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KLIMA/434: Eisendüngung der Ozeane fördert Bildung von Neurotoxinen (SB)


Klimawandel - Schadensbehebung löst noch mehr Schäden aus

Kampf gegen die Erderwärmung ist nicht zuletzt ein Kampf gegen profitgetriebene Unverstandskonzepte


Upps. Eine Eisendüngung der Ozeane, wie sie nach wie vor von geschäftstüchtigen Unternehmern als potentielle Klimaschutzmaßnahme gepriesen wird, regt nicht nur das Wachstum von harmlosen Algen an, sondern treibt auch Kieselalgen der Gattung Pseudonitzschia zur Blüte. Dummerweise sondert diese Domoinsäure ab, ein Neurotoxin, das bei geschwächten Personen zum Tod führen kann. Es kommt mitunter in Muscheln aus algenreichen Meeresgebieten vor. Weniger drastische Folgen einer Vergiftung sind Übelkeit, Atembeschwerden, Kopfschmerzen und Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. 20 Mikrogramm pro kg Muskelfleisch setzt die deutsche Fischhygiene-Verordnung als zulässigen Höchstwert an.

Eine Forschergruppe um den Ökologen Charles Trick von der University of Western Ontario in London, Kanada, berichtete diese Woche online vorab in den Proceedings of the National Academy of Sciences [1], daß Wasserproben aus einem Eisendüngungsgebiet im Nordpazifik erhöhte Konzentrationen von Domoinsäure (DA - Domoic Acid) aufwiesen. Experimente an Bord des Forschungsschiffs hätten das Ergebnis bestätigt. Somit würden giftige Algen nicht nur in küstennahen Eisendüngungsgebieten auftreten, wie bereits andere Wissenschaftler festgestellt hatten, sondern auch im offenen Meer. Die Forscher gelangen zu dem nüchternen Schluß:

"Angesichts der negativen Auswirkungen von DA in küstennahen Nahrungssystemen wecken diese Entdeckungen ernsthafte Sorgen hinsichtlich des Nettogewinns und der Nachhaltigkeit einer großmaßstäblichen Eisendüngung."

An der Westküste der Vereinigten Staaten wird von den Behörden regelmäßig im Frühling und Sommer die Muschelfischerei wegen der Gefahr einer Amnesic Shellfish Poisoning (ASP) durch die Einnahme von Domoinsäure verboten. Auch der Tod von Seelöwen und das ziemlich verrückte Verhalten von Seevögeln in Nordkalifornien 1961 werden auf erhöhte Konzentrationen von Domoinsäure zurückgeführt. Eine Anekdote am Rande: Der in Nordkalifornien wohnende Filmemacher Alfred Hitchcock ließ sich 1963 bei seinem weltberühmten Film "Die Vögel" von den realen Vorfällen in seiner Heimat anregen.

Nichts gegen Gruselfilme, aber wenn sie im Schlepptau von Eisendüngungsexperimenten Einzug in die Realität halten, dann ist das nicht mehr witzig.

Zu schlechter Letzt: Algen binden nicht nur im bescheidenen Maß dauerhaft Kohlendioxid, der letztlich aus der Atmosphäre stammt, sondern sie entziehen ihrer Umgebung auch Sauerstoff und machen ein Eisendüngungsgebiet zu einer Art "Toten Zone". In diesen sauerstoffarmen Meeresgebieten wird jedoch die Produktion von Lachgas (N2O - Distickstoffmonoxid) angeregt. Dieses Spurengas hat eine rund 300 mal höhere Klimawirksamkeit als Kohlendioxid ... soviel zum Konzept der Eisendüngung als Maßnahme gegen die Erderwärmung.


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Anmerkungen:

[1] "Iron enrichment stimulates toxic diatom production in high-nitrate, low-chlorophyll areas", Charles G. Trick u. a., Proceedings of the National Academy of Sciences, 15. März 2010
doi: 10.1073/pnas.0910
http://www.pnas.org/content/early/2010/02/24/0910579107.full.pdf

17. März 2010