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LAIRE/079: Polizei räumt Widerstandscamp im Kelsterbacher Wald (SB)


Bahn frei für Bau der vierten Landebahn am Frankfurter Flughafen

Über 100.000 Bäume werden gerodet


Wie kann ein Bundesbürger verhindern, daß ein für ihn und seine Mitwelt wertvolles Wald- und Naherholungsgebiet gerodet wird, das einem Bauprojekt weichen soll, dessen Nutzen zweifelhaft bleibt? Er kann beispielsweise alle vier Jahre wählen gehen und seine Stimme einer Partei geben, von der er glaubt, daß sie sein Anliegen teilt. Wenn aber die Partei nicht an die Macht kommt oder, falls doch, die Politiker anschließend einknicken, was bekanntlich nicht selten vorkommt, hat derjenige Pech gehabt. Er könnte sich auch Bürgerinitiativen anschließen und versuchen, über sie an Einfluß zu gewinnen. Die Erfolgschancen sind allerdings gering, auch wenn es hin und wieder vorkommt, daß Initiativen etwas bewegen. Er könnte auch versuchen, das von der Rodung bedrohte Gelände zu besetzen und die Holzfäller an ihrer Arbeit hindern, doch auch hier sind die Erfolgsaussichten erfahrungsgemäß gering.

Dies wurde am heutigen Mittwoch im Kelsterbacher Wald bewiesen. Am frühen Morgen rückten Polizeikräfte an und räumten ein Widerstandscamp gegen den Ausbau des Flughafens. Um die 25 Aktivisten wurden von den Bäumen heruntergeholt, weitere zehn bis 15 von der Polizei "begleitet", so Robin-Wood-Sprecher Erik Mohr. Es wurden Hütten abgerissen und weitere Spuren beseitigt. Die Ordnungshüter walteten ihres Amtes, dem Recht wurde Genüge getan. Ob das auch rechtens war, dürfte von den Geräumten und allen Mitstreitern aus mehreren Dutzend Bürgerinitiativen, die das gleiche Ansinnen nur mit anderen Mitteln vertreten, anders bewertet werden als von dem Flughafenbetreiber Fraport, der einen gerichtlichen Räumungsbeschluß erwirkt hatte, der Lufthansa und der hessischen Landesregierung.

Der Frankfurter Flughafen soll im Nordwesten eine vierte Start- und Landebahn erhalten. Die Beteiligten Unternehmen lassen sich das vier Milliarden Euro kosten. Wirtschaftlich gesehen wirkt das Projekt ähnlich unsinnig wie die höchst umstrittene dritte Landebahn des britischen Flughafens Heathrow. Ausgehend von der Annahme, daß aufgrund der Rezession der Flugverkehr weder bei der Personen- noch der Güterbeförderung in den nächsten Jahren zunehmen wird, wie noch vor einigen Jahren berechnet wurde, wirkt die Entscheidung Fraports zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens unverständlich und irrational. Die vier Milliarden Euro werden vermutlich in den Sand gesetzt, womöglich gerät der Flughafenbetreiber ins Trudeln. Diese Vermutungen stützen sich auf die jüngsten Prognosen von Unternehmern und Wirtschaftsanalysten zur Konjunkturentwicklung. Die im besonderen Maß exportorientierte deutsche Wirtschaft schwächelt, die Aufträge bleiben aus. Das hat Folgen für den Güterverkehr und auch den Absatz von Flugzeugen wie den A380, für den auf dem Frankfurter Flughafen eine riesige Wartehalle gebaut werden soll.

Als die vierte Landebahn geplant wurde, war die Rezession zwar grundsätzlich vorhersehbar, aber nicht der konkrete Zeitpunkt ihres Eintreffens. Inzwischen müßte auf der Basis der neuen globalwirtschaftlichen Gegebenheiten auch eine Neubewertung des Flughafens vorgenommen werden. Ist immer noch eine Verdoppelung des Flugverkehrs zu erwarten? Wohl kaum. Abgesehen davon, stellt sich selbstverständlich die Frage, ob die Steigerung überhaupt wünschenswert wäre. Wenn ja, für wen und für wen nicht?

Doch der Bau der Landebahn hat begonnen, nun wird das Projekt durchgezogen. Das Beispiel liefert einen Einblick, wie Wirtschaften funktioniert, in welchen systemisch bedingten Zwängen Unternehmen stecken und wie sich das gegen die Interessen der Bürger richtet. Würde Fraport jetzt einen Rückzieher machen, würde das sicherlich als Schwäche ausgelegt, da in der Marktwirtschaft ein Zwang zur ständigen Expansion besteht.

Möglicherweise würden auf ein Rückzugssignal Fraports hin Aufträge nicht erteilt oder gar zurückgezogen, Kredite nicht gewährt und weitere umsatzreduzierenden Entwicklungen in Gang gesetzt. Die Unternehmensleitung dürfte sich im klaren sein, daß der einmal eingeschlagene Weg nicht gefahrlos verlassen werden kann. Damit soll das Vorgehen des Unternehmens in keiner Weise gerechtfertigt werden. Vielmehr wird hieran deutlich, daß die Aufgabe, die es in Angriff zu nehmen gelte, wollte man verhindern, daß das nächste Industrieprojekt, das gegenwärtig irgendwo in der Bundesrepublik zu Lasten der Interessen von Anwohnern geplant und auf gleiche Weise durchgesetzt wird, umfassender ist.

18. Februar 2009