Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


WIRTSCHAFT/075: Ressourcenverbrauch - Ein gewaltiger "Fußabdruck" schafft globale Probleme (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen

Wirtschaft - 10.08.2016

Ressourcenverbrauch: Ein gewaltiger "Fußabdruck" schafft globale Probleme
Im neuen UNEP-Bericht wird der "Ressourcen-Fußabdruck" der einzelnen Länder berechnet, mit Ergebnissen, die zum Handeln nötigen.

von Frank Kürschner-Pelkmann [1]


70 Milliarden Tonnen Rohstoffe wurden 2010 der Erde entnommen. Darunter sind ebenso Kohle und Öl wie Metalle und landwirtschaftliche Güter. Die Menge ist gewaltig, aber noch beunruhigender ist, wie rasch sie steigt. 1970 wurden nämlich erst 22 Milliarden Tonnen Rohstoffe genutzt, weniger als ein Drittel.

Diese Zahlen gehören zu den vielen Tausend Daten, die einem gerade erschienenen Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP [2] zu entnehmen sind. Man erfährt zum Beispiel, dass ein US-Bürger einen "Fußabdruck" von 25 Tonnen Rohstoffen und anderen materiellen Ressourcen im Jahr hat, ein Afrikaner kommt mit jährlich weniger als 3 Tonnen aus.

Erarbeitet wurde der Bericht "Global Material Flows and Resource Productivity" [3] (Globale Materialströme und Ressourcenproduktivität) von dem internationalen Expertengremium "International Resource Panel" beim UN-Umweltprogramm. Als größte Herausforderung hat sich erwiesen, auch den Ressourcenverbrauch zu berechnen, der in Im- und Exporten der einzelnen Länder "versteckt" ist. Dabei gilt es nicht nur, die Ressourcen zu erfassen, die über Landesgrenzen transportiert werden, sondern auch jene materiellen Ressourcen zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um die exportierten Produkte zu gewinnen, zum Beispiel Eisen aus Eisenerz.

Nur so ist es möglich, jedem Land seinen tatsächlichen "Ressourcen-Fußabruck" zuzuordnen und Veränderungen in den letzten Jahrzehnten sowie Trends für die Zukunft zu erkennen. Auf diese Weise wurde zum Beispiel festgestellt, dass das Bevölkerungswachstum deutlich weniger zum zusätzlichen Ressourcenverbrauch beiträgt als das Konsumverhalten der immer größer werdenden Mittelschichten in Schwellenländern wie China und Indien.

Die Folgen der rasch wachsenden Industrieproduktion in Schwellenländern

Zu den wichtigsten Erkenntnissen im Bericht gehört es, dass die globale Ressourceneffizienz sich von 1990 an kaum erhöht hat und seit dem Jahr 2000 sogar zurückgegangen ist. Heute werden im globalen Durchschnitt mehr Ressourcen benötigt, um eine Einheit des Bruttosozialprodukts herzustellen, als Anfang des Jahrhunderts.

Der Hauptgrund dafür ist, dass die globale industrielle Produktion in erheblichem Umfang aus Industriestaaten wie Japan und den EU-Mitgliedern in bisher deutlich weniger ressourceneffizient arbeitende Staaten wie China und Indien verlagert wurde. Besonders der Wirtschaftsboom in China hat zu einer starken Zunahme des Bedarfs an Eisen, Stahl, Zement, Kohle und anderen Ressourcen geführt. Die chinesische Ressourcennutzung hat sich zwischen 1970 und 2010 verdreizehnfacht. Der ökonomisch begrüßenswerte Prozess der industriellen Entwicklung aufstrebender Länder erweist sich als nachteilig für die globale Umwelt und für das Klima, kann aus dem UNEP-Bericht entnommen werden.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass viele Industriegüter aus diesen Ländern nach Europa und Nordamerika exportiert werden und die dortige Ressourcenbilanz weiter verschlechtern. Insgesamt hat sich die Menge der grenzüberschreitend gehandelten Rohstoffe und anderen materiellen Ressourcen von 1970 bis 2010 vervierfacht.

Ist Wirtschaftswachstum ohne wachsenden Ressourcenverbrauch möglich?

Es wird in dem Bericht ausführlich diskutiert, wie das Wirtschaftswachstum von wachsender Ressourcennutzung abgekoppelt werden kann. Nur so lassen sich die nachhaltigen Entwicklungsziele [4] erreichen. Dafür sind große Investitionen in Forschung und Entwicklung ebenso erforderlich wie gezielte öffentliche Steuerungs- und Finanzierungsinstrumente.

Das Wissenschaftlerteam ist zum Ergebnis gekommen, dass eine drastische Erhöhung der Ressourceneffizienz besonders in den Ländern mit rasch wachsendem Ressourceneinsatz von zentraler Bedeutung ist. Unverzichtbar erscheint es aber auch, die Sozial- und Umweltkosten der Ressourcengewinnung, -verarbeitung und -nutzung auf deren Preis aufzuschlagen.

