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WIRTSCHAFT/033: Kohleindustrie will sauberer werden - Parallelkonferenz zu Weltklimagesprächen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2013

Klima: Kohleindustrie will sauberer werden - Parallelkonferenz zu Weltklimagesprächen wirbt für Subventionen

von Claudia Ciobanu


Bild: © Claudia Ciobanu/IPS

Proteste vor dem polnischen Wirtschaftsministerium, dem Veranstaltungsort des Kohlegipfels
Bild: © Claudia Ciobanu/IPS

Warschau, 19. November (IPS) - Die durch die internationale Klimapolitik und die verstärkte Förderung der erneuerbaren Energien in Bedrängnis geratene Kohleindustrie hat auf einem Parallelgipfel zu den Klimagesprächen in Warschau für Unterstützung bei der Umstellung auf saubere Technologien geworben. Doch der Kosten-Nutzen-Effekt der Investitionen für eine Modernisierung des Sektors wäre nach Ansicht von Kritikern wenn überhaupt viel zu gering.

Umweltschützer haben den Vorstoß Polens, parallel zu den Weltklimagesprächen in Warschau einen Gipfel zum Thema Kohle und Klima auszurichten, heftig kritisiert. Auch die Teilnahme der Exekutivsekretärin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, an der Veranstaltung, stieß weitgehend auf Unverständnis.

Wie Figueres zur Eröffnung der zweitägigen Kohlekonferenz am 18. November erklärte, muss die Kohleindustrie ihre Klimabilanz erheblich verbessern, um eine Zukunft zu haben. "Inzwischen ist hinreichend bekannt, dass mit weiteren Investitionen in die Kohlekraft nur dann gerechnet werden kann, wenn sich dies mit der Zielsetzung vereinbaren lässt, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten."

Kohle ist der schmutzigste aller fossilen Brennstoffe und nach Angaben der Internationalen Energiebehörde für mehr als 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Auf der Kohlekonferenz stellten das polnische Umweltministerium und der Weltkohleverband jedoch die Argumente zugunsten der Kohlekraft in ihrem 'Warschauer Kommuniqué' zusammen, das sie Figueres aushändigten.

In dem Papier ist die Rede davon, alte und neue Kohlekraftwerke - sofern wirtschaftlich und technisch sinnvoll - mit emissionsarmen Kohleverbrennungstechnologien auszustatten. An die Regierungen ging der Appell, der Industrie bei der Modernisierung der Kraftwerke zu helfen und die Forschung und Entwicklung in diese Richtung zu unterstützen. Die Entwicklungsbanken wurden angehalten, den Ländern des Südens bei der Entwicklung sauberer Kohlekrafttechnologien zu helfen.


Hilferuf

Das Dokument endet mit dem Aufruf, einen Energiesektor zu stützen, der aufgrund der Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas vor allem in Europa und den USA erheblich unter Druck geraten ist. In der EU sind die Einkünfte der Kohleindustrie im Verlauf der letzten Jahre aufgrund eines krisenbedingten Rückgangs der Nachfrage und der zunehmenden Stromversorgung aus Wind- und Sonnenkraft gesunken. Die europäische Staatengemeinschaft will bis 2020 ein Fünftel ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken.

Auf einer globalen Konferenz der Kohleindustrie im Oktober in Berlin war die Krisenstimmung des Sektors greifbar. Betreiber von Kohleminen in Europa beklagten sich über drastische Einbußen und sprachen davon, Anlagen zu schließen und auf die Förderung von Erdgas und erneuerbare Energien umzusteigen.

Im laufenden Jahr haben Weltbank und Europäische Investitionsbank ihre Auflagen zur Förderung von Kohlekraft deutlich verschärft. Die US-Regierung und die nordischen Länder in Europa entschlossen sich zudem, keine auswärtigen Kohleanlagen mehr zu unterstützten.

Polen ist eines der wenigen europäischen Länder, die an ihrer Pro-Kohle-Rhetorik festhalten. Knapp zwei Monate vor der UNFCCC-Vertragsstaatenkonferenz (COP) in Warschau hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sogar erklärt: "Die Zukunft der polnischen Energie liegt sowohl in der Braun- und Steinkohle als auch im Schiefergas. Es gibt Stimmen, die verkünden, dass man auf Kohle verzichten kann. Doch die Energieunabhängigkeit verlangt nicht nur eine Diversifizierung der Energiequellen, sondern auch eine größtmögliche Verwendung der eigenen Ressourcen."

