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SCHUTZGEBIET/727: Helme ist Flusslandschaft des Jahres 2012/13 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 167 - April/Mai 2012
Die Berliner Umweltzeitung

Natura 2000 - europäische Schutzgebiete
Helme ist Flusslandschaft des Jahres 2012/13

von Christoph Vinz



Unter dem Begriff "Natura 2000" wird ein Netz miteinander verbundener Gebiete zur Wiederherstellung bzw. Erhaltung der biologischen Vielfalt ausgewiesen. Deren Territorien umfassen die Staaten der Europäischen Gemeinschaft mit ihren Flora-Fauna-Habitat (FFH)- wie auch Vogelschutzgebieten. Auf ihnen finden zwar die jeweiligen artenschutzrechtlichen Bestimmungen Anwendung, hier geht es jedoch nicht primär um die Bewahrung einzelner Habitate.

Natura 2000 versteht sich als arbeitsteilige Anstrengung zum Aufbau eines kohärenten Netzes von Schutzgebieten, die gemeinsam einen Biotop-Verbund bilden. In dem angestrebten europäischen Zusammenschluss sollen Wanderungsbewegungen, Ausbreitung und Genaustausch der jeweiligen Fauna und Flora berücksichtigt und letztlich geschützt werden.

Innerhalb dieser Gebiete werden sogenannte Natura Trails als attraktive Wege durch schützenswerte Landschaftstypen oder bestimmte Lebensräume bedrohter Pflanzen oder Tiere angelegt. Diese neuartigen Wege haben zwei unterschiedliche Aufgaben. Einerseits verfolgen sie mit der Aufklärung der hier Wohnenden wie auch der Gäste ein pädagogisches Konzept: die Entwicklung und Vertiefung eines Bewusstseins für die Schätze der Natur "vor Ort". Und andererseits bieten die Routen neue Potenziale für einen sanften Tourismus, der auch durch den Verein der NaturFreunde aktiv mit geführten Spaziergängen oder auch Mehrtageswanderungen gefördert wird.

Gegenwärtig existieren in ganz Deutschland bereits rund 80 solcher Natura Trails.

Flusslandschaft des Jahres

In den europäischen Schutzgebieten propagieren die NaturFreunde Deutschlands (NFD) und der Deutsche Anglerverband (DAV) seit dem Jahre 2000‍ ‍im zweijährigen Rhythmus eine "Flusslandschaft des Jahres". Bislang gehörten beispielsweise die brandenburgische Havellandschaft und das romantische Gebiet der thüringischen Schwarza dazu.

In diesem Jahr proklamierten beide Vereine das Gebiet der Helme als Flusslandschaft des Jahres 2012/13. Dies eher unbekannte Flüsschen entspringt im thüringischen Eichsfeld bei Stöckey, dem sogenannten "Helmspring", an den Nordausläufern des Ohmgebirges. Insgesamt ganze vierundsiebzig Kilometer legt die Helme zurück, bis sie nahe des anhaltischen Kalbsrieth in die Unstrut mündet. Zugleich entwässert der kleine, oft mäanderförmig verlaufende Fluss ein Einzugsgebiet von etwa 1.316 Quadratkilometern. Dabei fließt die Helme am Südrand der Sangerhäuser Mulde vorbei und am Kyffhäuser-Gebiet durch die fruchtbare Goldene Aue.

Auf ihrem vierunddreißig Kilometer langen Abschnitt auf sachsen-anhaltischem Gebiet wird das Flüsschen zur Äschen- und Barbenregion gezählt und galt in weit zurückliegenden Zeiten als einer der reichsten Flüsse Mitteldeutschlands. Damals schlängelte sich die Helme noch durch eine malerische busch- und schilfreiche Landschaft, ihre Ufer waren von zahlreichen Erlen und Weiden gesäumt.

Menschliche Eingriffe, wie Entwässerungsgräben oder Deichbauten, sind auf diesem Gebiet schon seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Kaiser Barbarossa, der im Kyffhäuser-Berg bis heute "ruhen" soll, holte für solche Arbeiten einst flämische Kolonisten ins Land, die am Flusslauf Dörfer gründeten, von denen einige bis in die Gegenwart existieren.

