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FORSCHUNG/280: Studie prognostiziert bis zu 2,5 Grad Temperaturerhöhung für Berlin (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 150 - Juni/Juli 09
Die Berliner Umweltzeitung

Eisbär in der Strandbar

Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung prognostiziert bis zu 2,5 Grad Temperaturerhöhung für Berlin

Von Amelie Wachner


Symbole des Klimawandels sind ja vor allem dahinschmelzende Eisschollen und Eisbären, die darauf in die arktische Unendlichkeit schwimmen. Doch der Klimawandel hat auch hier in Mitteleuropa deutliche Auswirkungen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat Anfang April eine Studie über die Folgen des Klimawandels für Berlin veröffentlicht: "Klimawandel und Kulturlandschaft Berlin". Auftraggeber waren die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Berliner Forsten, die Berliner Stadtgüter GmbH und die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg. Die Studie basiert auf regionaler Klimamodellierung.

Quintessenz ist, dass die Durchschnittstemperatur in Berlin bis zum Jahr 2050 um 2,5 Grad Celsius zunehmen kann. Dies hat Konsequenzen für die Stadtplanung, die Bewirtschaftung der städtischen Forste, das städtische Wassermanagement und den Agrarsektor. Aber vor allem auch für das Leben in der Stadt.

Die Bewohner Berlins werden sich umstellen müssen. Wärmere und feuchtere Winter und häufigere "tropische Nächte" mit über 20 Grad im Sommer gehören zu den Prognosen des PIK. Besonders im Stadtkern wird das so genannte Urban-Heat-Phänomen zunehmen. Aufgrund der dichten Bebauung wird die Wärme gespeichert und es kommt nachts nicht zur Abkühlung. Stattdessen herrscht stehende Hitze. Auch wird das Stadtklima wahrscheinlich insgesamt trockener sein. Um gegen das Urban- Heat-Phänomen anzugehen, empfehlen die Experten, die Stadt zu begrünen und beispielsweise Dächer zu bepflanzen. Doch bei insgesamt größerer Trockenheit müssten die bepflanzten Flächen intensiv bewässert werden. Langfristige und sorgfältige Planung ist hier wichtig.

Eine Belastung für den Menschen

Auch der Alltag in Berlin wird sich wohl verändern. Allein die Durchschnittstemperaturen im Jahr 2050 liegen merklich näher am südeuropäischen Mittel. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der Berliner zu einer gelasseneren, mediterranen Lebensweise übergehen wird. Laut Einschätzung des PIK wird die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt, Belastungen durch klimatisch bedingten Stress sind wahrscheinlich.

Etwas zynisch gesprochen kann man zwar davon ausgehen, dass die Zahl der Strandbars und Straßencafés zunehmen wird, was für die Gastronomie wirtschaftlich von Vorteil wäre. Aber was passiert mit der ohnehin schon sprichwörtlich guten Laune des Berliners, wenn er nachts vor drückender Hitze nicht schlafen kann? Und wie wird es all den Kindern im Prenzlauer Berg im Winter ergehen, wenn es nicht mehr richtig schneit? Wasser-Ski statt Schlittenfahren?

Und um noch mal auf die Eisbären zurückzukommen, auch Berlin hat ja welche. Wahrscheinlich wird der Temperaturanstieg ihnen nicht so viel ausmachen - in mitteleuropäischen Breiten ist es ihnen ohnehin zu warm. Vielleicht kommt es aber zu einem neuen Verständnis zwischen Mensch und Tier, das dann durch ein temperaturbedingtes Unwohlsein verbunden wäre.

Vor allem das Auftreten extremer Hitze-Ereignisse ist laut Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für die Gesundheit des Menschen gefährlich. Gerade Kinder und ältere Menschen müssen mit größeren gesundheitlichen Risiken rechnen. Einen Vorgeschmack bot bereits der extrem heiße Sommer im Jahr 2003.

