatis mutandis - nicht nur regionale Bedeutung haben. Hier soll ein Blick auf ein pflanzenphysiologisches Projekt gerichtet werden, das natürlich im Datenaustausch mit allen anderen Projekten steht. Dabei geht es um die Naturverjüngung in den vier Waldtypen.

Während sich der Podocarpus-Wald, der Zypressen- und der Eucalyptus-Forst von selbst verjüngen, ist dies bei den Kiefern trotz reichlicher Zapfenbildung nicht der Fall. Interessanterweise findet man aber in allen vier Waldtypen Jungwuchs der einheimischen wertvollen Steineibe (Podocarpus), im Zypressenforst allerdings nur am lichtdurchdrungenen Waldrand, da die Bäume im Inneren dieses Forstes viel zu dicht stehen und die Lichtstärke für das Aufkommen einer Bodenvegetation nicht ausreicht. Die Dichte der Podocarpus Jungpflanzen ist in den beiden anderen Plantagen größer als im Naturwald, obwohl die Samen von dort oder von vereinzelt stehenden Überhältern ("mother-trees") her durch Tiere eingetragen werden müssen. Erstaunlich ist, dass die jungen Podocarpus-Bäume unter dem Kronendach der exotischen Forstbäume nicht nur zahlreicher sind, sondern offensichtlich besser als im Naturwald gedeihen. Dieser den Erwartungen widersprechende sog. Nurse-Tree-Effect (besser helter-Tree-Effect: Kronendacheffekt) wurde kürzlich in einer Dissertation aufgeklärt. Er beruht hauptsächlich auf den Unterschieden des Lichtklimas unter den verschieden dichten und strukturierten Kronendächern.

Während im Naturwald im Jahresdurchschnitt höchstens 1 % der (photosynthetisch wirksamen) auftreffenden Lichtintensität unter dem Kronendach gemessen wurde, waren es im Kieferforst immerhin 3 % und unter Eucalyptus fast 4 %. Das Licht im Schatten des Kronendachs setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, der diffusen Helligkeit und der durch Lücken des Kronendachs zeitweise einfallenden direkten Strahlung, den sog. Licht- oder Sonnenflecken. Deren Helligkeit beträgt ein Vielfaches des diffusen Lichts. Die photosynthetische Wirksamkeit dieses im Tagesverlauf stark wechselnden Lichtklimas hängt besonders von der Intensität der diffusen Strahlung und der zeitlichen Verteilung und Dauer der Lichtflecken ab. Einen Vergleich der Lichtklimate unter den drei verschiedenen Kronendächern zeigt die Abb. 3a. Die höchste Tagessumme an photosynthetisch wirksamer Strahlung erfährt der Podocarpus-Jungwuchs unter Kiefern, wo auch der Anteil der Lichtflecken am höchsten ist. Die schlechtesten Lichtverhältnisse hat der Jungwuchs im Eucalyptus-Forst mit dem niedrigsten Anteil an Lichtflecken. Das Lichtklima im Naturwald liegt zwischen den beiden Extremen.

Vergleicht man das Lichtklima mit den Photosyntheseleistungen der jungen Podocarpus-Pflanzen, so zeigt sich die gleiche Reihung (Abb. 3b), man sieht aber auch, dass die Lichtflecken in der Summe weniger effektiv sind als das diffuse Licht, da sie oft den Lichtsättigungswert der Photosynthese übersteigen. Während die Photosynthesemessungen den Shelter-Tree-Effect der Kiefern klar erkennen lassen, scheinen die jungen Podocarpus-Bäume unter dem Kronendach der Eucalyptus-Bäume eher in einem ungünstigen Lichtklima zu stehen. Trotzdem ist ihr Stammwachstum gleich oder sogar etwas stärker als das der Vergleichsbäume im Naturwald (Abb. 3c). Wie ist dies zu erklären? In der äthiopischen Forstwirtschaft werden Eucalyptus-Plantagen in etwa sechs- bis zehnjährigem Rhythmus mit Ausnahme von Überhältern zur Naturverjüngung auf Stock gesetzt. Während das Kronendach der Überhälter nur zu 72 % geschlossen ist, und somit relativ viel Strahlung passieren lässt, bildet sich durch den Stockausschlag ein zweites "Kronendach", das in seinem Wachstum den langsamer wachsenden Podocarpus schnell überholt. Durch dieses zweite Kronendach verschlechtert sich das Lichtklima, wie es die Abb. 3a zeigt. In dieser Zeit wachsen die jungen Podocarpus Bäume nicht besser als die im Naturwald. Beim nächsten Schnitt jedoch verbessert sich das Lichtklima dramatisch und der Podocarpus Jungwuchs erfährt einen enormen Wachstumsschub (Abb. 4). Während der Kronendacheffekt unter dem Kronendach von Pinus durch stetig stärkeres Wachstum zustande kommt, resultiert er im Eucalyptus-Forst aus einer stufenweisen Wachstumskurve.

