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LAIRE/134: Schlappe für US-Regierung - Konzerne dürfen offshore nach Öl bohren (SB)


Konzerne up - Regierung down

Obama-Administration scheitert vor Berufungsgericht mit Moratorium gegen Tiefsee-Erdölbohrungen


Ein Berufungsgericht in New Orleans hat die Aufhebung des von der US-Regierung verhängten Moratoriums zum Stopp von Tiefseebohrungen vor der US-Küste bestätigt. Die Obama-Administration habe nicht nachweisen können, daß die Regierung "irreparablen Schaden" erleidet, falls das Moratorium aufgehoben würde, befanden die drei Richter des U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit am Donnerstag. Einer von ihnen, W. Eugene Davis, erklärte allerdings, daß das Gericht wahrscheinlich Ende August, Anfang September Anhörungen zum Moratorium durchführen lassen werde. Das letzte Wort zu der strittigen Frage sei somit noch nicht gesprochen.

Die Anwälte des Innenministeriums hatten den Standpunkt vertreten, daß das Verbot erforderlich ist, um vor dem Hintergrund des Ölkatastrophe durch das außer Kontrolle geratene Bohrloch im Golf von Mexiko die Risiken von Tiefseebohrungen zu prüfen. Von dem Verbot wären nur 33 Bohrlöcher betroffen gewesen, und das auch nur für sechs Monate. Doch die betroffenen Ölkonzerne hatten gegen das Moratorium geklagt und am 22. Juni Recht bekommen.

Unterdessen strömt Rohöl in einem nimmer endenden Fluß aus dem Bohrloch. Abgesehen von einer Entlastungsbohrung, die neben der Bohrstelle ausgebracht wird, bereitet BP eine neue Glocke vor, mit der das gesamte austretende Erdöl abgefangen werden soll. Mitte August könnte der Abschluß erfolgen, stellt das Unternehmen in Aussicht. Anschließend würde der Schwerpunkt auf dem Großreinemachen liegen, wobei dazu einschränkend gesagt werden muß, daß eine erhebliche Menge Öl im Meer verbleibt, feinst verteilt durch Dispersionsmittel, die ihrerseits die Umwelt gefährden.

Der irreparable Schaden, den das Gericht nicht als potentielle Gefahr anerkennen will, ist in anderer Hinsicht längst eingetreten. Die Unternehmen stoßen in immer größere Tiefen vor, um an das "schwarze Gold" heranzukommen und eine Gesellschaft mit Brennstoff zu versorgen, die, an der Spitze der sogenannten technologischen Entwicklung der Menschheit, durch ihre Lebensweise planetare Umweltschäden erzeugt. Wobei dies nicht allein für die USA, sondern für alle Industriestaaten gilt, und wenn man sich anschaut, welche "Fortschritte" Schwellenländer wie Indien oder China verzeichnen, so wird klar, daß sie sich auf dem gleichen Weg befinden. Weniger der Erdölförderung als dem Verbrauch dieses fossilen Energieträgers kommt jedoch eine erhebliche Verantwortung für die Veränderung der Atmosphärenzusammensetzung des Planeten und damit für seine Erwärmung zu.

Zu beurteilen, ob jemand einen in der Zukunft liegenden irreparablen Schaden erleiden könnte, ist sicherlich Ermessenssache. Aber prinzipiell waren die Karten in dieser rechtlichen Auseinandersetzung von vornherein ungleich verteilt. Denn wie soll jemand belegen, daß ein noch nicht eingetretenes Ereignis zu irreparablen Schäden führt? Zumal die US-Regierung das Moratorium auch deshalb braucht, weil sie prüfen will, ob und inwiefern die Offshore-Förderung unter anderem diese Gefahr eines irreparablen Schadens heraufbeschwört. Das Urteil, das die Anwälte der Erdölindustrie erwirkt haben, erweckt den Anschein, als wollten die Unternehmen verhindern, daß die Regierung ihnen allzu genau auf die Finger schaut und womöglich Fragen zur Sicherheit stellt, die unbequem sind und von niemandem beantworten werden können.

Wobei hier die US-Administration nicht als reines Opfer übermächtiger Interessen dargestellt werden soll. Immerhin waren es Behörden, die Genehmigungen zur Offshore-Förderung erteilt und dabei ein oder zwei Augen zugedrückt haben, um nichts zu sehen und nichts zu hören.

Nimmt man das Urteil des Berufungsgerichts ernst, so erleidet die US-Regierung keinen irreparablen Schaden, wenn im Tiefseebereich des Golfs von Mexiko unverzögert weiter nach Öl gebohrt wird. Man müßte die Richter fragen, ob sie meinen, daß sie zu einem Zeitpunkt, da das Bohrloch von Deepwater Horizon noch nicht explodiert war, zu dem gleichen Urteil gelangt wären. Sollten sie die Frage mit Ja beantworten, würden sie dann nicht von den nachfolgenden Ereignissen widerlegt und müßten ihr Urteil revidieren? Würden sie die Frage mit Nein beantworten, müßten sie dann ihr Urteil nicht ebenfalls zurücknehmen?

9. Juli 2010