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LAIRE/085: Zunehmende Vermüllung der Ozeane (SB)


Airbus-Absturz

Rettungskräfte finden statt Trümmerteile nur Müll


Eine Holzpalette macht noch keinen Airbus, und ein Ölteppich kein Flugbenzin, lautet die offizielle Erkenntnis aus der bislang vergeblichen Suche nach einem Anfang der Woche über dem Atlantik abgestürzten Passagiermaschine vom Typ Airbus A330, die von Rio de Janeiro in Richtung Paris geflogen und in einer Gewitterfront abgestürzt war. Holzpalette und Ölteppich stehen jedoch für etwas anderes, nämlich die Vermüllung und Kontamination der Ozeane mit allerlei Abfällen aus der Industriegesellschaft. Vor zwei Jahren berichtete die Umweltschutzorganisation Greenpeace über einen riesigen Müllteppich im Atlantik - ein augenscheinliches Merkmal des globalen Abfallaufkommens.

Da jedoch die meisten Produkte und Produktrückstände der weltweiten, von Profit und Verbrauch angetriebenen Wirtschaftsweise schwerer als Wasser sind, ist am Grund der Meere mit einer noch größeren Menge an Unrat zu rechnen. Sollten eines fernen Tages Meeresarchäologen Bohrungen im Ozeanboden vornehmen, dürften sie die sich jetzt bildende und in den nächsten Jahrzehnten diagenetisch verfestigte Sedimentschicht als typische Zusammensetzung des Anthropozän bezeichnen.

Daß die brasilianischen Rettungskräfte und andere Helfer überhaupt Trümmerteile der Unglücksmaschine finden werden, scheint mit jedem Tag ungewisser. Was die Fahnder abgesehen von einer Holzpalette und einem Ölteppich alles an Müll auf dem Meer entdeckt und gar nicht erst gemeldet haben, weil es von vornherein nicht zu dem Airbus paßte, ist nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, daß jedes Jahr viele tausend Container und Fässer ins Meer gelangen; allein für den Pazifik wird die Zahl mit 10.000 angegeben. Nördlich von Hawaii dreht sich gemächlich ein ringförmiger Müllteppich von der Größe Mitteleuropas im Kreis. Meist handelt es sich bei den Objekten um Plastikmüll, der sich nur sehr langsam zersetzt. Etwa 70 Prozent der Plastikabfälle, die ins Meer gelangen, sinken zu Boden, so eine Schätzung. Plastik landet in den Mägen von Meerestieren, für die wiederum Plastiknetze und Seile tödliche Fallen bilden.

Ähnlich wie die Atmosphäre als ungeregeltes Endlager für das anthropogene Verbrennungsgas Kohlendioxid sowie Müllausdünstungen (FCKWs, Methan, etc.) benutzt wird, dienen die Meere als Sammelbecken für Plastikmüll, alte Ölbohrplattformen, Autoreifen, Klärschlamm, Abwasser aus Industrie und Haushalten, ausgebrannten Raketenteile, untergegangene Schiffe und eben auch abgestürzte Flugzeuge. Mittlerweile werden sogar Überlegungen angestellt, das als Treibhausgas wirksame Kohlendioxid nicht mehr nur in die Atmosphäre zu entlassen, sondern es am Meeresgrund zu lagern. Diese Idee wird zwar von Fachleuten weitgehend abgelehnt, da die damit verbundenen Risiken unkalkulierbar sind, aber ganz und gar vom Tisch ist sie noch nicht.

Während also die Meere zumüllen, wird weiter produziert und produziert, als würde dies nicht eines Tages den Menschen auf die Füße fallen. Eigentlich tut es das schon, denn die Meere sind überfischt, die sauerstoffarmen Regionen wachsen, die allgemeine Versauerung der Ozeane nimmt zu, und die globale Erwärmung führt in Weltregionen wie die Westantarktis und Arktis bereits zu deutlichen Eisverlusten, was zusammen mit der physikalischen Wärmeausdehnung der Ozeane längst zu einem meßbaren Anstieg des Meeresspiegel geführt hat.

Nach heutigem Stand der Wissenschaft muß man sagen, daß ein fundamentaler Wandel des Antlitzes der Erde mit gravierenden Folgen für die Mehrheit der Menschen im Laufe dieses Jahrhunderts vermutlich nicht zu vermeiden sein wird, wenn die Produktionsverhältnisse mit ihrem extrem hohen Ressourcenverbrauch beibehalten werden. Nicht einmal dann, wenn der gleiche Kurs, nur eben in grün fortgesetzt wird.

Die Rettungskräfte suchen den Atlantik nach einem vermißten Flugzeug ab und finden bislang nur Ölschmier und Müll - sicherlich nicht der schlechteste Anlaß, an die zunehmende Vermüllung der Ozeane zu erinnern.

5. Juni 2009