Es ist selbstverständlich, dass auch andere Faktoren, wie geringe Unterschiede im täglichen Temperaturgang und in der relativen Luftfeuchte, sowie im Wassergehalt der Wurzelhorizonte beim Kronendacheffekt mitspielen. Allerdings lassen sich über 70 % des photosynthetischen Kohlenstoffgewinns durch das Lichtklima und nur etwa jeweils 4 % durch Feuchte und Temperatur erklären. Die Arbeit zeigt, dass die weit verbreitete Meinung, dass exotische Plantagen den tropischen Waldökosystemen abträglich sind, nicht generell zutrifft und dass sie als Vorwald für die Renaturierung der Wälder gute Dienste leisten können.


Erwin Beck ist Emeritusprofessor am Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie der UBT.

Simone Strobl ist Doktorandin im Munessa-Projekt am Lehrstuhl Pflanzenphysiologie


Literatur
Strobl S, Fetene M, Beck E (2011) Analysis of the "shelter tree-effect" of natural and exotic forest canopies on the growth of young Podocarpus falcatus trees in southern Ethiopia.
Trees DOI: 10.1007/s00468-011-0554-x

Weblink
www.pflanzenphysiologie.uni-bayreuth.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Erwin Beck ist Emeritusprofessor am Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie der UBT
Simone Strobl ist Doktorandin im Munessa-Projekt am Lehrstuhl Pflanzenphysiologie

Abb. 1: Die Lage des Forschungsgebiets (roter Pfeil) am Ostrand des ostafrikanischen Grabens und Satellitenbild des Munessa-Waldes mit den verschiedenen Forstplantagen und dem Naturwald (Bild geändert nach Google Earth 2007)

Abb. 2: Blick in einen Experimentierplot im Naturwald. BayCEER unterstützt die Arbeiten durch Bereitstellung von Gerüstmaterial. So können Messungen im besonnten Teil der Baumkronen durchgeführt werden. Links am Stamm eines Podocarpus ein Messgerät zur Feststellung des Wasserflusses durch den Stamm. Damit kann man den täglichen Wasserverbrauch eines Baums berechnen.

Abb. 3: Einige Messergebnisse zum Kronendach-Effekt in den drei untersuchten Waldtypen.
A: Das durchschnittliche Lichtklima unter dem Kronendach des Naturwaldes, der Kiefern- und der Eucalyptus-Plantage. Man beachte die unterschiedlichen Anteile der Lichtflecken an den Tagessummen der Lichtmenge. PAR bezeichnet die photosynthetisch wirksame Strahlung (Photosynthetically Active Radiation).
B: Der tägliche Kohlenstoffgewinn durch Photosynthese von Podocarpus Jungpflanzen unter den drei Kronendächern. Ein Vergleich der Lichtmengen und der daraus resultierenden CO2-Aufnahme zeigt, dass die Lichtflecken photosynthetisch weniger effektiv sind als die diffuse indirekte Strahlung.
C: Die jährlichen Raten des Stammdickenwachstums. Zur Normierung bezieht man den Durchmesserzuwachs auf den zu Beginn des Messjahres vorhandenen Stammdurchmesser.

Abb. 4: Der Podocarpus-Jungwuchs nach der Entfernung des letzten Eucalyptus Stockaustriebs. Im Hintergrund ein Eucalyptus-Überhälter, rechts ein Podocarpus "Mutterbaum" (Steineiben sind zwei-häusig, d.h. es gibt männliche und weibliche Bäume). Foto E. Beck (2008)


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Quelle:
spektrum, Ausgabe 1, Mai 2011, Seite 24-27
Herausgeber: Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2011