Auch dann bleiben die Probleme schwierig zu lösen, die dadurch verursacht werden, dass die ärmeren Länder sehr viel mehr Ressourcen benötigen werden, um das Entwicklungsniveau der reichen Länder zu erreichen. Es wird geschätzt, dass bei einer Beibehaltung der gegenwärtigen Produktions- und Konsumstrukturen jeder Einwohner einen Ressourcenverbrauch von 20 bis 30 Tonnen im Jahr haben wird, um den Lebensstandard der Bewohner heutiger Industrieländer zu genießen.

"Das alarmierende Ausmaß, in dem Rohstoffe gegenwärtig extrahiert werden, hat bereits ernste Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Das zeigt, dass die vorherrschenden Produktions- und Konsummuster nicht nachhaltig sind."
Alicia Bárcena Ibarra, Kovorsitzende des "International Resource Panel"


Das wird nicht nur die Verknappung verschiedener Rohstoffe steigern, sondern vor allem die globalen Umwelt- und Klimaprobleme drastisch verschärfen und das Erreichen der Ziele des UN-Klimaabkommens von Paris unmöglich machen. Die Industrieländer werden allerdings schwerlich ihren hohen Lebensstandard und Ressourcenverbrauch für sich beanspruchen können, ihn aber anderen Ländern nicht zugestehen.

Die Gefahren von mehr Ressourcennutzung für das Klima

Im Bericht wird gewarnt: "Eine steigende Nutzung von Ressourcen wird zu Klimawandel, einer stärkeren Versauerung und übermäßige Nährstoffanreicherung der Böden und Gewässer, zunehmenden Verlusten der biologischen Vielfalt, vermehrter Bodenerosion sowie noch mehr Abfall und Luftverschmutzung führen." Es wird vorhergesagt, dass mittel- und langfristig die Umweltverschmutzung, die Degradierung der Ökosysteme und der Klimawandel die Debatte über eine wirksamere und effizientere Nutzung von Ressourcen beherrschen werden.

Die von den Vereinten Nationen propagierte "green economy" wird diese Probleme nur lösen können, wenn sie im Großteil der Länder und vor allem in den reichen und aufstrebenden Ländern umgesetzt wird. Viel Zeit, ist nach der Lektüre des UNEP-Berichtes [5] zu befürchten, bleibt dafür nicht.


"Erdüberlastungstag"

Am 8. August 2016 waren die gesamten nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Dies haben verschiedene Umwelt- und Entwicklungsorganisationen zum Anlass genommen, die Öffentlichkeit mit dem "Erdüberlastungstag" auf den umwelt- und klimaschädlichen Ressourcenverbrauch aufmerksam zu machen, der dringend gesenkt werden muss. Am Brandenburger Tor in Berlin wurden viele kleine Erden als Luftballons aufgeblasen. Sie wurden immer größer und größer - bis sie mit einem lauten Knall zerplatzen. Celia Zoe Wicher von der BUNDjugend [6] beschrieb den Sinn dieser Aktion so: "Unsere Gesellschaft scheint den Knall nicht gehört zu haben: Das Limit ist überschritten, wir leben ab heute für den Rest des Jahres allein auf Kosten der Jungen und künftiger Generationen. Daher wollen wir heute so laut wie möglich sein und Aufmerksamkeit schaffen."

1,6 Erden bräuchte die Weltbevölkerung derzeit, um den weltweiten Bedarf an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern nachhaltig zu decken. "Würden alle Länder weltweit so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,1 Erden notwendig", sagte Julia Otten von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch [7]. In Deutschland werde die Erde vor allem durch die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industrielle Landwirtschaft sowie durch den sehr hohen Flächenanspruch - insbesondere für die Fleischproduktion - überlastet.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
• Wenn Bergbauunternehmen die Rohstoffe ausgebeutet haben, bleibt häufig eine verletzte, zerstörte Landschaft zurück. Und dies ist nur eine besonders deutlich sichtbare Folge der rücksichtslosen Ressourcengewinnung und -nutzung in aller Welt. Die Begrenzung des Klimawandels ist ohne deutlich weniger Ressourcenverbrauch nicht möglich. Foto: UNEP


[1] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/leitbild-impressum/
[2] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/klimaschutz/un-umweltprogramm-unep/
[3] http://unep.org/documents/irp/16-00169_LW_GlobalMaterialFlowsUNEReport_FINAL_160701.pdf
[4] http://menschliche-entwicklung-staerken.dgvn.de/internationale-ziele/ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung-sdgs/
[5] http://unep.org/documents/irp/16-00169_LW_GlobalMaterialFlowsUNEReport_FINAL_160701.pdf
[6] http://www.bundjugend.de/
[7] https://germanwatch.org/de/startseite

*

Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
Wirtschaft - 10.08.2016
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
Zimmerstraße 26 / 27, 10969 Berlin
Telefon: (030) 25 93 75 - 0, Telefax: (030) 25 93 75 - 29
E-Mail: info@dgvn.de
Internet: http://www.klimawandel-bekaempfen.dgvn.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang