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KLIMA/464: "Exorbitant" hohe Gutachtergebühren im Kohlenstoff-Zertifikathandel (SB)


Arme Länder werden zur Kasse gebeten

Zehntausende Euro für die Genehmigung von Klimaschutzprojekten


Der Kohlenstoffzertifikathandel ist ein typisches Produkt des kapitalistischen Verwertungssystems. Sich von der Verpflichtung, Treibhausgasemissionen einzusparen, freikaufen zu können, war ausgerechnet von jenem turbokapitalistischen Staat in das 1997 beschlossene internationale Klimaschutzabkommen von Kyoto eingebracht worden, der den Vertrag nicht ratifiziert hat, den USA. Neben direkten Formen des Betrugs mit Kohlenstoffzertifikaten, wie er in der Vergangenheit aufgedeckt wurde, haben sich auch diverse Formen der Bereicherung entwickelt. Und über eine zumindest umstrittene Art des Geschäftemachens berichtete die britische Zeitung "The Guardian" am Mittwoch. [1] Demnach verlangen die aus den reichen Ländern stammenden Gutachter des unter der Ägide der Vereinten Nationen organisierten Zertifikathandels "exorbitant" hohe Gebühren, so ein Greenpeace-Vertreter.

Beispielsweise hat die Regierung Nepals bereits 150.000 Euro an das norwegische Begutachtungsunternehmen Det Norske Veritas (DNV) gezahlt, um sich ein Programm zur Treibhausgasreduzierung absegnen zu lassen. Das umfaßt 340 kleinere Projekte zur Einsparung von Kohlendioxid. So unterstützt die nepalesische Regierung Anlagen, die Energie aus menschlichen und tierischen Exkrementen gewinnen und daraus Methan machen, das zum Kochen verwendet werden soll. Dadurch kann der Verbrauch von Feuerholz gemindert werden.

DNV-Sprecher Stein Jensen erklärte laut dem "Guardian", daß die Begutachtungsfirmen im Wettbewerb stehen, so daß die Gebühren durchaus den Marktpreis widerspiegeln. Für kleinere Projekte seien die Transaktionskosten hoch, räumte er ein.

Auch die Naturschutzorganisation WWF zahlt einem Gutachter 20.000 Euro für die Bestätigung eines kleineren Projekts in Nepal, bei dem die gleiche Technologie zum Einsatz kommt, das aber in keiner Verbindung mit dem Regierungsprogramm steht.

Bis Ende des Jahres, so hofft man in Kathmandu, ist der Zertifizierungsprozeß abgeschlossen. Summa summarum verspricht sich die Regierung Einnahmen in Höhe von 400.000 Euro pro Jahr aus dem Verkauf von Kohlenstoffzertifikaten. Pro Haushalt fallen 451 Euro für die Biogasausrüstung an. Ein Teil davon wird von der Regierung subventioniert, für einen anderen Teil müssen die Verbraucher aufkommen. Das ist immer noch eine erkleckliche Summe angesichts eines durchschnittlichen Jahreseinkommens in Höhe von rund 1180 Euro und wird von vielen Beteiligten nur über die Aufnahme eines Mikrokredits realisierbar sein.

Auf jene Gutachter kann in diesem System nicht verzichtet werden, weil sichergestellt werden soll, daß bei einem Projekt tatsächlich CO2-Emissionen eingespart werden. Bislang haben die Vereinten Nationen für die Begutachtung 33 Unternehmen zugelassen. Das ist keine sonderlich große Zahl. Es würde nicht erstaunen, wenn sich dadurch oligopolartige Strukturen ausbildeten. Die unterliegen zwar den Regeln des Markts - so wie ein Monopol nicht im Widerspruch zu ihnen steht - können aber gerade deswegen mit Verteuerungen einhergehen, die bei einer strengeren Regulierung der Gutachterfirmen möglicherweise zu vermeiden wären. Jedenfalls berichtete Samir Thapa, der in der nepalesischen Regierung für das Zentrum zur Förderung alternativer Energien tätig ist, daß die Nachfrage nach einer Begutachtung das Angebot übersteigt. Die Wartezeit bis zur Genehmigung eines Projekts betrage sechs bis zwölf Monate.

Aus der Sicht der ärmeren Länder werden Klimaschutzmaßnahmen, die in dieser Form durchgeführt werden, um so unattraktiver, je höher der Anteil, den die Gutachterfirmen verlangen, am Gesamtprojekt ausfällt. Und wenn ausgerechnet für kleinere Projekte relativ hohe Gebühren entrichtet werden müssen, dann werden mit dem Kohlenstoffzertifikathandel tendenziell ausgerechnet Großprojekte (wie zum Beispiel vermeintlich sauberere Kohlekraftwerke) gefördert.

Nepal möchte seit 2006 ein UN-Zertifikat für den Verkauf von Kohlenstoffzertifikaten für zwei Biogasprojekte erlangen. Alles in allem will der Staat 200.000 Biogasanlagen einrichten. Abgesehen von den 150.000 Euro für die Begutachtung der Standorte und andere Serviceleistungen muß die Regierung jährlich 50.000 Euro für nachfolgende Besuche aufbringen. Wie gesagt, einsparen lassen sich die Begutachter nicht, wenn man schon einen Zertifikathandel aufzieht, und eine Reise der Gutachter nach Nepal und innerhalb des Landes dürfte keine geringen Kosten verursachen. Eine Kritik allein an den hohen Gebühren greift deshalb zu kurz. Der Handel mit Kohlenstoffzertifikaten an sich ist problematisch. Er trägt mit dazu bei, daß die Produktionsverhältnisse grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden angesichts einer Erderwärmung, in deren Folge sich die Lebensumstände von Millionen Menschen drastisch verschlechtern.


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Anmerkungen:

[1] "Poorer nations hit with 'exorbitant' consultancy fees for carbon offset projects", The Guardian, 25. August 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/aug/25/carbon-offset-consultancy-fees

27. August 2010