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FORSCHUNG/407: Wer mit wem und wo am Ostseeboden? (idw)


Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 20.06.2016

Wer mit wem und wo am Ostseeboden?

Biologen des IOW präsentieren Resultat einer umfassenden Inventur


Im ICES Journal of Marine Science veröffentlichte kürzlich ein Team um die Wissenschaftler Mayya Gogina und Michael Zettler aus dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung erstmalig einen Überblick über die Verbreitung der Gemeinschaften des so genannten Makrozoobenthos in der gesamten Ostsee. Anhand der Häufigkeit der Arten an über 7.000 Stationen identifizierten sie 10 Haupt-Gemeinschaften. Besonders häufig ist eine Gemeinschaft aus Monoporeia affinis (am Boden lebender Flohkrebs), Marenzelleria spp. (im Boden lebender Wurm) und Macoma balthica (Baltische Plattmuschel). Sie dominieren den Ostseeboden nördlich des Bornholm-Beckens - ein Areal, das circa 60% des Gesamtgebietes ausmacht.


Grafik: © IOW, M. Gogina

Karte zur Verbreitung der 17 häufigsten Lebensgemeinschaften des Makrozoobenthos, basierend auf der Biomasse der vorkommenden Arten
Grafik: © IOW, M. Gogina

© IOW, M. Gogina

Legende zur Karte
© IOW, M. Gogina

In Sauerstoffmangel-Gebieten, wie den tiefen Becken der zentralen Ostsee, waren erwartungsgemäß kaum benthische Gemeinschaften vorhanden. Wesentlich vielfältiger sieht das Bild mit steigendem Salzgehalt in der westlichen Ostsee aus. Die taxonomische Vielfalt steigt an und die Gemeinschaften grenzten sich kleinräumiger ab. Für die Gesamtanalyse wurden mehr als 1.000 taxonomische Einheiten einbezogen.

Ergänzend zu diesen Studien ermittelten Mayya Gogina und das Team, wie sich das Bild ändert, wenn man anstatt der Häufigkeit einzelner Arten ihren Anteil an der Gesamt-Biomasse einer Station berücksichtigt. Das Ergebnis ist etwas differenzierter: anstatt 10 finden sich anhand dieser Betrachtung 17 Hauptgemeinschaften in der Ostsee. Die nach dieser Charakterisierung ermittelte häufigste Gemeinschaft am Ostseeboden sieht etwas anders aus: neben Macoma balthica und Monoporeia affinis umfasst sie auch eine weitere Flohkrebs- sowie eine Priapswurm-Art und die Ostsee-Riesenassel (Saduria entomon). Mit einer Körpergröße von bis zu 9 cm wirkt sie sich neben den benachbarten kleineren Arten natürlich auf die Biomasse einer Probe aus, auch wenn von ihr nur wenige Individuen auftreten.

Das hier im Zentrum stehende Makrozoobenthos umfasst alle am Boden von Gewässern lebenden Tiere die größer als 1 Millimeter sind. Sie übernehmen für das Gesamtsystem wichtige Aufgaben: einige von ihnen durchwühlen den Meeresboden und vergraben dabei Ablagerungen. Sie können auf diese Art und Weise dem System Schadstoffe entziehen. Andere, die so genannten Filtrierer, entnehmen dem Wasser Schwebstoffe und sorgen so für mehr Licht. Mit 2.035 Arten nimmt das Makrozoobenthos im Artenspektrum der Ostsee auch Zahlen-mäßig eine wichtige Rolle ein. Durch offshore-Bautätigkeiten sind die benthischen Gemeinschaften immer besonders betroffen, deshalb ist es wichtig, einen Überblick über ihre Verteilung und Funktion zu bekommen. Mayya Gogina beschreibt die Nutzer ihrer Arbeit: "Mit unserer Studie bieten wir grundlegende Informationen zur Verteilung der Makrofauna in der gesamten Ostsee als Management-Werkzeug für die marine Raumplanung oder die Fischerei an."

Für die Studie wurden Daten der Jahre 2000-2013 aus allen Ostsee-Staaten zu-sammengestellt und standardisiert. Mithilfe statistischer Methoden und Vorhersage-Modelle wurden aus den Punktförmigen Datenquellen flächige Karten. Allerdings macht Mayya Gogina auf drei Schwachstellen aufmerksam: die Mehrzahl der verwendeten Daten (70%) wurden im Frühling und Sommer genommen. Die Aussagen gelten folglich aufgrund einer schlechten Datenlage im Winter und Herbst hauptsächlich für diese Periode. Innere Küstenfjorde, Flussmündungen und Lagunenregionen wurden aus der Analyse ausgeschlossen, da diese Gebiete einen großen Anteil an Süßwasserorganismen enthalten und daher nicht repräsentativ für die gesamte Ostsee sind. Auch in den tiefen Becken der zentralen Ostsee ist die Datenlage ungünstig. Interpolationen in diesen Gebieten sind daher mit Vorsicht zu betrachten. Die vorgestellten Gemeinschaftskarten präsentieren jedoch erstmalig eine allgemeine Übersicht. Weitere Untersuchungen werden die Unsicherheiten beseitigen müssen.

Die hier beschriebenen Ergebnisse wurden veröffentlicht unter:
Gogina, M., Nygard, H., Blomqvist, M., Daunys, D., Josefson, A.B., Kotta, J., Maximov, A., Warzocha, J., Yermakov, V., Gräwe, U., Zettler, M. L. 2016: The Baltic Sea scale inventory of benthic faunal communities. ICES Journal of Marine Science 73: 1196-1213. doi:10.1093/icesjms/fsv265

Der ICES Science Fund und das BMBF-Projekt "SECOS - The Service of Sediments in German Coastal Seas" unterstützten die Arbeiten maßgeblich.


Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news654637

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution480

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde,
Dr. Barbara Hentzsch, 20.06.2016 08:58
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2016

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