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INITIATIVE/328: Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Yasuní-ITT-Initiative (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Bonn/Berlin 29. September 2010

Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Yasuní-ITT-Initiative


Anlässlich des Hintergrundgesprächs "Die Yasuní-ITT-Initiative in Ecuador zum Schutz des Regenwalds" am 28.9. mit Frau María Fernanda Espinosa, Ministerin für die Koordination des National- und Kulturerbes von Ecuador möchten wir Ihnen die Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen Yasuní-ITT-Initiative vom Forum Umwelt und Entwicklung, der Klima-Allianz und von VENRO zur Kenntnis geben.

Unter dem folgenden Link können Sie sich über die Vorgeschichte des Vorhabens informieren.

http://www.eed.de/fix/files/doc/eed_090511_verlorenes_Paradies_Acosta_de.pdf

Raute

Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Yasuní-ITT-Initiative

Die ecuadorianische Regierung hat der Weltgemeinschaft vor Jahren mit der Yasuní-ITT-Initiative ein innovatives Angebot unterbreitet, welches den Biodiversitäts- und Klimaschutz, den Respekt vor indigenen Rechten sowie die Förderung der nachhaltigen menschlichen Entwicklung miteinander verbindet. Ein im Yasuní-Nationalpark entdecktes Ölfeld soll unberührt in der Erde bleiben, der Regenwald des Amazonas nicht angetastet und indianische Lebensformen nicht zerstört werden - sofern die Weltgemeinschaft sich verpflichtet, den Menschen in Ecuador eine Kompensation für die entgangenen Einnahmen zu gewähren.

Der fortschreitende Verlust der Biodiversität und der Klimawandel zwingen zu einem radikalen Kurswechsel. Wir müssen wegkommen von der Nutzung fossiler Energieträger hin zu umweltverträglichen erneuerbaren Energien, wir müssen wegkommen von der rücksichtslosen Ausbeutung und Verschwendung natürlicher Ressourcen hin zu einer nachhaltigen Nutzung, die dem Klimaschutz und der Erhaltung der biologischen Vielfalt dient. Die Yasuní-ITT-Initiative stellt sich dieser Herausforderung und die ecuadorianische Regierung hat damit einen bislang einzigartigen Vorschlag unterbreitet, welcher Nachahmer finden könnte. Dieses Angebot anzunehmen, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer globalen Zukunftsfähigkeit, der mit dem gängigen "business-as-usual" bricht.

Auf dem Weg von der Idee zur Umsetzung hat der Vorschlag seither zahlreiche Hürden genommen. Mit der Vereinbarung über die Einrichtung eines Treuhandfonds zwischen der ecuadorianischen Regierung und dem Entwicklungswerk der Vereinten Nationen (UNDP) in diesem Jahr wurde die Voraussetzung geschaffen, dass die internationale Gemeinschaft Kompensationsmittel zur Verfügung stellen kann. Letztlich kann darin auch eine Chance liegen, Impulse zu setzen, die Entwicklungsgelder auf Dauer überflüssig machen.

Das Gebiet Ishpingo-Tambococha-Tiputini (ITT) ist ein Teil des Nationalparks Yasuní in der nordwestlichen Amazonas-Region. Er gilt aufgrund seiner einzigartigen Artenvielfalt als Weltnaturschutzerbe und wurde 1989 von der UNESCO ins Biosphärenschutzprogramm aufgenommen. Auf einem Hektar finden sich im Yasuní-Nationalpark fast genauso viele Baumarten, wie in ganz Nordamerika zusammen, auf einem Baum finden sich mehr Käferarten als in ganz Europa. Von 1300 Vogelarten des gesamten Amazonasbeckens sind 567 im Yasuní beheimatet. Im Nationalpark leben indigene Völker, deren Kultur und Lebensweise eng mit dieser Naturvielfalt und dem Wald verbunden sind. Unter ihnen sind die Tagaeri und Taromenane, die bis heute ohne Kontakt zur Zivilisation leben.

Im Amazonasraum Ecuadors wird seit Jahrzehnten Öl gefördert. Ausgewiesene Ölfördergebiete (Blocks) reichen inzwischen bis hinein in das Gebiet des Yasuní. Der ITT-Block liegt fast zur Gänze auf dem Gebiet des Nationalparks. Schätzungen gehen von etwa 846 Millionen Barrel aus. Die Förderung des Öls in dieser Gegend wäre mit hohen ökologischen Schäden verbunden und würde den Lebensraum der dort lebenden indianischen Völker/Kulturen vernichten.


Unterstützung durch den Deutschen Bundestag

Der Deutsche Bundestag hat die Initiative am 25. Juni 2008 in einem übergreifenden Antrag ausdrücklich und einstimmig begrüßt. Er hat die Bundesregierung u.a. aufgefordert den ITT-Vorschlag zu unterstützen und sich bereit zu erklären, einen angemessenen Finanzierungsmechanismus zu entwickeln und sich gemeinsam mit anderen Gebern im Rahmen der geltenden Haushaltsplanung des Bundes finanziell zu beteiligen.

