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LAIRE/279: CO2 - kommt Zeit, kommt Rat ... (SB)



Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hält einen Ausstieg Deutschlands aus der Kohleverstromung bis 2030 für unmöglich. Braunkohle bleibe ein wichtiger Eckpfeiler für die Stromversorgung, sagte er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Er hält es für ausgeschlossen, daß der Energiebedarf der stromintensiven Betriebe wie der Chemie-, Stahl- und Aluminiumindustrie bis dahin durch Wind und Sonne gedeckt werden könnte. Hingegen hält er einen Ausstieg aus der Kohle vor 2045 - bis dahin läuft die Betriebsgenehmigung des nordrhein-westfälischen Braunkohletagebaus Garzweiler II - für wahrscheinlich. Es gehe auch darum, ob wir wettbewerbsfähig bleiben und jederzeit bezahlbaren und jederzeit verfügbaren Strom haben. Diese Dimension gehe in der Diskussion etwas unter, meinte Laschet.

"Etwas untergehen" - nun, die Marshallinseln gehen voraussichtlich um das Jahr 2045 herum unter. Die Staaten Tuvalu und Kiribati ebenfalls. Auch andere flache Inselstaaten wie die Malediven sowie niedrig gelegene Küstengebiete, beispielsweise Bangladeschs, gehen unter, weil der Meeresspiegel steigt und Regierungsmitglieder wie Laschet es ablehnen, fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas im Boden zu lassen. 80 bis 90 Prozent der weltweit bekannten Lagerstätten mit diesen Rohstoffen dürfen nicht ausgeschöpft werden, damit wenigstens eine geringe Chance besteht, die aus dem Ruder geratene globale Erwärmung zu bremsen.

Laschet irrt, wenn er behauptet, daß Deutschland auf die Verbrennung von Braunkohle nicht verzichten kann. Ein Ausstieg innerhalb von zehn, zwölf Jahren wäre sogar sozialverträglich zu schaffen. Man muß nur das entsprechende Interesse entwickeln. Es könnte allerdings sein, daß aus Laschet nicht nur der Ministerpräsident des führenden deutschen Braunkohle-Bundeslands spricht, das schon mal wegen seiner Nähe zu einem Energiekonzern nicht NRW, sondern RWE-Land genannt wird. Laschet spricht möglicherweise nicht zufällig Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit an. Weltweit finden zur Zeit Ressourcenumverteilungskämpfe statt. Es ist nicht allein die US-Regierung unter Donald Trump, die gegenwärtig das Tempo erhöht und Druck macht, indem sie beispielsweise die heimische Industrie von Umweltauflagen befreit, um ihr Vorteile gegenüber der Weltmarktkonkurrenz zu verschaffen. Dem "America First!" des US-Präsidenten entspricht Laschets sicherlich mit etwas weniger Pathos vorgetragene, aber im Grunde nichts anderes für die hiesige Gesellschaft reklamierende "Wettbewerbsfähigkeit". Und so wie die Trump-Administration durch die Aufhebung oder Verwässerung einer Reihe von Umweltauflagen dafür Sorge trägt, daß die eigene Wirtschaft schlagkräftiger wird, setzt Deutschland regelmäßig auf EU-Ebene den Hebel an unliebsamen Umweltbestimmungen an. Beispielsweise um zu verhindern, daß Autos der Premiumklasse allzu strenge Abgasauflagen erfüllen müssen.

Sollte sich das globale Ringen um Ressourcen weiter verschärfen, womit in Anbetracht des Klimawandels, Bevölkerungswachstum und Endlichkeit der Rohstoffe zu rechnen ist, dürften die Regierungen geneigt sein, mehr als bisher alle als Behinderung der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten angesehene Umweltauflagen zu streichen. So werden also aus (vorgeschobenen) Gründen der Energiesicherheit in NRW weiterhin ganze Dörfer devastiert und uralte Wälder wie der Hambacher Forst gerodet, weil sich mehrere hundert Meter unterhalb von ihnen eine geologische Schicht mit Braunkohle befindet. Oder es wird jenseits des Atlantiks ein arktischer Nationalpark zur Erkundung des Lagerstättenpotentials von Erdöl freigegeben, obgleich eine Ölförderung im Hohen Norden unabweislich Umweltschädigungen auslösen wird.

Wenn sich die Staatenkonkurrenz weiter zuspitzt, verlieren Umweltthemen ihre Bedeutung. Was bleibt also in einer Zeit der multiplen Krisen und Kriege von der Umweltbewegung, die sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelt hat? Von den Zielen und Träumen ihrer Protagonisten? Möglicherweise nur jener Anteil, der sich administrativ als Erziehungs- und Zuchtmittel gegen die Bevölkerung verwerten läßt, um hierüber die eigene Verfügungsgewalt zu sichern und weiter auszubauen. Diese Dimension geht in der Diskussion um die Fortsetzung des Braunkohleabbaus etwas unter ...

1. Juni 2018


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