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STANDPUNKT/1159: Das Klimapaket wird nicht reichen (Umwelt Perspektiven)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Umwelt Perspektiven
Der UFZ-Newsletter - Dezember 2019

Das Klimapaket wird nicht reichen

von Erik Gawel


Das Klimapaket der Bundesregierung soll dafür sorgen, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 nicht erneut verfehlt, wie dies bei den Zielmarken für 2005 und 2020 der Fall war. An diesen bisherigen Zielverfehlungen konnten freilich weder das Nationale Klimaschutzprogramm (von 2000) noch das integrierte Energie- und Klimaprogramm (von 2007) etwas ändern. Ebenso wenig wie das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 (aus dem Jahre 2014) sowie der Klimaschutzplan 2050 (von 2016). Erinnert sich noch jemand an diese Pakete? Jedenfalls dürfte klar sein: Pakete-Schnüren allein genügt nicht! Es muss das Richtige drin stehen.

Die wichtigste Botschaft, die jenseits der Einzelmaßnahmen vom aktuellen Klimapaket hätte ausgehen müssen, wäre ein klares Bekenntnis zu zwingender Emissionsminderung, durch Zahlen belegt, und zu einer spürbaren Richtungsänderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise gewesen. Beides wird nicht erreicht. Im Gegenteil. Die Fülle an eher punktuellen Fördermaßnahmen (ganz in der Tradition der bisherigen Pakete), die selbst mittelfristig eher symbolischen CO2-Preise und das Festhalten, ja die Ausweitung umwelt- und klimaschädlicher Subventionen (derzeit über 50 Milliarden Euro, darunter die Pendlerpauschale) sprechen eine andere Sprache. Zu Recht werden die gesellschaftlichen Akteure das Klimapaket als Signal des "im Wesentlichen doch weiter so" empfinden. In Einzelfällen wird Pendeln jetzt sogar noch günstiger.

Die Belastung von Kraftstoffen erst in zwei Jahren um 23 Cent zu erhöhen, hat leider mit ernstzunehmender CO2-Bepreisung noch gar nichts zu tun. Eine Verteuerung, die niemand bemerken wird, ist keine sinnvolle Verteuerung - sie liegt sogar noch innerhalb der heute üblichen Tagespreisschwankungen an der Tankstelle. Allein der bei Mengensteuern wie der Energiesteuer auf Kraftstoffe regelmäßig notwendige Inflationsausgleich hätte seit 2003, dem Jahr der letzten Anhebung, jetzt eine Erhöhung um ca. 19 Cent bei Benzin notwendig gemacht. Real gesehen werden Kraftstoffe, was die staatliche Belastungskomponente angeht, von Jahr zu Jahr günstiger! Ob das Ganze per Emissionshandel organisiert wird oder einer (sofort und ohne Hintertürchen zu habenden) Änderung des Energiesteuergesetzes, bleibt dagegen im Grunde nachrangig.

Und eine auf Preise abzielende Steuerpolitik, die zu diesem Zweck den Unternehmen die Kostenlast reduziert (Umsatzsteuer bei Bahnreisen, EEG-Umlage für Stromversorger), kann auf Preisnachlässe bei Endkundenmärkten nur hoffen. Ob Kostensenkungen in Fahrkarten- oder Strompreisen spürbar weitergegeben werden, entscheidet sich erst am Markt und greift allenfalls bei intensivem Wettbewerb, der in beiden Bereichen lahmt. Bei Kontokorrentkrediten der Banken funktioniert die Weitergabe von Kostenänderungen an die Kundschaft seit Jahrzehnten zuverlässig nur nach oben. Diese Kostengeschenke werden zu Lasten öffentlicher Haushalte schlicht verpuffen. Und warum eigentlich soll Strom günstiger werden? Gibt es nicht ein Einsparziel von 25 Prozent bis 2050 (bislang erreicht: 2 Prozent) und gegenwärtig auch erhebliche Probleme, noch mehr erneuerbaren Strom aus vulnerablen Landschaften zu gewinnen? Es wäre daher wichtig, auch Strom als höchst knappes Gut auszuweisen, das er tatsächlich ist, und so deutlich mehr Energieeffizienz anzureizen.

