Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LEBENSRÄUME


MELDUNG/186: Flussriese Stör zurück in der Havel (idw)


Forschungsverbund Berlin e.V. - 30.04.2015

Flussriese Stör zurück in der Havel


Am 4. Mai 2015 werden etwa 250 junge Störe in die Freiheit entlassen. Der Besatz ist Teil der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für den Europäischen Stör. Gemeinsam mit dem Brandenburgischen Umweltminister Jörg Vogelsänger, dem Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs sowie Behörden-und Verbandsvertretern werden Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) die etwa zehn Monate alten Fische im Potsdamer Stadtgebiet in die Havel setzen. - Ein wichtiger Schritt, diese in Deutschland als ausgestorben geltende Fischart wieder in ihrem ehemaligen Lebensraum anzusiedeln.


Gruppe großer und kleienr Helfer/innen mit Gefäßen am Wasser - Foto: © Philipp Freudenberg

Etwa 19.000 kleine Störe wurden seit 2008 in Havel und Elbe entlassen. Die Besatzaktionen - wie hier im Herbst 2014 in Rathenow - finden zahlreiche kleine und große Unterstützer.
Foto: © Philipp Freudenberg

Mit bis zu 5,4 Metern Körperlänge und einem Gewicht von bis zu 800 Kilogramm war der Europäische Stör einst der größte Fisch in unseren heimischen Gewässern. Havel und Spree zählten vor 150 Jahren noch zu seinem natürlichen Verbreitungsgebiet. Hier befanden sich Laich- und Aufwuchsgebiete und damit die "Kinderstube" des Störs, bevor die Tiere in Richtung Nordsee abwanderten. Doch die sanften Riesen verschwanden mit der Zeit: Wasserverschmutzung, Gewässerausbau und Stauwehre versperrten ihnen den Weg zurück. So geschah es auch in allen anderen Gewässern seines Verbreitungsgebiets. Seit den 1970-er Jahren gilt der Europäische Stör in Deutschland deshalb als ausgestorben. Aber das soll nicht so bleiben!

Ein langer und weiter Weg für den Stör

Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Binnenfischerei und Gewässerökologie (IGB) in Berlin haben in Kooperation mit dem französischen Institut für Umweltforschung (Irstea) ein Nachzuchtprogramm mit Elterntieren aus der letzten wildlebenden Population des Europäischen Störs in Frankreich aufgelegt. "Die Arbeiten in Deutschland sind Teil eines umfassenden Projektes der Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V. und ihrer Partner, um den Stör wieder in seine angestammten Lebensräume zurück zu bringen," erklärt Dr. Jörn Geßner, der das Programm am IGB koordiniert. "Seit 2008 haben wir zu diesem Zweck rund 19.000 kleine Störe in der Havel und im Elbegebiet ausgewildert."


Ein Gefäß, aus dem Störe in den Fluss entlassen werden, in Nahaufnahme - Foto: © IGB

250 kleine Störe werden am 4. Mai 2015 auf die Reise ihres Lebens geschickt. Von der Havel aus machen sie sich auf den Weg über die Elbe in die Nordsee.
Foto: © IGB

Strenge Umweltauflagen führten dort in den letzten 25 Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der Wasserqualität. Am Elbe-Wehr in Geesthacht ermöglicht seit 2010 eine der größten Fischtreppen Europas auch den ausgewachsenen Stören den Aufstieg. Aber schon im Mündungsbereich der Havel ist Schluss: "Die Schleusen bei Gnevsdorf bzw. Quitzöbel wären gegenwärtig noch die Endstation für mögliche Heimkehrer", mahnt Jörn Geßner. Er hofft, dass die Tiere in zwölf bis 20 Jahren - dann erst werden sie geschlechtsreif- wieder ungehindert in die Flüsse hinaufziehen können. Noch reihen sich jedoch in der Unterhavel insgesamt zehn für Störe unüberwindbare Bauwerke auf und verhindern so die Rückkehr der Elterntiere.

Wissenschaftler fordern Durchwanderbarkeit der Havel und Spree

Zur Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit von Havel und Spree gemäß der EU-Wasserrahmen-Richtlinie sind also erhebliche Anstrengungen nötig. In einem gemeinsamen Positionspapier haben sich Brandenburg, Berlin und Sachsen-Anhalt gegenüber dem Bund zu ihrer Verantwortung für den Europäischen Stör als Havelbewohner bekannt. "Dies ist ein wichtiger Schritt, um auch die Wasserstraßenverwaltung mit ins Boot zu holen", sagt Dr. Jörn Geßner. Am Ende würden davon neben dem Stör auch andere typische Fluss- und Wanderfischarten wie der Atlantische Lachs, das Flussneunauge oder der Nordseeschnäpel, die einst in der Havel heimisch waren, profitieren und zu einer typischen und vielfältigen Fischartengemeinschaft beitragen.

Weitere Informationen zum IGB:
Die Arbeiten des IGB verbinden Grundlagen- mit Vorsorgeforschung als Basis für die nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer. Das IGB untersucht dabei die Struktur und Funktion von aquatischen Ökosystemen unter naturnahen Bedingungen und unter der Wirkung multipler Stressoren. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten bei sich rasch ändernden globalen, regionalen und lokalen Umweltbedingungen, die Entwicklung gekoppelter ökologischer und sozioökonomischer Modelle, die Renaturierung von Ökosystemen und die Biodiversität aquatischer Lebensräume. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin/Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.igb-berlin.de

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news630239
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution245

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Karl-Heinz Karisch, 30.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang