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WIRTSCHAFT/006: Rio+20-Konferenz - Fahrplan für nachhaltige Entwicklung lässt auf sich warten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Mai 2011

Umwelt: Chance vertan - Fahrplan für nachhaltige Entwicklung lässt auf sich warten

Von Portia Crowe


New York, 19. Mai (IPS) - Die Vorgespräche für die Rio+20-Konferenz über eine 'grüne' Weltwirtschaft sind nach intensiven Verhandlungen in New York über Verkehr, Chemikalien, Abfallmanagement, Bergbau und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster ergebnislos zu Ende gegangen. So konnten sich die Vertragsstaaten auf der 19. Sitzung der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD-19) vom 2. bis 13. Mai nicht auf einen zehnjährigen Aktionsplan für nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion (10YFP) einigen.

Ins Stocken gerieten die jüngsten Gespräche nach der Weigerung der arabischen Gruppe und der Entwicklungsländer der Gruppe der 77 sowie China, den Entwurf zu unterzeichnen, den der Sitzungsvorsitzende, der Rumäne László Borbély, eingereicht hatte. Anstoß erregte die Textpassage 'Menschen, die unter ausländischer Besatzung leben'.

Die Gegner dieser Redewendung beharrten auf der Bezeichnung, die auf der CSD-17 vereinbart worden war. Westliche Staaten hingegen hielten an der jüngst von der UN-Vollversammlung vereinbarten Wortwahl fest. Auch der Mangel an finanziellen Mitteln für die Umsetzung der in Betracht gezogenen neuen Maßnahmen erwies sich als hinderlich für den 10YFP.

Trotz ihrer Differenzen waren sich die 53 Mitgliedstaaten der UN-Kommission weitgehend über die Notwendigkeit eines solchen Rahmens zugunsten nachhaltiger Konsum- und Produktionsprogramme einig. "Wir brauchen keine Vorträge und keine Textvorlagen mehr. Was wir brauchen sind Zusagen, dass wir die notwendigen Änderungen auch durchführen", sagte der Vertreter des Inselstaates Grenada.


Weichen für Nord-Süd-Annäherung nicht gestellt

Indiens Umweltminister Tishya Chatterjee bemängelte das Schneckentempo bei der Entwicklung des Fahrplans. "Rio+20 bedeutet offenbar nicht 20 Jahre nach Rio, sondern 20 Jahre nach 2012." Chatterjee hatte gehofft, dass der 10YFP auf der Kommissionssitzung unter Dach und Fach gebracht werden könnte.

10YFP war 2002 im südafrikanischen Johannesburg vorgeschlagen worden und sollte auf der CSD-18 und CSD-19 ausgehandelt werden. Der Fahrplan soll konkrete Richtlinien vorgeben, die sowohl Verbraucher als auch Unternehmen auf einen nachhaltigen Kurs einschwenkt.

Der schweizerische Umweltbotschafter Franz Perrez mutmaßte auf dem Treffen, dass die Einwände der G77 gegen den Entwurf vorgeschoben sein könnten. "Die G77 hatte verschiedene Änderungen eingefordert, war aber trotz Zugeständnissen nicht bereit, weiter zu verhandeln", sagte er.

Der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner, hatte sich von einem Zustandekommen des 10YFP ein besseres Verständnis zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten erhofft. Ein 10YFP wäre ein Schritt gewesen, Vertrauen zwischen den Staaten aufzubauen. Er kritisierte die Haltung des Nordens. "Es kann nicht sein, dass die reichen Länder insistieren, dass unser Schiff sinkt, wenn andere Staaten die gleichen Dinge wie sie selbst tun."

Auch der indische Umweltminister sprach von einer verpassten Gelegenheit, Hürden zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern abzubauen. "In den zehn Jahren (des YFP) wäre es einfacher geworden, die bestehenden Nord-Süd-Differenzen auszuräumen", erklärte er. Allerdings hätte er sich gewünscht, "dass die Industriestaaten mit Blick auf den 10YFP in Führung gegangen wären und darauf verzichtet hätten, neue Hürden aufzubauen".


Rückenwind für Individuallösungen

Angesichts der zunehmenden Pattsituationen auf internationaler Ebene gibt es Stimmen, die nach individuellen Lösungen zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung rufen. Am 12. Mai setzte sich eine Expertengruppe mit dem Vorschlag auseinander.

"Wenn Entscheidungen auf UN-Ebene beschlossen werden, müssen sie von den Ländern angenommen und umgesetzt werden. Doch das ist oft nicht der Fall", beklagte Sue Riddlestone von der Umweltorganisation 'BioRegional'. Sie ist deshalb dafür, einzelne Akteure zu befähigen. "Und genau das werden wir in Rio (im Juni 2012) einfordern."

Nach Ansicht von Mohan Munasinghe, Erfinder der 'Millenniumskonsumziele', "müssen wir nicht auf neue Technologien, Gesetze oder Infrastrukturen warten". Seine Initiative spreche ohnehin den Einzelnen und nicht staatliche Institutionen an. Sie richte sich gegen den verschwenderischen Lebensstil der reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung.

"Wir wissen, dass es eine ganze Reihe Dinge gibt, die wir tun können. Wir müssen nur einen Rahmen finden, um die Aktivitäten wahr werden lassen", meinte Tariq Bunari, Leiter der UN-Abteilung für nachhaltige Entwicklung, auf der CSD-19.

Doch noch gibt es ein solches Regelwerk nicht. Dem Schweizer Umweltbotschafter Perrez zufolge werden die diesbezüglichen Gespräche intern weitergehen. So würden einige Kommissionsmitglieder ausloten, ob sich ein 10YFP nicht durch eine Koalition von Willigen realisieren lasse.

"Es liegt in unserer Macht, einen Entwicklungspfad einzuschlagen, der einen ausgewogeneren und nachhaltigeren Umgang mit den Weltressourcen ermöglicht", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit Blick auf die Rio+20-Konferenz. "Wird dürfen keine Zeit verlieren." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.un.org/esa/dsd/csd/csd_csd19.shtml
http://www.uncsd2012.org/rio20/
http://www.un.org/esa/dsd/dsd_aofw_scpp/scpp_tenyearframprog.shtml
http://www.millenniumconsumptiongoals.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55688

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2011