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KLIMA/340: IUCN - Pakt der Naturschützer mit Militärs (SB)


Grün und Tarngrün auf Schnupperkurs

Vertreter der Weltnaturschutzunion suchen Gespräch mit den Militärs, weil sie hoffen, sie könnten deren Schlagkraft für eigene Interessen einspannen; umgekehrt lassen Militärs die Chance, sich ein grünes Feigenblatt zu verschaffen, nicht ungenutzt verstreichen


Innerhalb der breiten gesellschaftlichen Umweltbewegung gibt es eine Fraktion, die der Ansicht ist, daß sich grüne Farben gut vermischen lassen und daß das Tarngrün der Militärs zu dem Grün ihrer Richtung paßt. Auch wenn diese Fraktion auf den ersten Blick eine große Bandbreite an Meinungen vertritt - angefangen von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit, damit sich die Militärapparate umweltfreundlicher verhalten, bis zu Angeboten wie, daß Soldaten zur Sicherung von wertvollen Naturressourcen eingespannt werden oder gegen Umweltfrevler vorgehen könnten - überwiegt letztgenannte Ausrichtung. Kritik am Militär wird dabei weitgehend ausgespart.

Am heutigen Montag wollen sich internationale Vertreter dieser Fraktion am Rande des IUCN World Conservation Congress in Barcelona an einem Runden Tisch zum Thema "Environment and Security - Challenges for Change" (Umwelt und Sicherheit - Herausforderungen für Wandel), zusammensetzen, um "die Welt des Naturschutzes und der nachhaltigen Entwicklung mit der Welt der Sicherheit und des Militärs" zusammenzubringen, wie es in der Ankündigung heißt [1]. Organisiert wird das Arbeitstreffen unter anderem von der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources), auch Weltnaturschutzunion genannt, und dem in Den Haag, Brüssel, London, New York, Washington und Kalifornien ansässigen Institute for Environmental Security (IES). Erwartet werden Teilnehmer aus den USA, der Niederlande, Spanien, Thailand, Nepal, Mauretanien sowie der NATO und anderer Sicherheitsapparate aus der ganzen Welt und als Gastgeber Repräsentanten der IUCN.

Die Veranstalter gehen davon aus, daß sich die Teilnehmer des Arbeitstreffen um eine gemeinsame Gesprächsbasis bemühen und Kontakte knüpfen, die zu einer "neuen Partnerschaft" führen können, und zwar, wie ausdrücklich betont wird, jenseits der Umweltzerstörungen, die vom Militär angerichtet werden. Das Ergebnis des Treffens sollte in weiteren Aktivitäten für einen Wandel der Gespräche zwischen den wichtigen Vertretern und Institutionen der verschiedenen Sektoren bestehen, heißt es ein wenig verschroben. Und weiter:

"Die Herausforderungen des 21. Jahrhundert können nicht nur aus einem Blickwinkel angegangen werden. Die Teilnehmer der Runden Tische werden die Aspekte von umweltbezogenen Sicherheitsfragen in unterschiedlichen Phasen (potentiell) von gewaltsamen Konflikten (Prävention, Konfliktmanagement, friedenschaffenden und Postkonflikt-Wiederaufbau) untersuchen und die Frage behandeln, wie sie in verschiedenen Regionen der Welt hineinspielen könnten." [2]

Die Organisatoren betonen, daß es um Gespräche geht und um "erste Schritte", die gegangen werden sollen. Da stellt sich allerdings die Frage, nach wie vielen Jahren die Umwelt- und Naturschützer noch immer erste Schritte machen wollen. Die Vorstellung, daß dem Militär grüne Zügel angelegt werden könnten, ist mindestens so alt wie die heutige Umweltbewegung, die, ungeachtet ihrer viel weiter in die Geschichte zurückreichenden Wurzeln, seit über einem Vierteljahrhundert existiert. Seitdem wird das Militär nicht nur unter dem Aspekt der Sicherheit kritisch analysiert, sondern auch unter dem der Umweltzerstörungen, die es in Friedens- wie in Kriegszeiten verursacht. Wer jedoch an der zentralen Aufgabe des Militärs, Zerstörungen anzurichten oder anderen glaubhaft anzudrohen, vorbeisieht, setzt sich von vornherein dem Verdacht der Korrumpierbarkeit seines eigenen Naturschutzsanspruchs aus - sofern er ihn jemals besessen hat.

