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SCHUTZGEBIET/877: Vom ehemaligen Wirtschaftswald zum wilden Naturwald (Nationalpark Harz)


Nationalpark Harz - Pressemitteilung, 9. August 2019

Pflanzungen und Käferbekämpfung waren im Nationalpark Harz niemals ein Tabu - Mehr Vielfalt im Wald - Herbstliche Buchenpflanzungen im Nationalpark Harz - schon über 4 Mio. Buchen gepflanzt


Wernigerode. Die Natur darf sich in der Kernzone des Nationalparks Harz frei entfalten. Im Moment ist der natürliche Waldwandel vom ehemaligen Wirtschaftswald hin zum wilden Naturwald zu erleben. In den Hochlagen ist die Fichte von Natur aus heimisch, deshalb wird sie in diesen Gebieten auch weiter die Hauptbaumart bleiben. Neben jungen Fichten wachsen hier auch Laubbäume wie Eberesche, Bergahorn oder Weide - sie kommen von allein, entwickeln sich gut und benötigen keine Pflanzungen.


Zonierungskarte - Grafikquelle: © Nationalpark Harz -Quelle: Auszug aus den Geobasisdaten der Niedersächsischen Vermessungs- und Katasterverwaltung, © 2011 Landesamt für Geoinformation und Landesentwicklung Niedersachsen (LGLN), Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt (LVermGeo) [Erlaubnisnr. 10008]

Grafikquelle: © Nationalpark Harz

In tieferen Lagen schlagen in den ehemaligen Fichtenforsten vor allem verschiedene Laubbäume Wurzeln. Von Natur aus würden hier vor allem Buchen wachsen, deren Rückkehr der Nationalpark mit Pflanzungen, vorrangig junger Buchen, unterstützt. Die Natur bekommt mit diesen Initialpflanzungen ein Werkzeug in die Hand und der "Reparaturprozess" hin zu mehr Naturnähe und natürlicher Entwicklung wird unterstützt - "Hilfe zur Selbsthilfe" für die Natur.

Im Nationalpark Harz werden daher in diesen tieferen Lagen seit Jahren in erheblichem Umfang Pflanzungen zur Erreichung der Schutzziele nach Maßgabe der Gesetze und Managementvorgaben des Schutzgebiets durchgeführt. In der Naturentwicklungszone werden verschiedene Laubbaumarten, vorrangig Buchen, in ehemalige Reinbestände mit standortsfremden Fichten gepflanzt. In diesen Flächen gibt es zu wenige und teilweise über mehrere hundert Hektar hin keine alten Buchen, die als Samenbäume dienen könnten. Damit dienen die Buchenpflanzungen den Vorgaben des Nationalparkgesetzes entsprechend der Steigerung der Naturnähe.

Diese Anpflanzungen sind in den letzten Jahren aufgrund der zunehmenden Aktivitäten der Borkenkäfer nochmals verstärkt worden. Die Schwerpunkte bilden die Außengrenzen des Schutzgebietes, wo Wirtschaftswald angrenzt.

Insgesamt wurden auf diese Weise innerhalb der letzten 10 Jahre ca. 4,3 Millionen Laubbäume in den Wäldern des Nationalparks gepflanzt, um die Waldentwicklung von Fichtenreinbeständen zu Mischwäldern zu forcieren. Neben der Buche waren es in geringen Stückzahlen auch Bergahorn, Roterle, Weiden, Aspen und Birken.

Die Anzahl von insgesamt ca. 670.000 gepflanzten Buchen (410.000 im sachsen-anhaltischen Teil) im Jahr 2018 spiegelt dabei die nochmals verstärkten Bemühungen wider.

Eine weitere sehr kurzfristige Steigerung dieser Zahlen ist kaum möglich, da die Erhöhung der Pflanzenproduktion von der Saatgutverfügbarkeit und Baumschul- und Pflanzkapazitäten abhängig ist. Die Pflanzungen werden auf gleich hohem Niveau fortgesetzt.

Hintergrund: Wo wird gepflanzt? Sind es Aufforstungen?

Unter Wiederaufforstung werden Maßnahmen zur Pflanzung, zur Nachbesserung, zur Pflege und zum Schutz der Kulturen verstanden. Als Wiederaufforstung gilt auch eine durch forstliche Maßnahmen herbeigeführte oder sich spontan einstellende Verjüngung, wenn diese geeignet ist, eine sachgerechte Verjüngung im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung sicherzustellen. In diesem Sinne "forstet" der Nationalpark nicht auf, sondern er setzt Pflanzungen dort, wo das geboten ist.

Gepflanzt wird in der Naturentwicklungszone, siehe Zonierungskarte. In ihr befinden sich Flächen, die sich in der Folge von schonenden Waldentwicklungsmaßnahmen unbeeinflusst zu Naturdynamikzonen weiterentwickeln können. Der Anteil dieser Zone an der Nationalparkfläche beträgt derzeit 38,5%.

Die Naturdynamikzone enthält Flächen, die sich bereits in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden. International werden diese wertvollen Gebiete in der Regel als "Kernzonen" bezeichnet. Ihr Anteil am Nationalpark Harz umfasst derzeit 60,3% - hier finden keine waldbaulichen Maßnahmen mehr statt. Dennoch werden in einem Randbereich zu benachbarten Waldgebieten zum Schutz der hier befindlichen Wirtschaftswälder die Borkenkäfer bekämpft - auch angesichts der aktuellen Klimaentwicklung örtlich eine wichtige Maßnahme.

Als Nutzungszonen sind kulturhistorisch wertvolle Flächen wie Bergwiesen, Bergheiden und Schwermetallrasen sowie die touristischen Erholungsbereiche ausgewiesen. Hier werden auch langfristig auf weniger als 1% der Nationalparkfläche Pflegemaßnahmen wie die Mahd von Wiesen durchgeführt. 0,5% des Nationalparks besteht aus Wasserflächen.

Die internationalen Naturschutzregeln legen fest, dass Entwicklungsnationalparke nach ca. 30 Jahren auf mindestens 75% der Fläche die natürliche Entwicklung der Ökosysteme gewährleisten sollen. Hier finden dann keine Pflegearbeiten und Nutzungen mehr statt - ganz im Sinne der Nationalpark-Leitlinie "Natur Natur sein lassen". Dieses Ziel wird 2022 erreicht sein.

Weitere Hintergrundinformationen finden Sie auch in unserem Video "Baustelle Natur", siehe hier:
https://www.youtube.com/nationalparkharz

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Quelle:
Pressemitteilung, 09.08.2019
Nationalpark Harz
Abt. Presse, Marketing & Regionalentwicklung
Lindenallee 35, 38855 Wernigerode
E-Mail: info@nationalpark-harz.de
Internet: www.nationalpark-harz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2019

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