BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein - 10. Juni 2016
Vor 20 Jahren: Eine ökologische Zeitenwende 1996 (nicht nur) am Oberrhein
von Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer
Es ist immer schwierig und immer auch falsch, den Ort und Zeitpunkt einer "Zeitenwende" punktgenau bestimmen zu wollen. Dennoch könnte aus regionaler Sicht ein umweltpolitischer Erfolg vor 20 Jahren am Oberrhein für eine solche Wende stehen.
Rot, blau, gelb...
in allen Regenbogenfarben färbte sich bis vor zwei Jahrzehnten der
Rhein unterhalb der beiden Rohre der elsässischen Papierfabrik
Kaysersberg gegenüber von Breisach. Eine erste BUND-Recherche ergab,
dass hier tatsächlich die letzte Papierfabrik am Oberrhein noch ohne
Kläranlage arbeitete und seit vielen Jahrzehnten mit Farben und
Schwermetallen den Rhein vergiftete.
Usine Kaysersberg & Rheinverschmutzung: Vorher
Foto: © BUND RVSO
"Eine Kläranlage muss her",
unter diesem Motto kämpften der BUND mit Unterstützung von Alsace
Nature gemeinsam gegen die aus heutiger Sicht unglaubliche
Rheinverschmutzung an. Die klassische Umweltverschmutzung wurde mit
den klassischen Methoden der Umweltverbände angegangen und im Jahr
1996 beugte sich die Usine Kaysersberg dem Druck und eine moderne
Kläranlage wurde eingebaut.
Nach Ansicht von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer
endete mit diesem Erfolg am Oberrhein die Hauptzeit der "klassischen
alten, offen, sichtbaren" Umweltverschmutzung im Bereich der
Wasserverschmutzung.
Vorangegangen waren die großen ökologischen Konflikte und Kämpfe um
FCKW und Ozonloch, die Debatte und vielfältige Aktionen und Demos auch
in Südbaden und im Schwarzwald gegen das Waldsterben und gegen die
massive Luftverschmutzung, die schon 1974 mit der erfolgreichen
Bauplatzbesetzung gegen ein umweltvergiftendes Bleichemiewerk in
Marckolsheim (F) begonnen hatten.
Usine Kaisersberg & Rheinverschmutzung: Nachher
Foto: © BUND RVSO
"Gut und Böse" waren in diesen frühen Konflikten noch einfacher auseinander zu halten und Durchsetzungsstrategien und Greenwash für Umweltzerstörung war noch nicht so perfekt wie heute. Die Proteste und Aktionen von BUND und Umweltbewegung gegen das Waldsterben und für saubere Luft, reinere Flüsse, für alternative Energien und für eine menschengerechte Umwelt führten mittel- und langfristig zu massiven Verbesserung der Umweltsituation und zu einer Zunahme des Umweltbewusstseins. Gesetze wurden auf Druck der Umweltbewegung und gegen die Lobbyisten verschärft, der PKW-Katalysator wurde eingeführt, verbleites Benzin wurde verboten, Kraftwerke und Industrieanlagen wurden entstickt, entschwefelt und zum Teil technisch auch sicherer. Der Konflikt um die Flachglasfabrik im Elsass führte dazu, dass diese - entgegen der ursprünglichen Planung - eine Entstickungsanlage erhielt.
Eine von vielen Ursachen der Walderkrankungen
war der Ausstoß von Schwefeldioxid und der damit verbundene saure
Regen. Hier brachte der Protest die größten Erfolge. "So konnten zum
Beispiel alleine in Baden-Württemberg die SO2-Emissionen von 334.200
Tonnen 1973 auf 58.800 Tonnen 1995 reduziert werden, was einem
Rückgang um über 80% entspricht." schreibt die LUBW Baden-Württemberg.
Um das Jahr 1996 endete am Oberrhein und in Deutschland langsam das Zeitalter der "alten, offenen, sichtbaren Umweltverschmutzung" auch wenn die immer noch laufenden AKW an die damalige Zeit erinnern. Auch "Rückfälle" sind immer möglich. Dies zeigt u.a. die Jagstkatastrophe im Jahr 2015, bei der die grob fahrlässige Lagerung großer Mengen Stickstoffdünger in unmittelbarer Gewässernähe und eine nicht vorbereitete Feuerwehr zu einem riesigen Fischsterben führte.
Und 2016? Andere, neue, weniger sichtbare Probleme
Die Situation von Mensch, Ntur und Umwelt ist trotz aller, mühsam
erkämpfter Fortschritte regional und global nicht unbedingt besser
geworden. Die Probleme haben sich verändert und sind weniger
"sichtbar". Die aktuellen, großen Herausforderungen für den BUND und
die Umweltbewegung sind die Fragen der Nachhaltigkeit, des
Klimawandels und des endgültigen Atomausstiegs, die regional und
global bedrohte Biodiversität und der Flächenverbrauch, die absehbare
Endlichkeit der fossilen Energieressourcen und Rohstoffe, die
Bekämpfung von Fluchtursachen, Innenweltverschmutzung und die
Beantwortung der Frage, wie sich nach dem jetzigen Zeitalter der
Habgier und des Raubbaus mit einem massiv verringerten Input an
Energie, Rohstoffen und Arbeitszeit ein gutes Leben führen lässt. Dazu
kommt die Bedrohung des Weltfriedens durch zunehmende soziale
Ungleichheit, Ressourcenkriege und durch die Verbreitung von Bio- und
Atomwaffen. Die Hintergründe vieler aktueller Probleme sind Habgier,
undemokratische Banken- und Konzernmacht, Freihandel,
Staatsgläubigkeit, Bürokratie, Deregulierung der Finanzmärkte,
Überkonsum, Wachstumswahn, soziales Unrecht, Energie-, Rohstoff- und
Arbeitszeitverschwendung... Wir leben in einem System, das nur
funktioniert, wenn es wächst und sich damit zwangsläufig selbst
zerstört. Am Oberrhein haben wir mit viel Mühen in Teilbereichen die
globalen Zerstörungsprozesse entschleunigt. Es gibt für den BUND und
die Umweltbewegung noch viel zu tun.
Eines steht 20 Jahre nach dem wichtigen Erfolg für einen sauberen
Rhein fest:
"Die Umweltbewegung wird für das gelobt, was sie in der
Vergangenheit getan und erreicht hat und sie wird dafür kritisiert,
was sie aktuell fordert und durchsetzen will"
http://www.bund-rvso.de/oekologische-zeitenwende-oberrhein-baden.html
*
Quelle:
Mitteilung an die Medien vom 10.06.2016
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Axel Mayer, BUND Regionalgeschäftsführer
Herausgeber:
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg
Tel.: 0761/30383, Fax: 0761/23582
E-Mail: bund.freiburg@bund.net
Internet: www.bund-rvso.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2016
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