Die Öffentlichkeit bekommt nur einen Teil der Umweltzerstörungen seitens des Militärs mit. Erst wenn in der Nachbarschaft Manöver abgehalten werden und Kettenfahrzeuge außerhalb der befestigten Straßen Schneisen in die Natur schlagen, wird unübersehbar, daß Militär und Bewahrung der Natur nicht zusammenpassen. Manöver außerhalb der Militärgebiete sind jedoch noch die harmlose Variante der Zerstörung gegenüber denen, die, vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, auf Militärstützpunkten angerichtet werden. Bei der häufig zu vernehmenden Behauptung seitens des Militärs, daß die weitläufigen Stützpunkte viele seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen und man somit einiges für den Naturschutz tue, wird unterschlagen, daß im Zweifelsfall beispielsweise Amphibienfahrzeuge keine Rücksicht auf jene Tierarten nehmen, deren Name sie sich ausgeliehen haben, und daß Explosionen auf Truppenübungs- und Bombenabwurfplätzen bei Mensch und Tier gleichermaßen zu großem Streß führen.

Selbst diese naturzerstörischen Vorgänge sind verglichen mit dem Vorgehen des Militärs in Kriegsgebieten harmlos: Ganze Landstriche Iraks und Afghanistans sind über viele Generationen hinweg radioaktiv verseucht; wenn Kampfflieger auf Flugzeugträgern landen, lassen sie rechtzeitig vorher nahezu den gesamten Rest ihres umweltschädlichen Treibstoffs ab, damit es im Falle eines Unglücks keine Explosion an Deck gibt; chemische Kampfstoffe, Bleimunition, Treibstoffreste, ins Erdreich sickernde Motor- und Hydrauliköle sowie die Bombardierung von Treibstofftanks, chemischen Fabriken und anderen Industriebetrieben ... dies ist nur eine kleine Auswahl an umweltbezogenen, äußerst destruktiven Aktivitäten des Militärs innerhalb von Kriegsgebieten.

Auch wenn gerade mal kein Krieg geführt wird, erzeugen die Vorbereitungen auf Krieg schwerste Umweltzerstörungen. Man denke nur an den Uranabbau der Wismut in Sachsen und Thüringen, wo der Rohstoff für das sowjetische Kernwaffenarsenal aus der Erde gestemmt wurde und der nun für viele Milliarden Euro saniert werden muß, oder an die radioaktive Kloake, die aus unterirdischen, durchgerosteten Tanks der US-amerikanischen Kernwaffenproduktionsstätte Hanford entweicht und sich im Erdreich unaufhaltsam in Richtung des Columbia-Flusses weiterbewegt. Oder an die Hunderte Milliarden Dollar, die die Sicherung und Renaturierung US-amerikanischer Militärstützpunkte, die als Superfund Sites gelistet und somit als hochtoxisch eingestuft sind, allein auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten verschlingen wird. Oder man denke an die Wale und anderen Meeressäuger, denen es die empfindlichen Ohren zerreißt, weil das Militär Sonargeräte verwendet, die explosionsartige Schallpulse erzeugen, um U-Boote aufspüren zu können [3]. Oder man halte sich vor Augen, daß der Militärapparat der USA in einem Jahr so viel Treibstoff verbraucht wie ganz Schweden. Hinsichtlich der Luftverschmutzungen ist dies sogar ein schlechter Vergleich, denn die Abramspanzer, Tarnkappenbomber, Zerstörer und anderen Kriegsgeräte müssen keine Abgasnormen einhalten.

Unter solchen Voraussetzungen eine gemeinsame Gesprächsbasis mit Militärs über Umweltthemen zu postulieren und anzudeuten, daß man auf diesem Wege etwas in Bewegung setzen könnte, klingt zynisch. Das Sprichwort, daß hier der Bock zum Gärtner gemacht werden soll, vermag die Absurdität solcher Gespräche nicht angemessen zu beschreiben. Das Militär hat eine einzige Aufgabe: zu zerstören oder die Zerstörung anzudrohen. Seine bloße Existenz widerspricht der Idee des Erhalts von Naturräumen zum Nutzen der allgemeinen Bevölkerung.

