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OFFENER BRIEF/025: SPD Schleswig-Holstein muss gegen CETA stimmen (BUND SH)


BUND Landesverband Schleswig-Holstein e.V. - Kiel, 8. September 2016

SPD Schleswig-Holstein muss gegen CETA stimmen


Mit einem offenen Brief hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Schleswig-Holstein die SPD Schleswig-Holstein zur Ablehnung von CETA auf dem SPD-Parteikonvent am 19. September in Wolfsburg aufgefordert. Die Handelsabkommen CETA und TTIP seien nicht mit sozialdemokratischen Werten vereinbar und müssten gestoppt werden. Insbesondere Umwelt- und Verbraucherschutz seien nicht verhandelbar. Die Versicherungen des SPD-Parteivorstandes, dass CETA noch nachvollhandelt werden könne, sind für den BUND völlig unrealistisch.

Die von der SPD festgelegten roten Linien für TTIP lassen auch keinen Pro-CETA-Kurs zu. "Diese Auffassung teilen wir mit einer großen Zahl zivilgesellschaftlicher Organisationen und sehr vielen sozialdemokratischen Mitgliedern und Wählern", sagte die BUND-Landesvorsitzende Claudia Bielfeldt. Der CETA-Entwurf gefährde ebenso wie TTIP, das Handelsabkommen zwischen EU und USA, die demokratische Mitbestimmung, den Umwelt- und Verbraucherschutz sowie die öffentliche Daseinsvorsorge. "Dass nun der SPD-Bundesparteivorstand behauptet, man könne CETA im parlamentarischen Prozess noch verbessern, ist nicht richtig: CETA ist ausverhandelt, die Kanadier werden weitere Veränderungen nicht akzeptieren - das wurde der EU klar signalisiert. Deshalb muss die SPD jetzt Farbe bekennen: pro sozialdemokratische Werte oder lieber den umwelt- und verbraucherfeindlichen Kurs weiterfahren?", fragt Bielfeldt.

Als besonders kritisch an den Abkommen bezeichnete Bielfeldt, dass CETA und TTIP das in der EU geltende Vorsorgeprinzip zu unterwandern drohten. Weiterhin enthalte CETA wie auch TTIP umfassende Sonderklagerechte für ausländische Investoren und schwäche dadurch die parlamentarische Kontrolle.

Als einen wichtigen Kritikpunkt an CETA, der insbesondere die Länder und Kommunen betreffe, sieht Bielfeldt den Bereich der Daseinsvorsorge an: "Die öffentlichen Dienstleistungen werden unter CETA automatisch liberalisiert, sofern sie nicht explizit als Ausnahme aufgelistet sind. Ausgerechnet Deutschland hat keine Ausnahme reserviert, welche die Rekommunalisierung von Strom- und Gasnetzen schützt. Privatisierungen wie in Hamburg etwa rückgängig zu machen, wäre mit CETA künftig nur noch sehr schwer möglich", erläutert Bielfeldt.

Auf dem SPD-Konvent in Wolfsburg müssten die SPD-Delegierten aus Schleswig-Holstein daher gegen CETA stimmen. "Die EU bleibt auch ohne CETA die größte Handelsmacht der Welt. Als solche hat die EU - und Deutschland als Exportnation im Besonderen - eine Verantwortung, den Handel fair, sozial und ökologisch zu gestalten. Mit CETA wird der Handel hingegen noch unfairer, unsozialer und umweltschädlicher - die SPD hat die Chance dies zu verhindern und endlich Rückgrat zu zeigen", so Bielfeldt abschließend.

Um auf seine Forderung an die SPD Schleswig-Holstein hinzuweisen, wird der BUND Schleswig-Holstein mit einer Aktion am Freitag, 9. September ab 19:30 Uhr vor der SPD-Zentrale in Kiel, Kleiner Kuhberg 28, auf die Großdemonstrationen am 17. September aufmerksam machen.

Raute


Offener Brief des BUND SH an die SPD Schleswig-Holstein

BUND Schleswig-Holstein, Lorentzendamm 16, 24103 Kiel

SPD Landesverband Schleswig-Holstein
Kleiner Kuhberg 28-30
24103 Kiel

vorab per E-Mail

Offener Brief zur Entscheidung über CETA

6. September 2016

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Albig,
sehr geehrter Herr Stegner,
sehr geehrte Delegierte der SPD Schleswig-Holstein,

am 19. September wird Ihre Partei auf dem Sonderkonvent in Wolfsburg über CETA, das Handels-und Investitionsabkommen mit Kanada entscheiden. Sie haben hierfür "Rote Linien" festgelegt, die es nach unserer Auffassung nicht möglich machen, dem vorliegenden Vertragsentwurf zuzustimmen. Diese Auffassung teilen wir mit einer großen Anzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen und auch einer großen Zahl sozialdemokratischer Mitglieder und Wähler. Der nun zur Unterzeichnung vorliegende CETA-Entwurf ist eine Gefahr für unsere Demokratie, den Umwelt-und Verbraucherschutz sowie die öffentliche Daseinsvorsorge. Wir fordern deshalb die Delegierten Ihres Landesverbandes beim Parteikonvent am 19. September auf, gegen CETA zu stimmen.

