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LAIRE/201: "Great Green Fleet" der US-Navy am Pazifikmanöver RIMPAC 2012 beteiligt (SB)


Der erste "grüne" Flottenverband der USA mitverantwortlich für Vergiftung der marinen Umwelt



Inzwischen wurden die ersten US-Kriegsschiffe mit Treibstoff aus Pflanzen betankt und auf große Fahrt geschickt. "Great Green Fleet" - Große Grüne Flotte - nennt die US-Navy einen Verband aus Kriegsschiffen, von denen einige mit einem Gemisch aus 50 Prozent Diesel und 50 Prozent Biodiesel, der aus Algen und altem Speiseöl gewonnen wurde, um die Welt shippern [1]. Zu einer der ersten Aufgaben der mutmaßlichen Öko-Flotte und als Vorbereitung für den eigentlichen Startschuß im Jahr 2016 gehört die Versenkung von drei alten Kriegsschiffen, in denen viele toxische Materialien eingebaut wurden, vor der Küste Hawaiis noch im Laufe dieses Monats. Soviel zum Thema, die US-Navy sei "grün".

Die Umweltorganisation Earthjustice, welche den Sierra Club und das Basel Action Network vor Gericht vertritt, hatte eine Klage bei einem Bezirksgericht in San Francisco gegen die US-Umweltschutzbehörde EPA eingereicht und verlangt, daß das Versenken von Kriegsschiffen im Rahmen der sogenannten SINKEX-Manöver aufhört. Wie der Name schon ahnen läßt, dienen bei diesen Manövern die alten Kriegsschiffe als Ziele, die versenkt werden. Die Great Green Fleet soll im Laufe dieses Jahres im Rahmen eines solchen SINKEX-Manövers das Schiff "Coronado" auf den Ozeanboden schicken; die drei Schiffe "Kilauea", "Niagara Falls" und "Concord" sind als Ziele für das gegenwärtige zirkumpazifische Marinemanöver RIMPAC 2012 vorgesehen. Dieses größte Marinemanöver der Welt, an dem 42 Nationen teilnehmen, begann am 29. Juni und wird am 3. August zu Ende gehen.

Im April dieses Jahres schloß sich das Center for Biological Diversity der EPA-Petition der beiden anderen Organisationen an, wobei es die Umweltschutzbehörde aufforderte, eine Ausnahmeregelung von der Umweltgesetzgebung, die für das SINKEX-Programm der Navy eingeräumt worden war, zurückzunehmen. Die US-Marine verstößt mit ihrem Schiffeversenken gegen eine ganze Palette an Umweltgesetzen, beispielsweise gegen das Marine Protection, Research and Sanctuaries Act und das Toxic Substances Control Act sowie die internationale Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter aus dem Jahr 1972 (auch London Convention genannt), gegen die Stockholm Convention on Persistant Organic Pollutants, die Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal, und eine Reihe von OECD-Vereinbarungen.

Die Great Green Fleet, die aus den Kriegsschiffen USS NIMITZ, Carrier Air Wing ELEVEN, USS CHAFEE, USS CHUNG HOON, USS PRINCETON und USNS HENRY J KAISER besteht, ist eindeutig das Highlight des alle zwei Jahre stattfindenden, weltgrößten Marinemanövers. Die grüne Flotte wird von der U.S.S. NIMITZ, also ausgerechnet von einem atomar angetriebenen Flugzeugträger angeführt und soll nicht nur jene 50:50-Treibstoffmischung, sondern auch andere "grüne" Technologien erproben, wozu beispielsweise der effizientere Einsatz von Energie gehört. Die für die Versenkung vorgesehenen Schiffe enthalten unter anderem Schwermetalle, PCBs (Polychlorierte Biphenyle), Asbest, Tributylin. Die würden in die Meeresumwelt gelangen, wenn die Schiffe nicht abgewrackt werden.

Das Abwracken könnte etliche Arbeitsplätze sichern und rund 38.000 Tonnen Stahl, Kupfer und Blei im Wert von 27,6 Millionen Dollar der Wiederverwertung zuführen. "Die Überheblichkeit der neuen ökologischen 'Great Green Fleet' der Navy, die ihr 'Grünsein' durch das Versenken von Schiffen, die weltweit verbotene Schadstoffe enthalten, vor der Küste Hawaiis ist besonders zynisch", meint Colby Self von der Green Ship Recycling Campaign bei der BAN. Das SINKEX-Programm sei ökologisch wie ökonomisch eine Beleidigung, koste es doch den Amerikanern Hunderte von grünen Jobs in der Recycling-Branche.