Es liefe dem Auftrag und Selbstverständnis des Militärs diametral entgegen, würde es seine Sicherheitsbedürfnisse Umweltfragen nachordnen. Das beweisen die permanenten Bemühungen des Pentagons, sich nicht an bestimmte Gesetze (beispielsweise zum Schutz der Meeressäuger und der Arten), die ansonsten für alle gesellschaftlichen Kräfte bindend sind, halten zu müssen [4]. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß auf dem IUCN-Seminar in Barcelona kaum darüber gesprochen werden wird, was das Militär tun kann, um seine Umweltzerstörungen zu reduzieren, sondern in erster Linie darüber, wie das Militärische in Bereiche des Naturschutzes vordringen kann. Dazu schrieb die Anwältin und Umweltexpertin Cindy Ellen Hill:

"Während die Kontroverse über Umweltauswirkungen der militärischen Operationen anhält, entwickelt sich das Verhältnis zwischen Umwelt und Sicherheit zu einer neuen Perspektive - eine, die Sicherheitskräfte als Verbündete betrachtet." [2]

Etwas konkreter formulierte es Frits Hesselink, Vorsitzender der niederländischen Beratungsfirma HECT Consultancy und Mitglied der IUCN-Kommission für Ausbildung und Kommunikation (CEC). Er möchte auf dem Workshop ein Gespräch jenseits von "Kampfgebiet-Auswirkungen" führen und sowohl Umweltimplikationen des Militärs als auch militärische Implikationen für Umweltkrisen erkunden. Seiner Meinung nach könnte das Militär analog zu Friedensmissionen auch darin unterwiesen werden, Wälder zu schützen und sich um die Wasser- und Nahrungsversorgung zu kümmern. "Zur gleichen Zeit haben wir offene Ohren für Umweltpersonen, die das Militär als Gefahr anstatt als Verbündeten betrachten, und doch ist das Militär die einzige Organisation, das die logistische Kapazität besitzt zu helfen", behauptet Hesselink [2]. Man wolle jedoch über den lediglich primären Umweltschutz des Militärs - eigene Umweltverschmutzungen beseitigen oder Manöver verschieben, "damit Vögel brüten können" - hinausblicken.

Geradezu naiv mutet es an, wenn Wouter Veening, Präsident des Institute for Environmental Security (IES) und stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik (CEESP) bei der IUCN, das Szenario entwirft, daß die Flüsse im Himalaya mangels Schmelzwässer austrocknen und dann Menschen abwandern und mit Wasser versorgt werden müssen und daß niemand anderes als das Militär über die Kapazität (Hubschrauber, Schiffe, Lastwagen) und die Erfahrungen in großmaßstäblichen Operationen verfügt, um die Betroffenen zu versorgen.

Diese Argumentation erinnert an die Behauptung phantastischer Spin-off-Effekte, mit der gern die enorme Kapazitäten verschlingende Raumfahrt zu rechtfertigen versucht wird (Stichwort: Teflon-Pfanne). Auch wenn das Militär zur Zeit über die weitreichendsten logistischen Fähigkeiten verfügt, bedeutet das nicht, daß man sich den Militärapparat nicht sparen und entsprechende zivile Strukturen aufbauen könnte, um künftige Klimawandelfolgen zum Wohle der örtlichen Bevölkerungen zu kompensieren.

Die Tagungsteilnehmerin Sherri W. Goodman, in der Clinton-Ära für Umweltsicherheit zuständige stellvertretende Staatssekretärin im US-Verteidigungsministerium und heute Generalberaterin des in Arlington, Virginia, ansässigen Think Tanks CNA Corporation, geht sogar noch einen Schritt weiter als Veening bzw. rückt seine Vorstellung, daß sich das Militär um die Versorgung von in Not geratenen Menschen kümmern könnte, zurecht. Sie erklärt unumwunden, daß der Klimawandel eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellt. Er verstärke "Instabilitäten in fragilen Regionen". Und weiter: "Wir müssen natürliche Ressourcen, Nahrung, Wasser, Wälder, Landwirtschaft als eine Angelegenheit der Sicherheit schützen." [2] Das klingt schon sehr viel anders als Veenings harmonische Erklärung von der helfenden Hand des Militärs. Hier wird deutlich, daß es ihm um die Sicherung von Überlebensressourcen für jene Kräfte geht, denen es sich verpflichtet hat, und nicht darum, beispielsweise dürstenden Menschen im Himalaya zu trinken zu geben und Menschenleben zu retten.

