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WALD/135: Harzzapfer gegen Holzfäller (ARA Magazin)


ARA Magazin 19, 2013/14 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Wir geben nicht auf!

Harzzapfer gegen Holzfäller



Prey Long ist der größte zusammenhängende Tieflandregenwald Kambodschas. Doch unkontrollierte Besiedlung, illegaler Holzeinschlag und die Vergabe von Landkonzessionen sind eine akute Bedrohung. Die traditionelle Bevölkerung hat sich zusammengeschlossen, um ihre Lebensgrundlage zu verteidigen. ARA-Mitarbeiter Wolfgang Kuhlmann konnte sich bei einem Besuch im April von den Erfolgen ihrer Arbeit überzeugen.


Am frühen Morgen sind wir in Phnom Penh aufgebrochen. Nachdem wir die Staus auf den Straßen der Hauptstadt hinter uns gelassen haben, geht es auf der Nationalstraße nach Norden. Rechts und links erstrecken sich ausgedorrte Flächen. Zum Ende der Trockenzeit ist das Schwemmland des Tonle Sap Sees braun und öde. Sobald der Regen einsetzt, werden die Bauern mit dem Pflanzen beginnen und wenige Wochen später wird sich das Grün der Reispflanzen bis zum Horizont erstrecken.

Mit Choun Phirom und Marcus Hardtke bin ich auf dem Weg nach Prey Long. Hier arbeitet ARAs kambodschanische Partnerorganisation, die Natural Resources Protection Group (NRPG), mit den Menschen zusammen, die schon seit vielen Generationen am Rand des Großen Waldes leben - denn das bedeutet Prey Long in der Sprache der Kuy.

Die ethnische Minderheit bewohnt ein Gebiet größer als das Saarland, eine Kernzone von etwa 100.000 Hektar ist bis heute nicht besiedelt. Ausgedehnte Sumpfwälder trugen dazu bei, dass der Wald von dem großflächigen Holzeinschlag der neunziger Jahre weitgehend verschont blieb. Allerdings dringen illegaler Holzeinschlag und die Umwandlung in Kautschuk- oder Akazienplantagen immer weiter in das Gebiet vor.

Brennende Wälder

Je näher wir unserem Ziel kommen, umso häufiger sehen wir brennendes Buschland und verkohlte Baumstümpfe. Die wertvollen Bäume wurden vorher gefällt und bei Nacht in ein 50 km entferntes Sägewerk gebracht. Zwar gibt es in Kambodscha seit 2002 ein generelles Einschlagverbot, doch das hat zahlreiche Lücken.

Das Sägewerk wird von einer vietnamesischen Firma betrieben, die eine langjährige Nutzungsgenehmigung für ein 6.155 Hektar großes Gebiet bekommen hat. Sie hat bereits begonnen, den Wald zu roden und Kautschukbäume zu pflanzen. Vorher darf sie das Holz verarbeiten und vermarkten. So wird die Konzession in jedem Fall zu einem lukrativen Geschäft, egal ob die Gummiproduktion später rentabel ist oder nicht. Und dass in diesen und ähnlichen Sägewerken auch Holz verarbeitet wird, das nicht aus dem eigentlichen Konzessionsgebiet stammt, sei gängige Praxis, so berichten uns Informanten.

Sobald es keine größeren Bäume mehr gibt, wird der Rest von Hand gerodet und verbrannt. Landlose Familien aus anderen Teilen des Landes lassen sich dort nieder und versuchen ein Auskommen zu finden. Wir sprechen mit einer sechsköpfigen Familie, die ihre Hütte am Straßenrand gebaut hat. Sie sind seit drei Jahren hier. Die Ernten reichen, um die Familie zu ernähren. Doch es fehlt an Geld, um das Holz zu kaufen, das sie für die vierte Wand ihrer Hütte benötigen.

Baumharz als Lebensgrundlage

Eine Stunde später sind wir in Som Aung, einem Dorf am Rand des Großen Waldes. Die Bewohner sind Mitglieder des Prey Long Netzwerks. Gemeinsam wehren sie sich gegen die Vergabe von Landkonzessionen in dem von ihnen traditionell genutzten Wald.

