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KLIMA/497: Baumverlust in der Sahelzone eine Folge der zunehmenden Dürre (SB)


Studie zum Verlust an Bäumen und Baumarten in der Sahelzone

Internationaler Klimaschutz ignoriert weitgehend schwindende Überlebensvoraussetzungen in den ärmeren Ländern


Wissenschaftler prognostizieren für dieses Jahrhundert eine allgemeine Erderwärmung um drei, vier oder gar fünf Grad Celsius, sollte nicht innerhalb noch dieses Jahrzehnts eine radikale Trendwende hinsichtlich der anthropogenen Treibhausgasemissionen eingeleitet werden. Eben das passiert jedoch absehbar nicht, die Kurve der CO2-Emissionen steigt nach einem kurzen Abflauen aufgrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder an. Die internationalen Klimaschutzverhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen im Dezember in Durban haben einmal mehr gezeigt, daß die Regierungsvertreter der führenden sowie der aufstrebenden Wirtschaftsmächte mehr an der Verteidigung bzw. Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Vorteile interessiert sind als am Schutz der gefährdetsten Menschen. Diese werden den Folgen der Erderwärmung wie Meeresspiegelanstieg, Trinkwassermangel, Ernteverluste, Dürren, Überschwemmungen wie auch generell der Zunahme von meteorologischen Extremereignissen am schutzlosesten ausgeliefert sein.

Aus zwei Gründen sind davon vor allem die flachen Inselstaaten, ärmere Länder wie Bangladesch und die meisten Staaten Afrikas betroffen: Erstens wird der Klimawandel hier besonders gravierende Veränderungen bewirken; zweitens haben diese Staaten vergleichsweise geringe Möglichkeiten, sich auf die Entwicklung vorzubereiten, Naturkatastrophen zu überstehen und gegebenenfalls Verluste zu kompensieren.

In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden auf dem Planeten voraussichtlich grundlegende klimatischen Veränderungen eintreten. Experten unter anderem des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sagen nicht nur eine Verschiebung von Klimazonen voraus - beispielsweise eine Ausdehnung der Sahelzone in den Mittelmeerraum -, sondern sogar die Entstehung neuer Klimazonen, was zur Folge haben kann, daß ganze Landstriche unbewohnbar werden. [1] Davon wird auch der afrikanische Kontinent betroffen sein. Erste Anzeichen deuten darauf hin, daß die Entwicklung bereits schleichend eingesetzt hat. Laut AlertNet [2] berichteten US-Wissenschaftler Anfang Dezember in einer Studie, daß der Baumbestand in der Sahelzone aufgrund langanhaltender Dürren als Folge des Klimawandels drastisch zurückgegangen ist.

Demnach verschwanden im Zeitraum von 1954 bis 2002 einer von sechs Bäumen, ebenso wie es lokal zum Verlust von jeder fünften Baumart kam. Das galt vor allem für die Obstbäume und andere Baumarten, die für die Holzindustrie interessant und am meisten auf Feuchtigkeit angewiesen waren. In der von der US-Weltraumbehörde NASA und dem Geologischen Dienst der USA (U.S. Geological Survey) in Auftrag gegebenen Studie wurden regionale Untersuchungen zwischen Senegal im Westen und Tschad in Zentralafrika durchgeführt. Demnach stieg in der Sahelzone die Durchschnittstemperatur um 0,8 Grad Celsius an, die Niederschläge nahmen um bis zu 48 Prozent ab.

Die Forschergruppe um Patrick Gonzales, der zur Zeit der Untersuchung noch Gastdozent an der Universität von Kalifornien in Berkeley war, stellte fest, daß der Baumverlust zwar auch auf menschliche Aktivitäten zurückgeht, aber daß der Faktor Klimawandel ausschlaggebend blieb. Im "Journal of Arid Environments" [3] schrieb die Forschergruppe zusammengefaßt, daß die Baumbestandsdichte vor allem im Westen der Sahelzone und die Zahl der Baumarten in der gesamten Sahelzone abnahm, die "ökologischen Zonen" im Sahel, Sudan und Guinea nach Süden wanderten und die Veränderungen des Baumbestands sowohl mit einer klimatischen Variabilität als auch generell mit dem Klimawandel zu erklären sind.

