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LAIRE/100: Desertec Industrial Initiative - wer profitiert? (SB)


Die DII GmbH arbeitet genauso profitorientiert wie andere Wirtschaftsunternehmen


Nein, man kann der Desertec-Initiative nicht den Vorwurf machen, daß sie höchst anspruchsvolle technologische und politische Ziele in Angriff nimmt. Angesichts der bestenfalls zu ahnenden Probleme, die eine weitere Erderwärmung um auch nur ein paar Grad mit sich brächte, bedeutete es, den Kopf in den Sand zu stecken und zu scheitern, noch bevor man überhaupt angefangen hat, sich um Einfluß auf die Lebensverhältnisse der Menschen zu bemühen, wenn man nicht den Mut besäße, neue Wege einzuschlagen. Aber beschreitet die offiziell am 30. Oktober gegründete Desertec Industrial Initiative, die DII GmbH [1], neue Wege?

Das Desertec-Konzept sieht in seinem Kernsegment vor, über ganz Nordafrika und den Mittleren Osten (MENA - Middle East, North Africa) verteilt solarthermische Kraftwerke zu errichten. Der dort erzeugte elektrische Strom soll über vergleichsweise verlustarme Gleichstrom-Hochspannungsleitungen zusammengeführt und via Seekabel nach Westeuropa transportiert werden. Bis 2050 könnten 15 Prozent des elektrischen Strombedarfs der Europäischen Union mit Hilfe der Solarthermie sowie ergänzend durch weitere regenerative Energieträger erzeugt werden. Die Investitionskosten werden mit rund 400 Milliarden Euro bis zum Jahre 2050 veranschlagt. Auch die afrikanischen Staaten könnten mit "Energie aus der Wüste" beliefert werden, heißt es.

Bei der regen Diskussion über das Desertec-Konzept wurde bisher wenig beachtet, daß die beteiligten Unternehmen - derzeit sind dies ABB, ABENGOA Solar, Cevital, DESERTEC Foundation, Deutsche Bank, E.ON, HSH Nordbank, MAN Solar Millennium, Munich Re, M+W Zander, RWE, SCHOTT Solar and Siemens - selbstverständlich Profite machen wollen. Daß sich das Konzept als Klimaschutzmaßnahme verkaufen läßt, ist nützlich, vielleicht sogar unverzichtbar in der heutigen Zeit des Green New Deals, aber dennoch nicht prioritär. Bei den Firmen handelt es sich um keine Stiftungen, die aus welchen Motiven auch immer Gelder zu verschenken hätten, oder dem Altruismus verschriebene Einrichtungen, sondern um profitorientierte Unternehmen, die sich gegenüber der Konkurrenz durchzusetzen haben.

Wenn es also darum geht, Profite zu erwirtschaften, stellt sich die Frage, zu wessen Lasten dies geht. Oder sollte es bei Desertec nur Gewinner und keine Verlierer geben? Zunächst einmal ist zu erwarten, daß sich die Unternehmen ihre hohen Investitionskosten durch staatliche Bürgschaften absichern lassen. Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso haben sich bereits sehr wohlwollend über das Projekt geäußert. Es darf also vermutet werden, daß die Risiken zum Teil auf die Steuerzahler abgewälzt werden.

In der Regel wurden bislang noch keine konkreten Verhandlungen mit den Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens über den Bau solarthermischer Anlagen geführt. Es läßt sich jedoch denken, daß sie den Strom nicht umsonst erhalten werden. Sollten sich die MENA-Staaten an dem Projekt beteiligen, begeben sie sich in eine technologische Abhängigkeit, wie sie ähnlich bei der Gewinnung anderer energetischer Ressourcen (beispielsweise Erdöl und Erdgas) zu beobachten ist. Siemens hat am 15. Oktober - mit Blick auf seine DII-Beteiligung - das israelische Unternehmen Solal Solar Systems, dessen Stärken im Bau von Receivern und der Konzepterstellung für solarthermische Anlagen liegen, für 418 Millionen Dollar erworben. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie das Know-how in die Hände der DII gerät. Es entspricht der Marktlogik, daß die GmbH bzw. die an Desertec beteiligten Unternehmen versuchen werden, ihren technologischen Vorsprung auszubauen und ihre Position möglichst unanfechtbar zu machen.

Wohingegen die Beteiligung der Deutschen Bank an der Initiative anzeigt, daß hier in der Finanz-Oberliga gespielt wird. Sicherlich werden die Staaten des MENA-Raums kaum in der Lage sein, ein solches Großprojekt selbst aufzuziehen. Sie dürften sich mit der DII arrangieren, wobei ihr Problem darin bestehen wird, daß sie gegeneinander auszuspielen sind. Sollte ein MENA-Staat, in dem ein solarthermisches Kraftwerk stehen oder auf dessen Territorium eine Hochspannungsleitung verlegt werden soll, zu hohe Forderungen an die DII stellen, besitzt die GmbH Ausweichmöglichkeiten. So wie die Produzenten von Baumwolle, Cashewnüssen, Energiepflanzen für Agrosprit oder anderen Produkten aus Afrika in Konkurrenz zueinander und dem Rest der Welt stehen und ihren Besitz an Rohwaren nicht zu ihrem Vorteil machen können, werden auch die Anbieter von einstrahlungsintensiver "Wüstenfläche" absehbar miteinander konkurrieren.

Das Desertec-Konzept wird als Klimaschutzinitiative verkauft, aber das allein besagt noch nichts. Schließlich versucht selbst eine Branche wie die Nuklearwirtschaft, ihr Image aufzupolieren und auf den Klimaschutzzug aufzuspringen. Die DII GmbH wird nicht anders wirtschaften als Gesellschaften aus anderen Branchen, was die Behauptung des DII-Geschäftsführers Paul von Son gegenüber der "Financial Times Deutschland" [2], man betreibe keinen "Neokolonialismus", fragwürdig erscheinen läßt. Es ist partout nicht zu erkennen, worin sich die Desertec-Industrie-Initiative von den üblichen Investitionsvorhaben, die von den Unternehmen führender Wirtschaftsnationen in Afrika und dem Mittleren Osten getätigt werden, unterscheiden soll.


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Anmerkungen:

[1] "Joint venture DII established and ready to take up work", Presseerklärung, 30. Oktober 2009
http://www.desertec.org/en/press/press-releases/091030-01-formation-dii-gmbh/

[2] "Strom aus der Wüste - Desertec-Chef kontert Kritiker", Financial Times Deutschland, 2. November 2009
http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:strom-aus-der-wueste- desertec-chef-kontert-kritiker/50031445.html

2. November 2009