Mit der Unterstützung von NRPG werden seit einigen Jahren Patrouillen organisiert. Auf den Kontrollgängen werden immer wieder Holzfäller und illegale Rodungen aufgespürt. Obwohl diese Aktivitäten lokal begrenzt sind und häufig ausreichende Mittel fehlen, haben sie sich als äußerst effektiv erwiesen, um die weitere Verschlechterung der Waldqualität aufzuhalten. Für die Dorfbewohner stellt die Nutzung von Nichtholzprodukten eine wichtige Einkommensquelle dar. Entsprechend hoch ist ihre Motivation, sich für den Waldschutz zu engagieren.

Eine besondere Rolle spielt das Zapfen von Baumharz. Ähnlich wie bei der Ernte von Naturkautschuk kann das Harz gesammelt werden, ohne den Baum zu zerstören. Kleine Löcher in Brusthöhe dienen als Auffangbecken und werden etwa alle zwei Wochen kurz ausgebrannt, um den Harzfluss anzuregen. Je nach Jahreszeit und Niederschlag wird das Harz etwa alle zwei Wochen abgeschöpft.

Hochwertiges Baumharz dieser Art hat viele Verwendungszwecke: Regional wird es für die Herstellung von Fackeln und zum Imprägnieren von Booten genutzt, sowie zur Herstellung von traditioneller Medizin. International dient es der Parfümindustrie als Basissubstanz und wird bei der Herstellung von Farben und Lacken eingesetzt.

Die Menge des geernteten Baumharzes richtet sich nach der Anzahl der bewirtschafteten Harzbäume und liegt zwischen 50 und 100 kg pro Familie und Monat. Damit stellt Baumharz auch ein Sicherheitsnetz in wirtschaftlich schwierigen Zeiten dar, wie etwa langen Trockenzeiten oder beim Ausfall von Reisernten.

Der Handel mit Baumharz und die damit verbundenen Nutzungsrechte an den Bäumen sind theoretisch durch das kambodschanische Waldgesetz geschützt. Allerdings werden diese Regelungen oft nur unzureichend durchgesetzt oder in einigen Provinzen von den lokalen Behörden komplett ignoriert. Dies erschwert den Harzhandel und Großhändler können Preise weit unter Marktwert durchsetzen.

So erhalten die Harzzapfer in der Regel nur die Hälfte des Preises, der an den Märkten in den Provinzstädten erzielt werden kann. Begründet wird dies mit hohen Transportkosten sowie Abgaben, die entlang des Transportweges in die Provinzstädte inoffiziell und illegal erhoben werden. Hieran sind unter anderem Mitarbeiter von Forstbehörden, Polizei und Militärpolizei beteiligt.

Neue Chancen durch nachhaltige Nutzung

Dank einer Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) konnte ARA in den vergangenen zwei Jahren ein Projekt durchführen, um die Erträge aus der nachhaltigen Nutzung der Harzbäume zu verbessern.

Im Vordergrund stand dabei die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit der Harzzapfer in der Region. Gemeinsam mit dem Prey Long Netzwerk wurden Workshops durchgeführt, die zum Aufbau regionaler Vereinigungen von Harzzapfern führten.

Um die Harzbäume besser vor illegalem Holzeinschlag zu schützen, wurde gemeinsam mit den Harzzapfern der beteiligten Kommunen eine erste systematische Inventur der genutzten Bäume durchgeführt. Über 1.000 Bäume konnten bisher mit Schildern und Farbe deutlich kenntlich gemacht werden. Markierungen dieser Art haben eine starke Signalwirkung und haben sich in Nachbarländern wie Thailand bewährt. Von besonderer Bedeutung ist, dass hierfür auch die Unterstützung durch die örtlichen buddhistischen Mönche gewonnen werden konnte.

In zwei Distrikten wurden außerdem einfache Gebäude errichtet, die als Sammelstelle für Baumharz und für Ausbildungszwecke genutzt werden. Demnächst sollen hier Methoden zur Weiterverarbeitung, wie etwa die Filterung des Harzes, entwickelt und erprobt werden, um den Marktwert des Harzes zu steigern.

