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KLIMA/468: Oxfam stellt Konzept für einen Global Climate Fund vor (SB)


Reiche Staaten betreiben offenbar ökonomische Verwertung des Klimaschutzes

Die am wenigsten entwickelten Länder fallen weitgehend aus der Finanzierung von Klima-Anpassungsmaßnahmen heraus


Die UN-Klimakonferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 hat sehr deutlich gezeigt, daß weder die wirtschaftlich führenden Industriestaaten noch die aufstrebenden Schwellenländer bereit waren, sich für die Interessen der sogenannten Entwicklungsländer einzusetzen. Die hatten gefordert, daß die globale Durchschnittstemperatur nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen dürfe. Die anderen Länder setzten sich dagegen ein 2-Grad-Ziel, faßten aber nicht mal dazu einen verbindlichen Beschluß mit konkreten Vorgaben.

Die Organisation Oxfam hat diese Woche ein Positionspapier [1] herausgebracht, in dem sie fordert, daß die wohlhabenderen Nationen die ärmeren Staaten finanziell und anderweitig unterstützen, damit sie sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen und besser mit seinen Auswirkungen zurechtkommen. Woher der Sinneswandel der reichen Länder kommen soll, läßt die Organisation ebenso offen wie die eng damit verbundene Frage, welche Interessen überhaupt im Spiel sind. Geht es den Regierungen tatsächlich darum, möglichst viele Menschen vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels zu schützen oder instrumentalisieren sie die Not für ihre eigenen hegemonialen Ambitionen und unterstützen die ärmeren Länder dementsprechend nur so weit, daß diese nicht auf die Idee kommen, sich von dem vorherrschenden Verwertungssystem zu verabschieden?

Das sind nur einige der brennenden Fragen, die von der in Großbritannien ansässigen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation nicht gestellt werden. Was allerdings nicht bedeutet, daß Oxfam nicht in dem von ihm gesteckten Rahmen der politischen Analyse Vorschläge unterbreitet, die, sollten sie umgesetzt werden, zu einer durchaus wünschenswerteren Welt führen würden, als sie heute existiert. Rund eine Milliarde Hungernde, zwei bis drei Milliarden Arme, fast 80 Millionen Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge und Staatenlose zeugen nun wirklich nicht von einer erstrebenswerten Welt.

Oxfam stellt zunächst fest, daß sich der Klimawandel bereits negativ auf die Lebensverhältnisse der ärmeren Menschen auswirkt. Dennoch sei bislang schätzungsweise weniger als Zehntel des Klimafonds als Hilfe für die armen Menschen in gefährdeten Staaten ausgeben worden, kritisiert die Organisation. Die Armen verlören doppelt. Zum einen würden sie am härtesten vom Klimawandel, zu dem sie am wenigsten beitrügen, getroffen, zum anderen würden sie von den Fonds unberücksichtigt bleiben, die ihnen eigentlich helfen sollten. Finanzielle Klimaschutzhilfe könne und müsse so eingerichtet werden, daß sie zunächst den Menschen ganz unten, dann weiter oben nützt, insbesondere seien Frauen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu berücksichtigen, schreibt die Organisation, die recht konkrete Vorschläge, wie die administrativen Strukturen der Klimaschutzhilfe aussehen könnten, unterbreitet.

Mit Blick auf COP 16 in Cancun empfiehlt die Organisation, daß ein neuer Globaler Klima-Fonds (Global Climate Fund) eingerichtet und anschließend eine neue Richtung für die Zeit nach 2012 festgelegt wird. Mit seinem Positionspapier liefert Oxfam eigenen Angaben zufolge "eine Vision" für einen neuen Fonds und ein weiter gefaßtes, von den Regierungen und der Zivilgesellschaft anerkanntes Finanzierungssystem, das tatsächlich in der Lage sein sollte, den Finanzbedarf der Entwicklungsländer zu decken.

