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LAIRE/159: Wer erhält die 30 Silberlinge für die zukünftige Erdgasförderung in NRW? (SB)


Förderung von unkonventionellem Erdgas in Nordrhein-Westfalen

Exxon-Manager kündigt Investitionen an


Wenn ein Konzern, der sich mit der umstrittenen Förderung von unkonventionellem Erdgas befaßt, die Investition eines deutlichen dreistelligen Millionenbetrags ankündigt, sollten alle Alarmglocken läuten. Mindestens bei jenen, die dem Konzern bei seinem Vorhaben im Wege stehen könnten, weil sie Grundstücke ihr eigen wähnen, unter denen das Gas lagert. Exxon, so heißt es laut Reuters [1] in einem Vorabbericht des "Handelsblatts" vom Samstag, würde sogar Milliardenbeträge investieren, sollte das Gas in der nötigen Konzentration vorliegen und sich wirtschaftlich fördern lassen.

Werden wir demnächst von Neu-Ossenbeck oder gar Neu-Drensteinfurt hören, weil das Bohren nach Schiefergas und anderem unkonventionellen Erdgas eine insgesamt sehr flächenbeanspruchende Tätigkeit ist und diese Orte dem höheren Ziel ein Opfer bringen müssen? Die Einwohner von Horno und anderer aufgrund ökonomischer Interessen dem Erdboden gleichgemachter Dörfer in Ostdeutschland, die dem Braunkohletagebau gewichen sind, leben jetzt in Orten, die ein "Neu-" als Vorsilbe tragen.

Zugegeben, der Vergleich zwischen den Energieträgern Braunkohle und Erdgas ist übertrieben. Mit Absicht. Es soll deutlich gemacht werden, daß eine Landschaft, in der nicht nur hier und da erkundet, sondern großmaßstäblich nach unkonventionellem Erdgas gesucht wird, eine dramatische Umformung erfährt. Ein Stöbern auf einer kritischen Website aus den USA, wo schon unliebsame Erfahrungen mit der Förderung des sogenannten "shale gas" (Schiefergas) gemacht wurden, lohnt sich. [2]

In Nordrhein-Westfalen haben sich neun Unternehmen Claims abgesteckt, in denen sie ihre Rüssel durch die Grundwasser führenden Schichten hindurch tief in den Boden rammen wollen, um nach Erreichen der gashaltigen Gesteinsschicht unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand, chemischen Stabilisatoren und keimabtötenden Bioziden einzupressen. Sollten sich die Abschätzungen der Geologen bestätigen, wonach unter NRW 2100 Milliarden Kubikmeter Gas lagern, dann wäre dies das zweitgrößte Erdgasvorkommen Europas. Dann hätten die Einwohner der Fördergebiete ein ernsthaftes Problem! Mit fünf bis sechs Bohrungen pro Quadratkilometer müßten sie rechnen. Zu jeder dieser Bohrstelle müssen einigermaßen befestigte, für Lkw befahrbare Wege gebaut werden. Es bedarf jeweils einer großen Stellfläche für die Fahrzeuge, das Bohrgestänge, die Unterkünfte des Personals, die eigentliche Förderanlage, Speicher für das wieder hinaufgepumpte Abwasser, etc. Nicht zu vergessen den Kompressor, der seinerseits Lärm und Abgase produziert. Der Mensch praktiziert viele Formen der Landschaftsgestaltung - die Gasförderung gehört in die Kategorie der zerstörerischsten.

Nur ein Teil des Wasser-Sand-Chemikalien-Gemischs wird wieder hinaufgepumpt, und eine Grundwasserverseuchung soll durch Befestigungen des Bohrwegs verhindert werden. Das gelingt allerdings nicht immer, wie flammenwerfende Wasserhähne, Explosionen in Privathäusern und andere überraschenden "Kollateralschäden" der Schiefergasförderung bewiesen haben. [3]

Unbestritten, so eine Gasförderung hat auch riesige Vorteile. Das kann man am Reichtum der Energiekonzerne ablesen. Die sind zu milliardenschweren Global Playern aufgestiegen, unter anderem weil sie den Bewohnern anderer Weltregionen enorme Investitionen in Aussicht gestellt haben. Und was ist mit den Bewohnern der zukünftigen Gasfördergebiete in Nordrhein-Westfalen? Nun ja, vielleicht kaufen die Exxon-Mitarbeiter beim Bäcker um die Ecke in Drensteinfurt, Borken oder Nordwalde manchmal morgens ein paar belegte Brötchen, die sie mit dem alkoholfreien Bier vom Supermarkt hinunterspülen. Das bringt dem einen oder anderen örtlichen Geschäftsmann ein paar zusätzliche Euro in die klamme Kasse.

Aber nicht einmal die 30 Silberlinge, die Unternehmen schon mal gern als Türöffner zahlen, wenn sie staatliche Akteure auf ihre Seite ziehen müssen, um den Widerstand der Bevölkerung gegen ihr Vorhaben zu brechen, werden auf die von den Umweltschäden am stärksten Betroffenen umverteilt, sondern landen in den Taschen bestimmter Entscheidungsträger und Weichensteller. Womit nicht gesagt werden soll, daß eine solche Umverteilung die Förderung unkonventionellen Erdgases akzeptabel macht. Doch sollten die Bürgerinitiativen, die sich gebildet haben und vermutlich noch bilden werden, sehr genau prüfen, in welcher zeitgemäßen Form und an wen die Silberlinge gezahlt werden, wer von der Gasförderung profitiert und wer absehbar das Nachsehen haben wird.


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Anmerkungen:

[1] "Exxon will Millionen in Erdgas-Suche in NRW investieren", Reuters, 23. Januar 2011
http://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE70M01W20110123

[2] http://www.un-naturalgas.org/index.htm

[3] Näheres dazu im Schattenblick unter UMWELT -> REDAKTION -> RESSOURCEN:
RESSOURCEN/129: Risikotechnologie Schiefergas-Förderung (SB)

23. Januar 2011