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WALD/186: Wälder im Süden der USA werden zur Stromproduktion in Europa verbrannt (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2016

Kampf um Land
Lebensgrundlage, Ökosystem, Kapitalanlage

Kampf um Wald
Wälder im Süden der USA werden zur Stromproduktion in Europa verbrannt

von Scot Quaranda


Nach dem Klima-Abkommen von Paris erhalten Waldgebiete rund um die Welt nun endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen und dringend benötigen. Bisher ist die Notwendigkeit der Erhaltung der tropischen Regenwälder, die die weltweiten CO2-Emissionen abmildern können, besonders stark betont worden. Die Wälder der gemäßigten Zonen bleiben unglücklicherweise oft unberücksichtigt. Größere Aufmerksamkeit verdienen besonders die Wälder im Süden der USA. Die Papierindustrie hat diese schon lange als hervorragende Rohstoffquelle entdeckt. Mit dem Anwachsen der Holzpellet-Produktion ist eine neue Bedrohung entstanden, die den Kampf für diese natürlichen Lebensräume nur umso wichtiger macht.


Von den Feuchtwäldern an der Atlantikküste und am Golf von Mexiko über die Kiefern-Eichen-Mischwälder des Piedmont bis hin zu den majestätischen Hartholzwäldern der Appalachen sind die Wälder im Süden Nordamerikas von großer Schönheit, Heimat für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen, und zudem Trinkwasserlieferant und Erholungsraum für Millionen Menschen in der Region.

Die Wälder des amerikanischen Südens beherbergen die größte Süßwasser-Biodiversität der Erde sowie mit über 150 Arten die größte Diversität von Baumarten in Nordamerika. Zudem umfassen sie den größeren Teil der in den USA noch bestehenden Feuchtgebiete, von denen etwa 75 Prozent bewaldet sind.


Wälder als Papier-Rohstoff

Obwohl die benannten Wälder nur etwa 2 Prozent der weltweiten Waldfläche ausmachen, stellen sie einen Löwenanteil der Holz-, Zellstoff- und Papierprodukte bereit, aus ihnen werden fast 20 Prozent der Weltproduktion an Zellstoff- und Papier-Holz gewonnen. Eine wissenschaftliche Analyse von Satellitenbeobachtungen durch die NASA ergab kürzlich, dass diese Wälder viermal so stark durch Holzeinschlag gestört werden wie die Wälder der Amazonasgebiets.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich verschiedene Organisationen in der Region darum bemüht, viele der destruktivsten Verfahren, die auf die Region einwirken, abzuschaffen, darunter Abholzungen in gefährdeten Waldgebieten, großflächiger Kahlschlag, Umwandlung von Waldgebieten in Plantagen sowie den umfassenden Einsatz von toxischen Chemikalien und Düngern in der Waldbewirtschaftung.

Hierbei muss die besondere Situation beachtet werden, dass sich annähernd 90 Prozent der Wälder in den südlichen USA in Privatbesitz befinden und unter keinerlei gesetzlichem Schutz stehen. Privater Landbesitz unterliegt keiner Regulierung, somit liegt die Zukunft unserer Wälder in den Händen einzelner LandbesitzerInnen. Auf seinem eigenen Land kann im Grunde jeder machen, was er will, auch die schlimmsten Methoden der Waldbewirtschaftung können hier zum Einsatz kommen, ohne dass jemand einschreitet. Des Weiteren sind nur 2 Prozent der Wälder in der Region durch das Programm des Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert, so dass nicht einmal Dritte für den Einsatz guter Verfahren garantieren können.


Eine neue Bedrohung der südlichen Wälder

Einige der größten Papierhersteller der Welt haben im Süden der USA ihren Hauptsitz und haben auf die Beendigung der Umnutzung von Boden und der Abholzung bedrohter Waldgebiete hingewirkt. Doch gerade als der Druck auf die Wälder zurückging, entstand eine neue Bedrohung: Die Verbrennung von Holz zur Herstellung von elektrischem Strom.

Im Jahr 2012 wurde der Süden der USA weltweit führend im Export von Holzpellets. Europa, insbesondere Großbritannien, hat seine Nachfrage massiv erhöht. Derzeit exportieren wir über 5 Millionen Tonnen jährlich, Vorausberechnungen gehen von einem Anstieg auf über 35 Millionen Tonnen im Jahr 2020 aus. Neben Großbritannien sind Belgien, Dänemark und die Niederlande führende Importeure.

Täglich werden neue Firmen zur Pellet-Produktion gegründet. Angeführt von Enviva, mittlerweile dem größten Pellet-Hersteller der Welt, werden unsere Wälder abgeholzt, um Europa mit Energie zu versorgen. Seit große europäische Energieversorger wie Drax und E.ON die Nachfrage ankurbeln, sind die Feuchtwälder der Atlantikküste in Gefahr. Diese wertvollen Wälder, die unsere Küsten vor Sturmfluten schützen und Lebensraum für zahllose Pflanzen und Wildtiere bieten, gehen mit alarmierender Geschwindigkeit verloren.