Polen deckt fast 90 Prozent seiner Stromversorgung mit Kohle und ist fest entschlossen, daran nichts zu ändern. So hat der nationale Energieversorger PGE unlängst bekannt gegeben, zusätzlich zu seiner 1.500 Megawatt-Kohleanlage im Südwesten des Landes zwei weitere Kohlekraftwerke zu bauen.


Abhängig von Bürgschaften

Allerdings hatte der PGE-Chef Krzysztof Kilian in diesem Monat gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg erklärt, dass die Betreiber nur dann eine Chance hätten, Verluste zu verhindern, wenn sie sich staatliche Bürgschaften für Preise verschaffen könnten, wie sie britischen Atomstromunternehmen garantiert werden. Dies hieße jedoch, dass der Staat den doppelten Marktpreis zusichern müsste.

Die Kohleindustrie weiß, dass sie nur dann eine Chance hat, wenn sie auf eine Verbesserung ihrer Klimabilanz abhebt. "Diese Konferenz ist nicht der Versuch, von der wichtigen Arbeit der COP-Verhandlungen abzulenken", meinte Milton Catelin, der Geschäftsführer des Weltkohleverbands auf der Konferenz in Warschau. "Wir versuchen Wege zu finden, die es uns ermöglichen, Kohle zu nutzen und gleichzeitig die Kosten der CO2-Emissionen zu verringern wenn nicht gar zu eliminieren."

Diskutiert werden mehrere Möglichkeiten: die CO2-Bindung und Speicherung, die unterirdische Gasifizierung und die Verbesserung der Energieeffizienz der Kraftwerke selbst. Das CCS-Verfahren ('Carbon capture and storage') gilt als größter Hoffnungsschimmer für die Industrie und wurde auch von Figueres in ihrer Rede auf der Kohlekonferenz erwähnt. Es sieht vor, das CO2 gleich im Kraftwerksprozess aufzufangen und für die unterirdische Speicherung vorzubereiten.

Doch trotz größerer Investitionen in diese technologische Entwicklung hat sich die CCS-Technik als kommerziell undurchführbar erwiesen. Im September hatte Norwegen ein großes CCS-Projekt in Mongstad als zu riskant aufgegeben. Der Rechnungshof des Landes beanstandete den Verlust von Investitionen in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar für das CCS-Vorhaben in den Jahren 2005 bis 2012.

Doch auch Möglichkeit zwei, die unterirdische Gasifizierung, hat einen gravierenden Schönheitsfehler. Im Verlauf dieses Prozesses wird nicht nur CO2, sondern das noch klimaschädlichere Methan freigesetzt, dessen Erderwärmungspotenzial um das 23-Fache höher ist als das von CO2. Die unterirdische Gasifizierung würde somit den Einsatz des CCS-Verfahrens erforderlich machen.

Vorschlag drei ist die Verbesserung der Klimaeffizienz von Kohlekraftwerken. Existierende Anlagen sind generell weniger effizient als neue. Doch die Klimaeffizienz zu steigern - 46 Prozent gelten für ein Kohlekraftwerk als bestmöglichstes Ergebnis, bei Gas sind es 60 Prozent - macht angesichts der derzeitigen Energiepreise in Europa keinen Sinn.

Im Gespräch ist ferner die Co-Erzeugung: die Umwandlung der Hitze, die bei der Kohlekraftgewinnung entsteht, in Wärme. Doch in einem solchen Fall müssten die Kraftwerke kleiner sein und in nächster Nachbarschaft zu den Gemeinden gebaut werden, was wiederum auf Widerstand der Bevölkerung stoßen könnte.


"Letztes Aufbäumen"

"Die Tatsache, dass sich die Industrie gerade hier versammelt hat, um die COP für Subventionen zu gewinnen, zeigt, dass sie längst nicht mehr so stark ist, wie sie einmal war", meinte Mona Bricke von der Klimaschutz-Allianz. "Tatsächlich ist das Warschau-Kommuniqué in gewisser Hinsicht ein letztes Aufbäumen."

Bricke zufolge weiß die Branche, dass sie nur dann eine Chance hat, die Mittel für den Bau Aufbau neuer und teurer Kraftwerke aufzutreiben, wenn sie vorgibt, sauber zu werden. "Doch das zu behaupten, ist eine glatte Lüge." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://unfccc.int/2860.php
http://scc.com.pl/konferencje/en/cct/
http://www.worldcoal.org/about-wca/
http://www.worldcoal.org/extract/the-warsaw-communique/
http://www.twnside.org.sg/
http://www.ipsnews.net/2013/11/concerns-over-role-of-cooperates-at-climate-talks/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2013