Der jetzt vorliegende CETA-Entwurf enthält Teile, die nicht minder gefährlich sind als die bekannt gewordenen Texte aus den Verhandlungen über TTIP: CETA enthält wie TTIP umfassende Sonderklagerechte für ausländische Investoren CETA gewährt ausländischen Investoren weiterhin gesonderte Klagerechte, mit denen sie am europäischen und nationalen Rechtsweg vorbei Regierungen verklagen können. Artikel 8.10, 8.12 und Anhang 8A beinhalten die im SPD-Beschluss abgelehnten Klauseln der "fairen und gerechten Behandlung" und der "indirekten Enteignung". Ein Investor erhält sogar das Recht, sein auf einer "spezifischen Erklärung" beruhendes "berechtigtes Vertrauen", das ihm eine Regierung vermittelt habe, bei einer Klage geltend zu machen. Konkret: Ob demnächst bereits das freundliche Schreiben eines SPD-Ministerpräsidenten oder Ministers an einen Investor oder erst ein Verwaltungsbescheid als Grundlage für eine solche Klage ausreicht, entscheiden demnächst nicht unsere Verwaltungsgerichte, sondern ein Gremium aus drei Schiedsrichtern. Es gibt keinen Grund, ein solches Sonderklagerecht zwischen Industriestaaten mit entwickeltem Rechtssystem einzuführen.

CETA schwächt die parlamentarische Kontrolle

Auch weiterhin ist in CETA das demokratische Recht, Gesetze zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, der Umwelt und des Sozialstaats zu verabschieden nicht ausreichend gegen Investorenklagen geschützt. Die Formulierungen des Vertrages sind so unverbindlich, dass letztendlich die Schiedsrichter des Investitionstribunals abwägen können, was "legitime politische Ziele" einer Regierung sind (Artikel 8.9) und ob diese höher wiegen als das oben erwähnte "berechtigte Vertrauen" eines Investors. Außerdem schafft CETA eine Vielzahl an Sondergremien, deren Befugnisse demokratisch nicht legitimiert sind und die praktisch in die Regelungshoheit von Parlamenten eingreifen.

CETA untergräbt das Vorsorgeprinzip

CETA droht das in der EU geltende Vorsorgeprinzip zu unterwandern. Ohne seine ausdrückliche Sicherung im Vertragstext sind Verbraucher- und Umweltschutzstandards angesichts der mit CETA geplanten umfassenden Liberalisierungen und Harmonisierungen in Gefahr. Der in CETA enthaltene Bezug auf das WTO-Recht hilft dabei nicht. Im Gegenteil: Gerade auf dieser Grundlage konnten die USA und Kanada das Vorsorgeprinzip der EU angreifen und sie erfolgreich vor einem Schiedspanel der WTO wegen des Verbots von Hormonfleisch verklagen. Hinzu kommt, dass der CETA-Vertragstext ausgerechnet im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Produkten die Förderung "wissenschaftsbasierter Zulassungsverfahren" anführt - eine klare Absage an das Vorsorgeprinzip und eine Unterminierung der EU-Gentechnikgesetzgebung.

CETA gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge

Sowohl private als auch öffentliche Dienstleistungen werden mit CETA automatisch liberalisiert, wenn sie nicht explizit als Ausnahme in einer sogenannten Negativliste aufgelistet werden. Dieser "Negativlisten-Ansatz" beschneidet die kommunale Organisationsfreiheit. So hat etwa Deutschland keine Ausnahme reserviert, die die Rekommunalisierung von Strom-und Gasnetzen schützt. Dabei haben in jüngster Vergangenheit viele Gemeinden Privatisierungen rückgängig gemacht und Stromnetze wieder übernommen, um die Stromerzeugung selber gestalten zu können - darunter Großstädte wie Stuttgart oder Hamburg. In vielen Gemeinden steht eine Übernahme der Stromnetze noch aus. Mit CETA würde dies in Zukunft nur noch schwer möglich werden.

Sie haben es in der Hand: Es geht nicht nur um die zukünftige Ausgestaltung der EU-Handelspolitik. Es geht auch darum, ein Abkommen abzulehnen, das genauso wie TTIP in erster Linie Interessen von Großkonzernen dient und dafür Demokratie, Rechtsstaat, Umwelt- und Verbraucherschutz untergräbt. Anders als die EU-Kommission behauptet, bleibt die EU auch ohne CETA die größte Handelsmacht der Welt. Als solche haben sie - und Deutschland als Exportnation im Besonderen - eine Verantwortung, Handel fair, sozial und ökologisch zu gestalten. Mit CETA würde die EU in genau die entgegensetzte Richtung gehen. Ich bitte Sie heute, sich als Landesverband für einen gerechten Welthandel stark zu machen und deshalb CETA beim Parteikonvent am 19. September in Wolfsburg abzulehnen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Claudia Bielfeldt

Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein des BUND



BUND Schleswig-Holstein, Lorentzendamm 16, 24103 Kiel
Fon 0431 66060-0, Fax 0431 66060-33
bund-sh@bund-sh.de
www.bund-sh.de
Claudia Bielfeldt
Landesvorsitzende
claudia.bielfeldt
@bund-sh.de
Fon 0431 66060-0



Zur Online-Protestaktion des BUND gegen CETA:
http://aktion.bund.net/ceta-werden-wir-verhindern

Informationen zu den bundesweiten Großdemonstrationen gegen CETA und TTIP am 17. September:
http://ttip-demo.de/bundesweiter-demo-tag/

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Quelle:
Presseinformation, 08.09.2016
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Schleswig-Holstein
Lorentzendamm Nr. 16, 24103 Kiel
Tel.: 0431/66060-0, Fax: 0431/66060-33
E-mail: bund-sh@bund-sh.de
Internet: www.bund-sh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2016

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