Im Ergebnis werden nun amerikanische Wälder abgeholzt, zu Holzpellets verarbeitet, nach Europa verschifft und dort zur Herstellung von sogenannter erneuerbarer Energie verbrannt. Unglücklicherweise schadet diese neue Industrie nicht nur unseren Wäldern und unserer Biodiversität, sondern auch dem Weltklima und den örtlichen Städten und Gemeinden. Diese neue Entwicklung in der europäischen Energieindustrie basiert also nicht bloß auf einem vollkommen unnachhaltigen Energiemodell, sondern erhöht auch die Belastung der Wälder in anderen Teilen der Welt und macht Landgrabbing - oder in diesem Fall: Rohstoff-Grabbing - zu einem wesentlichen Teil seiner Geschäftsstruktur. Interessanterweise zeigt dieser Fall auch einen neuen Aspekt der Globalisierung: Der globale Norden (hier: Europa) eignet sich Rohstoffe im globalen Norden (hier: USA) an.


Wälder sollten Treibhausgas neutralisieren, nicht produzieren

Die Wälder im Süden der USA nehmen jährlich ungefähr 10 bis 15 Prozent der Treibhausgasemissionen auf. Würden sie erhalten bleiben, wären sie unsere beste Verteidigung gegen den Klimawandel. Unglücklicherweise wird, aufgrund von Lücken in den europäischen Regelungen, das Verheizen von Wäldern zur Stromproduktion als klimaneutral betrachtet.

Eine wissenschaftliche Studie nach der anderen hat dieses Märchen widerlegt. Ganz abgesehen davon, dass zur Herstellung der gleichen Menge Energie durchschnittlich etwa doppelt so viel Holz wie Kohle benötigt wird, verbrennen wir genau die Wälder, die eigentlich unsere CO2-Emissionen aufnehmen und binden sollten. Betrachtet man die Menge Holz, die wir verbrennen müssen, um die Energieleistung von Kohle zu erreichen, so steigern wir die CO2-Emission sogar um über 40 Prozent.

Die europäischen Rechenfehler basieren auf der Vorstellung, dass das Fällen und die Verbrennung eines Baumes bei Nachpflanzung eines neuen Baumes klimaneutral ist. Diese Annahme geht davon aus, dass unsere Wälder die 60 oder mehr Jahre Zeit haben, die nötig sind, um die Menge an Emissionen wieder einzufangen die zuvor aufgenommen worden waren. Jeder, der sich in der Klimawissenschaft auskennt, weiß, dass wir nicht so lange warten können.


Wir müssen Wälder anders bewerten

Während immer deutlicher wird, welche Rolle Wälder für die Bereitstellung von wertvollen Gütern wie sauberen Wassers, sauberer Luft sowie gutbezahlter Arbeitsplätze in der Erholungsbranche und der Holzwarenindustrie spielen, müssen wir uns von den zerstörerischen Methoden der Vergangenheit abwenden, die nun von den Holzpellet-Fabrikanten und großen Energieversorgern wiederholt werden.

Jetzt ist es an der Zeit, nach innovativen Strategien zu suchen, in den Schutz der natürlichen Wälder und die Wiederherstellung der zerstörten Waldgebiete zu investieren. Wir müssen uns von neuen Märkten trennen, die - auf Kosten unserer Wälder, unserer Städte und Gemeinden und unseres Klimas - nur einer Handvoll Firmen nützen.

Das Abholzen und Verbrennen von Bäumen zur Herstellung von Strom ist weder ein Weg in eine CO2-freie Zukunft noch ein Beitrag zur Erreichung größerer Nachhaltigkeit. Die internationalen Verhandlungsführer und politischen Entscheider in der EU müssen eine exakte Klimabilanzierung veranlassen und ihre Berichtsvorgaben an den aktuellen Stand der Forstwissenschaften anpassen.

Wir müssen bestehende Wälder hochschätzen wegen des lebenserhaltenden Nutzens, den sie für den Klima-, den Wasser- und den Unwetterschutz sowie die Biodiversität haben. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse legen ein unleugbares Ergebnis nahe: Die Erhaltung bestehender Wälder überall auf der Welt ist eines der klügsten Dinge, die wir tun können, um einen bewohnbaren Planeten für uns und für kommende Generationen zu sichern.


Der Autor arbeitet als Direktor für Kommunikation bei der Dogwood Alliance, einer Organisation, die für den Schutz der südlichen amerikanischen Wälder eintritt.

Aus dem Englischen von Raphael Ferres.

Erfahren Sie mehr über die südlichen Wälder, die "Unsere Wälder sind kein Brennstoff"-Kampagne und darüber, wie Sie helfen können, die Wälder zu schützen:
http://www.dogwoodalliance.org.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 1/2016, Seite 15-16
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2016

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