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LAIRE/064: Auf der Suche nach dem Million Jahre sicheren Endlager (SB)


Neuer Entwurf aus dem Bundesumweltministerium

"Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle"


Eine abschließende Antwort auf die Frage, ob Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ein vergnüglicher Spaßvogel, durchtriebener Spießgeselle oder schlauer Polit-Fuchs ist, der den Atomausstieg besiegeln will, sollten Sie an dieser Stelle nicht erwarten. Aber einen (unfreiwilligen?) Witz, den er beziehungsweise sein Ministerium am heutigen Dienstag verbreitet hat, soll Ihnen nicht vorenthalten werden: Nach einem neuen Entwurf des Bundesumweltministeriums sollen die Sicherheitsanforderungen für ein atomares Endlager dahingehend verschärft werden, daß die dort eingelagerten hochradioaktiven Abfälle eine Million Jahre sicher eingeschlossen sind.

Es steht zu befürchten, daß das Ministerium diese Anforderung ernst meint, weswegen einem das Lachen im Hals stecken bleiben könnte. Eine Million Jahre in die Zukunft werden nicht nur die sozialen Verhältnisse auf der Erde völlig andere sein als heute - sofern es den Mensch dann noch gibt -, sondern selbst die geologischen.

Selbstverständlich lassen sich über die künftige Entwicklung der Erde beziehungsweise Deutschlands nur Mutmaßungen anstellen. Generell müßte man damit rechnen, daß Erosionskräfte die Hoch- und Mittelgebirge schleifen, tektonische Bewegungen den Rheingraben weiter öffnen, Teile der norddeutschen Tiefebene vom Meer überschwemmt und mit Sedimenten aufgefüllt werden. Womöglich wird sogar die eine oder andere Eiszeit über Deutschland hinwegziehen, nachdem es in diesem Jahrhundert zunächst einmal ziemlich warm werden dürfte.

Mit welchem Ausmaß an fundamentalen Veränderungen gerechnet werden kann, zeigt ein vorsichtiger Blick in die Vergangenheit. Vorsichtig insofern, als daß vieles, was der Mensch darüber weiß, vage ist und im hohen Maß auf Annahmen gründet - wie sehr muß es da spekulativ bleiben, einen Blick in die Zukunft werfen zu wollen!?

Über den Zeitraum der letzten eine Million Jahre gingen mehrere Eiszeiten über Deutschland hinweg. Das bedeutete nicht einfach nur, daß es kälter wurde und die Landschaft einfror und einen dicken Eispanzer erhielt, sondern daß es auch zu massiven tektonischen Bewegungen kam. So hebt sich Skandinavien heute noch empor, nachdem sich die Eismassen aus der letzten Glazialzeit, die vor rund 10.000 Jahren endete, zurückgezogen und das Gestein von ihrer Last befreit hatten. Solche tektonischen Hebungen gingen und gehen nach wie vor andernorts mit Absenkungen einher, und es treten Erdbeben und Vulkanismus auf. In Deutschland gab es zuletzt vor 11.000 Jahren aktiven Vulkanismus, und zwar in der Eifel. 11.000 Jahre sind jedoch unbedeutend verglichen mit der Zeitspanne, für die in Deutschland atomare Endlager sicher gestaltet werden sollen.

Übrigens existierte der Mensch vor einer Million Jahre noch gar nicht, jedenfalls nicht der moderne Mensch, sondern lediglich sein Vorfahr, der Homo erectus. Der besaß zwar ein um mindestens ein Drittel kleineres Gehirn als der heutige Homo sapiens, aber immerhin verkaufte er seinen Artgenossen auch nicht die Mär, daß radioaktiver Müll eine Million Jahre sicher verwahrt werden kann.

Aber wollen wir Gabriel in diesem Fall einmal unterstellen, daß er den Entwurf ausschließlich in der Absicht herausgegeben hat, den Atomausstieg in Deutschland ein für alle Mal unumkehrbar zu machen und nicht etwa, um den Eindruck zu erwecken, irgendein Ingenieur könne derart vorausschauend planen oder - welche Hybris! - irgendein Politiker könne mit Forderungen wie der "schrittweisen Optimierung" der Verwahrung des radioaktiven Mülls gezielt die Weichen für eine Entwicklung über einen derart langen Zeitraum stellen.

12. August 2008