Vorbereitungen treffen - Verantwortung übernehmen

Die Szenarien zeigen, Vorbereitung ist wichtig. Jeder Einzelne kann durch Änderungen des eigenen Verhaltens und Einsparungen des CO2- Ausstoßes dazu beitragen, dass die Situation sich nicht zu sehr verschärft. Doch die wirklich unangenehme Wahrheit ist ja die: der Klimawandel passiert bereits. Änderungen des globalen und lokalen Klimas werden faktisch und unwiderruflich eintreten und mit diesen muss umgegangen werden. Entsprechende Forderungen stellt auch der Deutsche Wetterdienst: "Stadtplaner müssen jetzt schon die künftigen Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen", so zitierte die taz Paul Becker vom DWD.

Insofern ist es begrüßenswert, dass die Senatsverwaltung das Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung mit der vorliegenden Studie beauftragt hat. Mögliche Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Stadtplanung wurden hier modelliert und auch Maßnahmen vorgeschlagen, wie mit den Änderungen umgegangen werden kann. Dazu Dr. Hermann Lotze- Campen, Leiter der Studie am PIK: "Vor allem die zunehmenden Klimaschwankungen erfordern integrierte und gut abgestimmte Anpassungsstrategien in den Bereichen Stadtentwicklung, Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft sowie Naturschutz und Landschaftsplanung. Pilotprojekte im Berliner Raum können hierfür einen wichtigen Beitrag leisten."

Insgesamt sollte die Stadtplanung an die neuen Verhältnisse angepasst werden. Hierzu gehört vor allem ein verstärktes Engagement im Bereich ökologisches Bauen. Es gilt, Häuser entsprechend zu begrünen aber auch ihre Wärmedämmung zu verbessern. Außerdem empfiehlt es sich, größere Flächen im Stadtbild frei zu halten. So wird quasi ein "Kamin" geschaffen, aus dem die stehende Hitze entweichen kann. Auch ein entsprechend effizientes Wassermanagement will in die Wege geleitet sein. Laut der PIK-Studie wird Berlin das Wasser trotz höherer Trockenheit nicht ausgehen. Abwechselnde Perioden mit sehr starkem Wasser-Durchfluss aufgrund von Starkregen-Ereignissen und Perioden großer Trockenheit könnten das System aber stark belasten. Die Verantwortlichen sollten gerade im Bereich der Grünflächen- Bewässerung Vorsorge treffen.

Auch die Berliner Wälder bedürfen laut Einschätzung der PIK-Forscher besonderen Schutzes. Sie sind sowohl durch die zunehmende Trockenheit als auch durch die Starkregen-Ereignisse gefährdet. Um dem gegenzusteuern, ist naturnahe Waldbewirtschaftung gefragt. Dazu gehört, die Artenvielfalt zu bewahren und vor allem im Berliner Umland zu erhöhen. Die Bedeutung von Bäumen für den Klimaschutz geht über die Mechanismen der CO2 -Speicherung hinaus. Durch die Wasserverdunstung über die Blätter der Pflanze wird der Wasserkreislauf, auch in trockenen Zeiten, garantiert. Ein dichtes Wurzelnetzwerk beugt der Erosion bei Starkregen-Ereignissen vor.

Fragen der Anpassung an den Klimawandel werden auch die Landwirtschaft in Zukunft stärker beschäftigen. Laut der PIK-Studie wird die Liberalisierung in diesem Sektor wahrscheinlich fortschreiten. Hier liegt es an den Konsumenten, durch ihr Kaufverhalten für einen Schub in Richtung ökologischer Landwirtschaft zu sorgen. Noch sitzen keine Eisbären und Pinguine in der Strandbar, doch der Wandel tritt bereits ein. Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat Voraussicht bewiesen, als sie die Studie in Auftrag gab. Nun liegt es an ihr, aber auch an den Berliner Bürgerinnen und Bürgern, mit den Ergebnissen verantwortungsbewusst umzugehen.

www.pik-potsdam.de/aktuelles www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/schattige-zonen-gegen-hitzewellen

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
• Strandbar in Berlin-Mitte - bisher keine Eisbären in Sicht
• Zunahme der sommerlichen Outdoor-Gastronomie durch Klimawandel


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 150, Juni/Juli 09
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2009