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LAIRE/095: Sinnstiftung durch die Abwrackprämie (SB)


Der Umweltaspekt der Abwrackprämie ist nebensächlich

Der folgsame Mensch soll sich wohlfühlen, wenn er konsumiert und dabei etwas "für die Umwelt" tut


Das Bundesumweltministerium hat eine Studie zum ökologischen Nutzen der Abwrackprämie in Auftrag gegeben und ein Ergebnis erhalten, das es sich kaum vorteilhafter gewünscht haben dürfte. Die Gutachter des Ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung) in Heidelberg behaupten in der vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie "Abwrackprämie und Umwelt - eine erste Bilanz" [1], daß die im Rahmen des Konjunkturpakets II beschlossene Prämie nicht nur der Konjunktur, sondern auch der Umwelt zugute kommt. Die Neuwagen produzierten weniger Luftschadstoffe und verbrauchten weniger Treibstoff als die verschrotteten Autos, fanden die Forscher heraus. Auch wenn Anreize geschaffen worden seien, daß der eine oder andere Fahrzeughalter seinen Altwagen vorzeitig zum Verschrotten gegeben hat, seien "die neuen Fahrzeuge (...) den ersetzten alten Fahrzeugen in Umweltbelangen so überlegen, dass sie eine 'ökologische Restschuld' aus einer vorzeitigen Verschrottung in deutlich kürzerer Zeit als einem Jahr abtragen". (S. 13)

Demnach sollen die von der Bundesregierung investierten fünf Milliarden Euro nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch gut angelegtes Geld sein, glaubt man den Heidelberger Forschern. Zu ergänzen wäre, daß es sich auch ideologisch um "gut", das heißt zielsicher angelegtes Geld handelt.

Bei ihren Berechnungen haben die Studienautoren die Neuwagen mit den alten Fahrzeugen verglichen und dadurch die Betrachtung von vornherein auf die Automobilindustrie beschränkt. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte werden jedoch viel umfänglichere Ideen, Konzepte und Vorschläge für Verkehrssysteme der Zukunft diskutiert. Abgesehen davon, daß die Bundesregierung, wie in anderen Ländern praktiziert, die Abwrackprämie an strengere Umweltauflagen hätte binden können, hätte sie beispielsweise zur Ankurbelung der Wirtschaft und Förderung von umweltschonenden Maßnahmen auch in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel investieren und die Fahrtkosten senken können. Das wäre ebenfalls eine Vitalspritze gewesen.

In der Studie wird der Blick auf den Vergleich "altes Auto versus neues Auto" verkürzt. Vom Standpunkt der Autoren mag das folgerichtig sein, vom Standpunkt der Frage, zu wessen Nutzen die Abwrackprämie angeblich und tatsächlich geschaffen wurde, läßt sich mehr dazu sagen. Immerhin wurde hier mit der Subventionierung der seit Jahren auf Halde produzierenden Autokonzerne ein gesellschaftlicher Kurs beibehalten, bei dem die Mobilität des Individuums weiterhin eine systemerhaltende Funktion erfüllen soll. Das Auto ist mehr als nur ein Statussymbol, es soll zur Identifikation verleiten und davon ablenken, daß es im wesentlichen dazu dient, innerhalb vorherrschender Produktionsbedingungen Menschen von Orten der Regeneration ihrer Arbeitskraft (Wohnung, Ausflugsziel, Urlaubsort) zum Verbrauch ihrer Arbeitskraft (Unternehmen) und zurück zu befördern.

In diesem Kontext kommt der Studie, in der nach dem Nutzen der Abwrackprämie für die Umwelt gefragt wird, eine ideologische Bedeutung zu: Die Menschen sollen sich gut fühlen, daß sie einen Beitrag zum Umweltschutz geleistet haben, indem sie die von der Regierung vorgegebenen konsumistischen Bahnen folgsam wie die Kühe an der Melkmaschine beschreiten. Dabei ahnen sie, die doch nur etwas Ruhe erwirtschaften wollen, anscheinend nicht oder gehen fest davon, daß sie nichts dagegen machen können, wenn sie tagtäglich etwas von ihrer Substanz zum Nutznieß anderer weggeben ... reden wir hier über Kühe oder Menschen?


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Anmerkungen:

[1] http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ifeu_abwrackpraemie_bf.pdf

9. September 2009