Um ein sicheres Transportsystem aufzubauen, wurden im Rahmen des Projektes ein Kleinlastwagen und ein Boot zur Verfügung gestellt. Die Fahrer der beiden Fahrzeuge sollen in regelmäßigem Kontakt mit dem Projektleiter von NRPG und seinen Mitarbeitern in der Hauptstadt Phnom Penh stehen. Über deren gute Kontakte zu übergeordneten Stellen in der Provinzverwaltung und der Führung von Polizei und Militär soll sichergestellt werden, dass das Einfordern gesetzeswidriger Gebühren durch untergeordnete Dienststellen weitgehend verhindert wird.

Nach dem Tod von Chut Wutty, der bei der Kontrolle von Holzeinschlägen in der Provinz Koh Kong von einem Militärpolizisten erschossen wurde (siehe ARA Magazin 17), konnte dieser Projektteil nicht wie geplant umgesetzt werden. Die Verunsicherung innerhalb seiner Organisation, aber auch innerhalb des Prey Long Netzwerks war so groß, dass viele Aktivitäten für mehr als ein Jahr zum Erliegen kamen. Glücklicherweise haben sich aber mutige Männer und Frauen gefunden, die seine Arbeit fortsetzen wollen.

So konnte sich das Projekt bisher nur auf die "erste Etappe" konzentrieren und den Transport des Harzes zu dezentralen Sammelstellen im Projektgebiet sichern. ARA wird das Engagement für den Schutz von Prey Long weiter unterstützen.

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Späte Ehrung für Chut Wutty

Im September 2013 wurde Chut Wutty posthum mit dem Umwelt- und Menschenrechtspreis der New Yorker Alexander Soros Foundation ausgezeichnet. Chut Wutty war ein überzeugter Umweltschützer. Seine Arbeit deckte auf, wie sich Kambodschas korrupte Elite auf Kosten von indigenen Völkern und dörflichen Gemeinschaften bereichert, indem es ihr Land und ihren Wald an Holzfäller und Agrobusiness verkauft. Am Tag seiner Ermordung zeigte er zwei Journalistinnen die illegalen Operationen einer Holzeinschlagsfirma nahe der thailändischen Grenze.

"Dieser Preis würdigt Chut Wuttys Mut und seinen unermüdlichen Einsatz für Kambodschas indigene Völker und ihre Wälder", sagte Alexander Soros bei der Preisverleihung. "Sein Tod macht uns deutlich, dass alle, die Korruption bekämpfen, auch ihr Leben einsetzen. Es ist entscheidend, das dieser Mord nicht jene mundtot macht, die sich weiterhin extremen Gefahren aussetzen, um ihre Familien, ihr Land und lebenswichtige Ökosysteme in Kambodscha und anderswo zu schützen."

Der mit 25.000 Dollar dotierte Preis wurde stellvertretend an das Prey Long Netzwerk übergeben. "Ohne Wald gibt es kein Leben", sagte Kha Sros vom Prey Long Netzwerk. "Unser Netzwerk und unsere Dörfer kämpfen weiter gegen die Menschen, die uns unser Land nehmen, unseren Wald zerstören und unsere Lebensgrundlage vernichten. Aber wir bleiben entschlossen. Wir geben nicht auf, weil wir wissen, wie wichtig Prey Long ist - für Kambodscha und für die Welt. Der Preis wird uns helfen, den Kampf fortzusetzen, nicht nur für uns, sondern für alle."


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Choun Phirom zeigt ein Schild der Forstbehörde, das den Holzeinschlag in diesem Wald verbietet.
- Vielen Siedlern fehlt es am Nötigsten.
- Markierungen und regelmäßige Patrouillen helfen, die Harzbäume zu schützen.
- Mit viel Eigeninitiative wurden die ersten Sammelstellen für Baumharz gebaut.

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Quelle:
ARA Magazin 19, 2013/14, Seite 4 - 7
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
Redaktion: Wolfgang Kuhlmann, Jürgen Wolters
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2014