Das Klimapaket ist zudem sehr teuer, die Finanzierung aber noch unklar. Verursacherbezogene Finanzierungen (z.B. Kfz-Steuer, "CO2-Preis", Luftverkehrszuschlag) sind eher Beiwerk. Die Hauptlast wird auf die Gemeinschaft der Steuerzahler zukommen - und sei es in späteren Jahren, denn auch Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Gezahlt wird für Klimaschutz nämlich immer. Wir entscheiden nur, wer zahlt und wie teuer die Rechnung insgesamt wird. Man kann dies offen und verursacherbezogen tun - oder aber verdeckt und zu Lasten aller, insbesondere zukünftiger Generationen. Gratis-Klimaschutz ist eine gefährliche Illusion.

Den Kosten des Klimawandels können wir volkswirtschaftlich nicht (mehr) ausweichen. Sie erreichen uns entweder als Klimaschäden einer Heißzeit oder aber als kluge Vorsorge in eine klimaverträgliche Zukunft.

Den klimaverträglichen Umbau einer kompletten Volkswirtschaft im Wesentlichen über das Gemeinlastprinzip öffentlicher Haushalte zu finanzieren, ist nicht möglich. Gegen eine fortbestehende massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten fossiler Strukturen - durch fehlende Einpreisung von Klimaschäden sowie durch Subventionen - wird die öffentliche Hand erfolglos "anzufördern" versuchen. Güterpreise, die die ökonomische und ökologische Wahrheit sprechen, sind deshalb ein unerlässlicher Baustein einer erfolgreichen und - ganz nebenbei - auch einer gerechten Klimapolitik. CO2-Preise stellen erst jene fairen Wettbewerbsverhältnisse her, unter denen grüne Technologien eine angemessene Chance haben werden. Und zwar deshalb, weil sie mit Blick auf die Klimafolgen tatsächlich günstiger sind, als uns die Marktpreise derzeit verraten. Hier muss weitaus mehr geschehen, und zwar rasch.

Dies wäre im Übrigen auch die Stunde der Einführung einer entfernungsabhängigen Pkw-Maut gewesen. Diese sicherte die notwendigen Mittel für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur - übrigens auch in einem zukünftigen System emissionsfreier Mobilität. Eine Pkw-Maut wäre zudem ein klares Preis-Signal gewesen, dass auch Verkehrsvermeidung und -verlagerung wichtige Klimabeiträge erbringen müssen. Immer mehr Straßenverkehr, auch wenn er emissionsärmer organisiert wird, bleibt ein Problem - für die Umwelt, aber auch für das Klima, wenn Treibhausgas-Reduktionserfolge durch höhere Fahrleistung aufgezehrt werden.

Der gesellschaftliche Druck - an der Wahlurne ebenso wie außerparlamentarisch (Fridays for Future) - wird daher weiter hoch gehalten werden müssen. Nur so erhalten politische Entscheider die notwendigen Signale in ihrer Sprache, das Erforderliche für den Klimaschutz noch zu tun. Ja, die jetzt vereinbarten Monitoring-Mechanismen und Nachlieferungspflichten sind ein gewisser Fortschritt. Kraftvolles Umsteuern erfordert jedoch mehr. Dies sollte umso eher gelingen, als zu wenig für den Klimaschutz zu unternehmen uns weitaus teurer kommen wird. Denn den Kosten des Klimawandels können wir volkswirtschaftlich nicht (mehr) ausweichen. Sie erreichen uns entweder als Klimaschäden einer Heißzeit oder aber als kluge Vorsorge in eine klimaverträgliche Zukunft. Diese Wahl sollte uns leichter fallen, als es derzeit politisch den Anschein hat.


Prof. Dr. Erik Gawel
- Der Umweltökonom leitet das UFZ-Department Ökonomie und ist Direktor des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig. Dort hat er den Lehrstuhl für VWL, insbesondere Institutionenökonomische Umweltforschung, inne. Er forscht derzeit in der Helmholtz-Klimainitiative und ist u. a. Mitglied der European Academy of Sciences and Arts sowie des Ausschusses für Umwelt- und Ressourcenökonomie der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft.

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Quelle:
Umwelt Perspektiven / Der UFZ-Newsletter - Dezember 2019, Seite 16-17
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2020

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