Damit der Globale Klima-Fonds die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllt, bedarf es nach Oxfam fünf Voraussetzungen:

- Entwicklungsländer sollten bei globalen Entscheidungen in einem zukünftigen Klimafinanzregime angemessen repräsentiert sein;

- bei Zuteilungsentscheidungen sollte die Priorität auf Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und auf gefährdete Länder liegen;

- der Klimafonds sollte leichtgängig, effizient und unmittelbar zugänglich sein;

- Nationalregierungen sollten fähig sein, effektiv zu planen und zu entscheiden, wofür die Klimafinanzierung verwendet wird;

- Frauen und andere verletzliche Gruppen sollten mitsprechen dürfen, wofür das Geld ausgegeben wird, und zwar sowohl durch ihre Teilnahme auf nationaler Ebene als auch durch eine zivilgesellschaftliche Vertretung in globalen Institutionen.

Die Nichtregierungsorganisation zeigt sich davon überzeugt, daß die Gelder aus dem Klimafonds, "wenn sie gut verwaltet werden - indem sie die richtigen Leute an den richtigen Orten zur richtigen Zeit und auf die richtige Weise erreichen - die Kraft haben, einen bedeutenden Unterschied" zum heutigen Stand zu erreichen.

Dem kann und soll hier nicht widersprochen werden, und doch wäre zu bedenken, daß die Klimakonferenz von Kopenhagen nicht deshalb als gescheitert anzusehen ist, weil die Beteiligten über mangelhafte Informationen verfügt hätten, woraus dann zu schließen wäre, daß man ihnen nur die Augen zu öffnen bräuchte, beispielsweise mit solchen Positionspapieren, und schon würden die "richtigen" Prozesse in Gang gesetzt. Nein, bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen ging es um handfeste Interessen, die wenig mit Klimaschutz und viel mit Hegemoniestreben zu tun haben. Oxfam selbst kritisiert in dem Positionspapier, daß bislang auf die 49 ärmsten Länder nur ein Achtel der Klimafinanzierung aus der Global Environmental Facility entfallen ist, wohingegen nur drei Länder - China, Indien und Brasilien - ein Drittel der Gelder erhalten hätten.

Diese Entwicklung kam nicht zufällig zustande. Die Vermutung liegt nahe, daß hier Schwellenländer unterstützt werden, weil mit ihnen lukrativere Geschäfte zu machen sind als mit ärmeren Ländern. Das würde jedenfalls zu dem Eindruck passen, den Beobachter von der Kopenhagen-Konferenz gewonnen haben, nämlich daß dort vor allem Wirtschaftsfragen ausbaldowert wurden und man sich deshalb auf keinen entschiedenen, verbindlichen Klimaschutz eingelassen hat.

Vergleichbar mit dem Standpunkt des britischen Ökonomen Lord Nicholas Stern, der Ende Oktober 2006 einen Report [2] zu wirtschaftlichen Fragen des Klimawandels herausgegeben hat, argumentiert Oxfam, daß die Kosten der Schäden durch den Klimawandel dramatisch steigen, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen getroffen werden. Es bestehe ein dringender Bedarf, den Entwicklungsländern zu helfen, die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden. Die Organisation unterstellt mit ihrem Appell und ihrem Positionspapier, daß die wohlhabenden Staaten die Kosten der Entwicklungsländer zu ihren eigenen machen. Auf welcher Grundlage sollte das geschehen?

Da die Klimakatastrophe, die von Oxfam und mit ihr von weiten Teilen der Umweltbewegung im wesentlichen als etwas Zukünftiges (wenn auch unmittelbar Bevorstehendes) begriffen wird, längst eingetreten ist, insofern als daß jedes Jahr viele Millionen Menschen in zumeist klimatisch benachteiligten Regionen verhungern oder an behandelbaren Krankheiten sterben, dürfte ein Appell an Interessengruppen, die von eben diesem Ordnungssystem profitieren, weitgehend fruchtlos bleiben.


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Anmerkungen:

[1] "Righting two wrongs - Making a new Global Climate Fund work for poor people", Oxfam Briefing Note, October 2010
http://oxfam.intelli-direct.com/e/d.dll?m=234&url=http://www.oxfam.org.uk/resources/policy/climate_change/downloads/bn-righting-two-wrongs-global-climate-fund-061010.pdf

[2] http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/+/http://www.hm-treasury.gov.uk/stern_review_report.htm

7. Oktober 2010