Doch immer wieder gab es im Verlauf der Geschichte Probleme mit den jährlichen Überschwemmungen, und nach dem folgenreichen Sommerhochwasser des Jahres 1956 wurde ein Hochwasser-Schutzprogramm aufgelegt. So entstand das heute beliebte Naherholungsziel Talsperre Kelbra, ein Helmerückhaltebecken. Im Raum Berga-Kelbra wurde sogar der gesamte Flusslauf begradigt und ausgebaut. Viele natürliche Mäander verschwanden aus dem Landschaftsbild, statt bewachsener Uferböschungen entstanden hässliche Steinschüttungen. Nun soll im Zuge einer behutsamen Renaturierung das Gebiet der Helme wieder zu einer Flusslandschaft werden, die noch vorhandene Biotope erhält, stärkt und schützt.

All' diese Bemühungen um eine langfristige Qualitätsverbesserung einer schönen Flussregion stärken auch emotionale Bindungen der ansässigen Bevölkerung und unterstützen neue Projekte für Wander- und Erholungsgebiete im Sinne eines nachhaltigen Tourismus. Hier haben die Natura Trails zugleich die Funktion, neben dem positiven Kennenlernen die Bereitschaft zum Schutz natürlichen Allgemeinguts zu fördern.

Natur plus Kultur

Dass man das Erleben einer Flusslandschaft und ihren landschaftlichen Schönheiten durchaus mit Kulturtourismus verbinden kann, belegen viele geschichtsträchtige Orte im Umfeld der Helme:

In Kelbra (erste Erwähnung 1093) am Nordhang des Kyffhäusergebirges finden Besucher neben der Stadtkirche St. Georgi (13. Jahrhundert) mit der tausendjährigen Linde ein Zisterzienserkloster, das auch auf das 13.‍ ‍Jahrhundert zurückgeht.

Tilleda (1020 bereits erwähnt) zeigt mit seiner früheren Königspfalz historisch Interessierten eine vollständig ausgegrabene und teils rekonstruierte Anlage.

Das über 1000-jährige Sangerhausen hat eine Fülle von Sehenswürdigkeiten, von denen hier nur der weltbekannte Rosengarten mit mehr als 8.300 Rosensorten und -arten auf dreizehn Hektar Fläche erwähnt werden soll. Neben bedeutenden romanischen und gotischen Bauwerken besitzt die Stadt ein weiteres Highlight: das berühmte Mammut-Skelett im Spengler-Museum.

Allstedt grüßt von weitem mit seinem Schloss (15./18. Jahrhundert), das auf einem Bergrücken am Ostrand der Goldenen Aue errichtet wurde.

Gleichfalls schon aus größerer Entfernung fällt ein ungewöhnlicher Bau des 20. Jahrhunderts ins Auge: Es ist das oberhalb von Bad Frankenhausen erst 1989 eröffnete Panorama "Frühbürgerliche Revolution in Deutschland", ein international anerkanntes, grandioses Kunstwerk von Werner Tübke (19292004). Mit einer Fläche von über 1.700 qm zählt es zu den größten Tafelbildern der Welt.

Und zuletzt wollen wir noch einen Blick auf die "Perle des Südharzes" werfen, wie Stolberg mit einiger Berechtigung genannt wird. Die überaus reizvolle Stadt mit ihren vielen romantischen Fachwerkhäusern (15.‍ ‍bis 18. Jahrhundert) lohnt den kleinen Abstecher. Hier residierten von alters her die Grafen zu Stolberg, direkte Vorfahren der heutigen Königin der Niederlande. Ende des 17. Jahrhunderts erhielt das Stolberger Schloss durch umfangreiche Umbauten sein aktuelles Aussehen. Weitere eindrucksvolle Zeugen der Vergangenheit sind die Stadtkirche St. Martini und das Rathaus (beide 15. Jahrhundert).

Natura 2000 im Land Brandenburg
(ausgewählte Beispiele)

FFH-Gebiete:
- Biesenthaler Becken (ca. 200 Hektar)
- Rabenluch (ca. 9 Hektar)
- Fledermausrevier Rüdersdorf (ca. 3 Hektar)
- Müggelspreeniederung (ca. 630 Hektar)

Vogelschutzgebiete:
- Schorfheide-Chorin (ca. 65.000 Hektar)
- Märkische Schweiz (ca. 18.000 Hektar)
- Spreewald/Lieberoser Endmoräne (ca. 80.000 Hektar)

Natura Trails im Land Brandenburg
(ausgewählte Beispiele)

- Drahendorfer Spreeniederung (besonders für Radwanderer)
- Biesenthaler Becken (zwei Wanderwege)
- Breitlingsee mit der Insel Buhnenwerder (Rundwanderweg)
- Schluchten und Kehlen d. Märk Schweiz (Rundwanderweg)
- Entlang der Nuthe (Wanderweg)
- Über die Oderberger Endmoräne (Rundwanderweg)

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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 167 - April/Mai 2012
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012