Weiterhin hat der Bundestag die Regierung gebeten, in einer Studie die noch offenen Fragen hinsichtlich des Kompensationsfonds zu klären. Grundlage für die Leistungen von Kompensationszahlungen soll dabei die Erhaltung der biologischen Vielfalt in dem Gebiet sein. Ein Kompensationsmodus soll nachhaltig, transparent, effizient und im Sinne der lokalen Bevölkerung gerecht gestaltet sein und von etwaigen politischen Veränderungen vor Ort unangetastet bleiben.

In seinem Antrag forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung ebenso dazu auf,

6. einen Schuldenerlass für Ecuador als Beitrag zu den Kompensationszahlungen nochmals zu prüfen und bei den Partnern innerhalb der Europäischen Union bzw. des Pariser Clubs für ein debt-for-nature-swap zu werben;

7. innerhalb der EU und der OECD diese Initiative zu befördern und möglichst viele Partnerregierungen für ein finanzielles und politisches Engagement zu gewinnen;

8. in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuwirken, dass der Schutz des Yasuní-Nationalparks insgesamt politisch gestärkt und Ecuador technisch dabei unterstützt wird, dieses Gebiet wirkungsvoll zu schützen bzw. nachhaltig zu nutzen, um alternative Einnahmequellen für die örtliche Bevölkerung zu erschließen;

9. darüber hinaus zu prüfen, inwieweit der ITT-Vorschlag bzw. der gefundene Finanzierungs- und Verteilungsmechanismus grundsätzlich Erfahrungswerte für den Schutz vergleichbarer sensibler Ökosysteme in Entwicklungsländern liefern kann und inwieweit dieser Mechanismus dann in ein künftiges internationales Finanzierungsregime überführt werden könnte, um singuläre Fonds-Lösungen zu überwinden."


Bundesminister Niebel kündigt die deutsche Unterstützung auf

Aufgrund der Entscheidung des Bundestages untersuchte die GTZ die Initiative hinsichtlich der Durchführbarkeit im Rahmen der bestehenden Klimaverhandlungen. Auch sonst waren die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag wichtige Ansprechpartner für die ecuadorianische Regierung. Kirchliche Hilfswerke und zivilgesellschaftliche Organisationen haben die Yasuní-ITT-Initiative ebenfalls begrüßt und für den Vorschlag geworben. Alberto Acosta, der ehemalige Energieminister Ecuadors und Präsident der verfassungsgebenden Versammlung, war als einer der Yasunì-Initiatoren zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2009 und zum Ökumenischen Kirchentag 2010 eingeladen, um die Initiative vorzustellen.

In seiner Antwort vom 14.09.2010 auf ein Schreiben der Abgeordneten Ute Koczy vom 4. August teilte Bundesminister Niebel mit, "dass (wir) aufgrund dieser Überlegungen und der immer noch unzureichend beantworteten Fragen (...) die Einzahlungen in den Treuhandfonds für die ITT-Initiative nicht in Betracht ziehen." Diese Ankündigung dürfte weitreichende Folgen für den Erfolg der Initiative haben, da der bisherige Vorreiter Deutschland sich plötzlich zurückzieht. Es steht zu befürchten, dass die Bemühungen zur Auffüllung des Treuhandfonds schon gescheitert sind, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist.

Mit seiner einsamen Entscheidung setzt sich Minister Niebel aber auch über die bisherige Unterstützung des Deutschen Bundestages für dieses in Eigenverantwortung von Ecuador entwickelte Projekt hinweg. Ohne vorherige Konsultation mit den Abgeordneten und ohne ausreichende Begründung verkündet der Minister in einem Brief, dass viele Bedenken nicht ausgeräumt sind und daher eine Beteiligung am Treuhandfonds nicht erfolgen soll. Damit brüskiert er die Abgeordneten des Bundestages.

Aber auch auf internationaler Ebene und im Verhältnis zur ecuadorianischen Regierung wird diese Entscheidung des Ministers von vielen als Affront empfunden, welche Regeln des gegenseitigen Respekts und eines partnerschaftlichen Verhältnis verletzt. Auf diese Weise kann das in Kopenhagen verloren gegangene Vertrauen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht zurück gewonnen werden.


Erwartungen der Zivilgesellschaft

Die unterzeichnenden Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Akteure halten die Entscheidung von Bundesminister Niebel in der Sache für falsch und in der Form für nicht angemessen. Das Ansehen Deutschlands als Vorreiter in der Biodiversitäts-, Klima- und Nachhaltigkeitspolitik und sein Ansehen als solidarischer Partner wird aufs Spiel gesetzt.

Wir appellieren daher an den Bundestag,

in den Bundeshaushalt 2011 die Einzahlung in den Treuhandfonds sowie für die Folgejahre eine Verpflichtungsermächtigung für die weiteren Einzahlungen in den Treuhandfonds einzustellen,
den bisherigen Dialog und die Kooperation mit der ecuadorianischen Regierung fortzusetzen, und
die vom Ministerium aufgeführten Fragen aufzugreifen und lösungsorientiert sowie partizipativ zu diskutieren.

Wir appellieren an die Bundesregierung,

öffentlich darzulegen, welches Ergebnis die Prüfung eines Schuldenerlasses und der Gestaltung eines debt-for-nature swaps ergeben hat,
zu einem Fachgespräch mit internationaler Beteiligung einzuladen, um die Umsetzung der Yasuní-ITT-Initiative weiter zu befördern.


Berlin, den 28.09.2010


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung, 29.09.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2010