Auch die Partei der oppositionellen Republikaner üben Kritik an der Great Green Fleet, wenngleich mit anderen Argumenten und mit einer anderen Stoßrichtung als die Umweltschützer. Der republikanische Senator John McCain hält die Kosten von 26 Dollar pro Gallone Biosprit für überzogen. Ein schwaches Argument, das einfach zu entkräften wäre und wohl auch nur als Wahlkampfgetöse zu verstehen ist. McCain, ein früherer Kampfpilot, dem schon mal nachgesagt wurde, daß er aufgrund seines Abschusses während des Vietnamkriegs und seiner Kriegsgefangenschaft ein Trauma erlitten hat, zeichnet sich normalerweise durch ziemlich martialische Töne aus. Er ist durch und durch Militarist und sollte eigentlich verstehen, daß die US-Streitkräfte wie auch die US-Gesellschaft insgesamt sehr stark von ausländischem Erdöl abhängig sind. Diese Bindung bildet einen strategischen Schwachpunkt, den der Staatssekretär für die Navy, Ray Mabus, beheben will. So hat er vor drei Jahren "fünf aggressive Energieziele" ausgegeben - und keines davon handelt von Konzepten zum Schutz vor dem Klimawandel. Darum geht es nicht bei der Umrüstung der Navy mit ihrer Great Green Fleet [2] und anderen Streitkräftegattungen der Vereinigten Staaten.

Wohl aber geht es darum, sich die militärische Schlagkraft auch in Zeiten des Klimawandels und der allgemeinen Ressourcenverknappung zu bewahren. Während in Fachkreisen noch immer darüber diskutiert wird, wann das Erdöl wohl knapp werden könnte und ob Peak-Oil bald erreicht werde, sind die Militärapparate längst damit befaßt, sich auf die kommende Mangellage bei fossilen Brennstoffen vorzubereiten. Ein Konflikt mit dem Iran, bei dem die Straße von Hormus durch Minen unpassierbar gemacht würde, hätte schon deutliche Auswirkungen auf die Weltversorgung mit Erdöl. Würde aber Saudi-Arabien in einen Krieg verwickelt und die Erdölversorgung unterbrochen werden, käme es unweigerlich zu Versorgungsengpässen, von denen womöglich auch die USA trotz ihrer militärischen Dominanz betroffen wären. Immerhin verbrauchen die Streitkräfte mehr als 320.000 Barrel Treibstoff - pro Tag!

Mabus will erreichen, daß die Navy bis zum Jahr 2020 jährlich acht Millionen Barrel (1 Barrel = ca. 159 Liter) Biosprit verbraucht [3]. Selbst wenn dieses Ziel erreicht würde, wäre das wenig im Vergleich zum Anteil der fossilen Energien am Treibstoffverbrauch des Militärs, denn es würden lediglich 22.000 Barrel ersetzt. Ob die Amerikaner so viele Hühnerbeine futtern können, damit genügend Fett abfällt, aus dem "alternativer" Treibstoff hergestellt werden kann, ist doch sehr die Frage. Auch die Algenproduktion müßte erst im ganz großen Stil anlaufen, sollte dieser Bedarf gedeckt werden. Das wissen auch die Pentagon-Strategen und so wollen sie alle möglichen Quellen von Biosprit anzapfen, sofern diese nur die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllen, erklärt Tom Hicks, der für Energie zuständige Unterstaatssekretär bei der Navy [3].

Das großmaßstäbliche Verbrennen von Biomasse nicht nur durch das US-Militär, sondern weltweit ist eine menschlich gesehen katastrophale Entwicklung. Denn auch wenn dabei keine Nahrung vernichtet werden sollte - was im übrigen noch gar nicht feststeht -, so sind es immerhin Nährstoffe, die sich in Rauch auflösen und einer Milliarde hungernden Menschen fehlen - womit hier keiner Hunger- und Armutsverwaltung, bei der der Abfall der Reichen für die Bedürftigen aufbereitet wird, das Wort geredet werden soll. Die Great Green Fleet ist jedoch Bestandteil eines Militärapparats, der eine die USA und ihre Verbündeten begünstigende Weltordnung gegen das Lebens- und Überlebensinteresse eines Milliardenheers von marginalisierten Menschen durchsetzt


Fußnoten:

[1] "U.S. Navy's 'Great Green Fleet' Would Pollute the Ocean", Environment News Service (ENS), 2. Juli 2012
http://www.ens-newswire.com/ens/jul2012/2012-07-02-092.html

[2] "Great Green Fleet - Overview", aus dem Netz abgerufen am 12. Juli 2012
http://greenfleet.dodlive.mil/energy/great-green-fleet/

[3] "Insight: 'Green Fleet' sails, meets stiff headwinds in Congress", Reuters, 2. Juli 2012
http://www.reuters.com/article/2012/07/02/us-usa-navy-greenfleet-idUSBRE86106X20120702

12. Juli 2012