Da Afrika der Kontinent mit dem größten Bevölkerungswachstum ist, werden in Zukunft um so mehr Menschen von den hier beschriebenen und weiteren Folgen des Klimawandels betroffen sein. Auf der Durban-Konferenz haben die Industriestaaten zwar bekräftigt, den Entwicklungsländern ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel zukommen zu lassen, aber erstens vergehen bis dahin noch acht Jahre, in denen das Klima davongaloppieren kann, zweitens genügt die Summe dieses Grüner Klimafonds (Green Climate Fund) genannten Finanztransfers selbst nach Einschätzung der Weltbank nicht und drittens wurde bislang nicht konkretisiert, wie das Geld aufgeboten werden soll.

Angesichts der ziemlich bescheidenen Ergebnisse des internationalen Klimaschutzes erscheint die Befürchtung plausibel, daß die Zusagen entweder gar nicht erst eingehalten werden oder aber beispielsweise durch Umschichtungen aus Entwicklungshilfe-Budgets und somit nicht "zusätzlich" beglichen werden. Beispielsweise schreibt die gegenüber der Politik der Bundesregierung wohlgesonnen-kritische Website DeutscheKlimafinanzierung.de über die Mittel einerseits für den weltweiten Schutz von Wäldern und biologischer Vielfalt und andererseits den Grünen Klimafonds:

"Nach den bisherigen Plänen der Bundesregierung werden auch nach 2012 die dann jährlichen 500 Mio. Euro komplett doppelt angerechnet - auf die Zusagen zur Klimafinanzierung wie auch die Zusage zum Wald- und Biodiversitätsschutz." [4]

Kein gutes Haar an dem, was auf der Durban-Konferenz zum Klimafonds beschlossen wurde, läßt Harjeet Singh, der bei der Nichtregierungsorganisation ActionAid Koordinator für Internationale Klimagerechtigkeit ist. Gegenüber der Website SciDev.Net sagte er:

"Das Abkommen hat hinsichtlich Afrika total versagt. Es ist kein Geld auf dem Tisch für Afrika, damit es Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen kann, und für das Geld wurden nur Zusagen gemacht - rechtlich nicht bindend. Der Grüne Klimafonds ist wie eine leere Muschel." [5, Übersetzung durch SB]

Der empfindliche Verlust von Bäumen und Baumarten in der Sahelzone in den letzten rund fünfzig Jahren paßt zu den Prognosen der Klimaforscher für Afrika. Eine Folge dieser Entwicklung dürfte darin bestehen, daß mehr und mehr Menschen aus den vegetationsarmen Trockengebieten abwandern und beispielsweise versuchen, in das niederschlagsreichere Europa zu gelangen. Begriffe wie "Wirtschaftsflüchtlinge" und "illegale" Einwanderer treffen die Migrations- bzw. Fluchtgründe dieser Menschen nicht im mindestens, sondern sollen offenbar nur die fortgesetzte Abschottung der klimatisch bevorteilten reichen Länder gegenüber den in Not geratenen Ländern des Südens legitimieren.



Anmerkungen:

[1] IPCC, 2011: Summary for Policymakers. In: Intergovernmental Panel on Climate Change Special Report on Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation [Field, C. B., Barros, V., Stocker, T.F., Qin, D., Dokken, D., Ebi, K.L., Mastrandrea, M. D., Mach, K. J., Plattner, G.-K., Allen, S. K., Tignor, M. and P. M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA
pcc-wg2.gov/SREX/images/uploads/SREX-SPM_Approved-HiRes_opt.pdf

[2] "West Africa: Climate Change Killing Trees in Sahel - Study", Megan Rowling, AlertNet, 13. Dezember 2011
http://allafrica.com/stories/201112131487.html

[3] Journal of Arid Environments, Volume 78, März 2012, Seite 55-64, doi:10.1016/j.jaridenv.2011.11.001
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140196311003351

[4] "Zusagen: Woher kommt das Geld?", aus dem Internet abgerufen am 8. Januar 2012
http://www.deutscheklimafinanzierung.de/was-ist-die-deutsche-klimafinanzierung/summen/

[5] "Climate deal leaves questions on green fund and tech transfer", T. V. Padma, Busani Bafana und Linda Nordling, SciDev.Net, 12. Dezember 2011
http://www.scidev.net/en/climate-change-and-energy/climate-policy/news/climate-deal-leaves-questions-on-green-fund-and-tech-transfer-.html

8. Januar 2012