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KLIMA/524: Endzeitstimmung unter Klimaexperten? (SB)


Internationale Energieagentur stellt neuen Report zur Erderwärmung vor

Klimawandel theoretisch noch zu bremsen, aber es wäre eine große Herausforderung



Noch in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts hatten Wissenschaftler gewarnt, daß auf der Erde unvorstellbare Verhältnisse einkehren werden, sollte es der Weltgemeinschaft nicht gelingen, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem Beginn des Industriezeitalters zu begrenzen. Inzwischen rechnen die Klimaexperten kaum noch damit, daß dieses Ziel eingehalten wird, erforderte es doch einen umfangreichen gesellschaftlichen Umbruch mit einer entschlossenen Veränderung der Produktions- und Konsumverhältnisse. Die Staatengemeinschaft ist zur Zeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der anthropogenen Treibhausgasemissionen, denen ein maßgeblicher Einfluß auf die Erderwärmung zugesprochen wird, zu ergreifen. Geostrategische Interessen bestimmen derzeit die Weltpolitik viel mehr als die drohende Klimakatastrophe.

Am 10. Juni warnte die Internationale Energieagentur (IEA) in einem Spezialbericht zum Weltenergie-Ausblick, daß die gegenwärtigen Entwicklungen auf eine globale Erwärmung um 3,6 bis 5,3 Grad Celsius hinauslaufen. [1]

Solche Zahlen sind sicherlich sehr abstrakt und wenig anschaulich. Es ist nicht einfach, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was sie konkret bedeuten. Hier in Deutschland erleben wir Temperaturunterschiede zwischen Winter und Sommer von 40 Grad Celsius oder mehr, da fällt es schwer, sich die Bedeutung eines globalen Temperaturanstiegs von so wenigen Grad anschaulich zu machen. Es gibt aber die Möglichkeit, sich über Vergleiche einen ersten Eindruck zu verschaffen. Beispielsweise stellen die kleinen Inselstaaten die Forderung auf, daß bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen nicht das 2-Grad-Ziel, sondern das 1,5-Grad-Ziel angestrebt werden muß. Andernfalls würden viele Inseln vom Meer überschwemmt. Das bedeutet somit, daß eine Spanne von lediglich 0,5 Grad Celsius darüber entscheidet, ob die Inseln untergehen oder nicht.

Nun beträgt der von der IEA prognostizierte untere Grenzwert, auf den die Erde zusteuert, mehr als das Vierfache jener Spanne! Ein so hoher globaler Durchschnittswert wäre damit verbunden, daß nicht nur viele flache Inseln untergehen, sondern daß auch dicht besiedelte und landwirtschaftlich genutzte Küstenstreifen auf der ganzen Welt überschwemmt werden. Was das wiederum für die küstennahen Grundwasserspeicher sowie die Mündungsbereiche von Flüssen und auch deren Hinterland bedeutet, wurde von der Wissenschaft noch gar nicht richtig ausgelotet.

In dem IEA-Report "Redrawing the Energy-Climate Map" (Die Energie-Klima-Landkarte neu zeichnen) wird ein theoretischer Weg aufgezeigt, wie die Staatengemeinschaft noch das 2-Grad-Ziel einhalten kann, wenn nur der politische Wille stark genug ist. Die Autoren konzedieren, daß ein neues internationales Klimaschutzprotokoll nicht vor 2015 vereinbart und nicht vor 2020 in Kraft treten wird und daß sich die Welt, obwohl viele Staaten Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, mehr und mehr von dem eigentlich gebotenen Weg des Klimaschutzes entfernt.

Die IEA-Autoren machen keinen Hehl aus ihrer Absicht, den Klimaschutz wieder ganz oben auf der Agenda der Weltpolitik zu positionieren. Deswegen dürfte es kein Zufall sein, daß sie ihren Report eine Woche vor Beginn des G8-Treffens in Nordirland der Öffentlichkeit vorstellen, zumal dort auch über den Klimawandel gesprochen werden soll (nachdem das Vereinigte Königreich zunächst verhindert hatte, daß das Thema auf die Tagesordnung kommt).

Die Vorschläge der IEA, wie das 2-Grad-Ziel technisch noch zu erreichen ist, beziehen sich im wesentlichen auf den Energiesektor, weil dort mit Abstand die meisten Treibhausgasemissionen produziert werden. Empfohlen werden verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Energieeffizienz (was 49 Prozent der Verringerung der Treibhausgasemissionen bringen soll), Begrenzung der besonders klimaschädlichen Kohleverstromung (21 Prozent), Reduzierung der Methanemissionen bei der Öl- und Gasförderung (18 Prozent) und Beschleunigung der Zurücknahme von Subventionen für fossile Treibstoffe (12 Prozent).

Diese Ziele zu erreichen sei möglich, aber auch eine große Herausforderung, hieß es. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangten schon andere Forscher in älteren Studien, und wenn man die jüngsten internationalen Klimaschutzverhandlungen Revue passieren läßt, so entsteht der Eindruck, daß da niemand ist, der das Ruder noch herumreißen könnte. Das ahnen die Forscher, und so schwingt in ihren Berechnungen zunehmend eine pessimistische Note mit.

Die Konsequenzen eines Versagens des globalen Klimaschutzes wären allein schon wegen der Zunahme von extremen Wetterereignissen für viele Menschen, insbesondere in den ärmeren Ländern, in denen zwar am wenigsten Energie verbraucht wird, die aber gleichzeitig die geringsten Möglichkeiten besitzen, katastrophale Entwicklungen abzuwehren, verheerend.

Außerdem wird dann Plan B ausgepackt, und es läßt sich schwer entscheiden, ob dadurch nicht noch alles schlimmer wird. Dann werden Wissenschaftler und Unternehmen vorschlagen, Geoengineering zu betreiben. Auch wenn die Folgen unabsehbar sind, könnten einzelne Staaten vorpreschen und anfangen, beispielsweise das Meer mit Eisen zu düngen, um das Algenwachstum anzuregen, so daß die abgestorbene, kohlenstoffhaltige Biomasse auf den Meeresgrund sinkt. Oder es könnten gewaltige Mengen an Schwefelpartikeln in der Atmosphäre versprüht werden, damit sie das Sonnenlicht reflektieren, bevor es die Erde aufheizt.

Plan B ist ein (ver-)blendendes Geschäftsmodell, von dem sicherlich einige Menschen einen Nutzen für sich abgewinnen. Es würde sich also gar nicht so viel zur heutigen Situation in der Welt ändern ... sieht man einmal von den lästigen Kollateralschäden ab, daß die Eisendüngung den Meeresbewohnern den Atem verschlägt und daß durch die Rückstrahlung des Sonnenlichts mit Schwefelpartikeln regionale Ernteverluste und Hunger ausgelöst werden.


Fußnoten:

[1] http://www.worldenergyoutlook.org/media/weowebsite/2013/energyclimatemap/RedrawingEnergyClimateMap.pdf

10. Juni 2013