Der Think Tank CNA hatte im vergangenen Jahr einen Report mit dem Titel "National Security and the Threat of Climate Change" [5] (Nationale Sicherheit und die Gefahr des Klimawandels) veröffentlicht. Darin hatten elf ehemalige hochrangige US-Generäle und -Admirale vor den Folgen des Klimawandels gewarnt und gefordert, daß sich die US-Regierung militärisch darauf einstellen müsse. Unter anderem ging es ihnen um die weltweite Sicherung von Ressourcen für die Vereinigten Staaten. Die militärische Chefberaterin der CNA Corporation, Sherri W. Goodman, erklärte nun im Vorfeld des Treffens mit den IUCN-Vertretern:

"Was ich der Umweltgemeinschaft sagen möchte, ist: Lernt unsere großartigen Soldaten und Seeleute und Airmen und Marines kennen und erfahrt die Art von Problemen, denen wir täglich bei unserer Arbeit begegnen. Wir haben wirklich eine Menge großartige Leute in unseren Streitkräften. Laßt uns zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Aufgaben zu lösen." [6]

An solchen Stellungnahmen wird deutlich, welche Aufgabe die Naturschützer aus der Sicht der Militärs einnehmen sollen. Sie sollen eingebunden werden und als Feigenblatt für einen Apparat dienen, der, wie oben ausgeführt, im Kern destruktiv ist. Wenn Goodman auf die Gemeinsamkeit abhebt, dann dürfte das darauf hinauslaufen, daß sich die Naturschützer den Uniformierten unterzuordnen haben, nicht aber, daß sich die Militärs plötzlich für Naturschutz einsetzen.

Umweltexperten wie Hesselink und Veening rennen mit ihren Anliegen beim Militär offene Türen ein. In Zeiten des Klimawandels mit seinen vielen Unabsehbarkeiten - aber auch Absehbarkeiten wie dem vermehrten Aufkommen von Umweltflüchtlingen aufgrund des Meeresspiegelanstiegs, der zunehmenden Dürren und Überschwemmungen -, fühlen sich die Sicherheitsapparate dazu berufen, die vorherrschende Weltordnung zu "verteidigen", wozu die Flüchtlingsabwehr ebenso gehört wie der Kolonialkrieg zur Ressourcensicherung und die Erlangung der Kontrolle über die Seewege.

Das Anliegen der IUCN-Mitglieder, die mit dem Militär paktieren, um seine Fähigkeit zur Gewaltprojektion für eigene Zwecke einzuspannen, muß mit äußerster Skepsis betrachtet werden. Wenn jemand einen Platz an der Seite der Herrschenden einnehmen wollte, war dies in der Vergangenheit immer darauf hinausgelaufen, daß diejenigen ihre Wurzeln verloren - sofern sie jemals welche in der Umweltbewegung besaßen. Das zeigt der tiefschwarze Ruß, der sich komplett auf das grüne Mäntelchen der Hamburger Umweltsenatorin gelegt hat, als sie einem Kohlekraftwerk ihren Segen erteilte. Das zeigte auch das strahlende Gesicht des früheren deutschen Umweltministers, als er mit den Kernkraftwerksbetreibern eine Bestandsgarantie ihrer Altanlagen vereinbarte.

Was auch immer Militärs zum Erhalt von Natur beitragen könnten, ihr mit Abstand größter Dienst an Natur und Gesellschaft bestünde darin, sich selbst abzuschaffen.


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Anmerkungen:

[1] http://www.envirosecurity.org/challengesforchange/

[2] "Environmental Security and the Evolution of Military Green Think. Waging a Sustainable Peace?", Cindy Ellen Hill, Counterpunch.org, 3. - 5. Oktober 2008. (Übersetzung Schattenblick)
http://counterpunch.org/hill10032008.html

[3] "Militärische Sonare: Eine tödliche Gefahr für Wale und Delfine. Militärreport bestätigt: Sonar stört Wale",Quelle: ddp/wissenschaft.de/Nature Onlinedienst, 5. August 2008
http://www.delphinschutz.org/wissen/meeressaeuger/militaerische -sonare.html

[4] "Pentagon Fights EPA On Pollution Cleanup", Lyndsey Layton, Washington Post, 30. Juni 2008
http://www.washingtonpost.com/wp -dyn/content/article/2008/06/29/AR2008062901977_pf.html

[5] "National Security and the Threat of Climate Change", CNA Corporation
http://securityandclimate.cna.org/report/National%20Security%20and%20the%20Threat%20of%20Climate%20Change.pdf

[6] "WAGING SUSTAINABLE PEACE: A Meeting of Security and Environment to Create a Climate for Positive Alliances", Cindy Ellen Hill (Übersetzung Schattenblick)
http://www.envirosecurity.org/challengesforchange/essay/

6. Oktober 2008